Warum ich den Schleier immer trage
Magdalena Winghofer (36) ist Ordensfrau, Pastoralreferentin und Stadtjugendseelsorgerin in Nürnberg. Als Maria-Ward-Schwester müsste sie eigentlich kein Ordenskleid tragen. Trotzdem ist sie mit Schleier und Rock unterwegs. Warum, erzählt sie im Interview.
Frage: Schwester Magdalena, Sie sind Ordensfrau und Jugendseelsorgerin, wie kam das?
Schwester Magdalena: Als Maria-Ward-Schwester gehöre ich keinem kontemplativen Orden an und lebe auch nicht in einem Kloster. Wir haben kein festes Chorgebet und keinen streng geregelten Tagesablauf. Jede Schwester hat ihre je eigene Aufgabe und Sendung. Weil ich Jugendseelsorgerin bin, bin ich viel unterwegs und teile mir meine Pausen und Gebetszeiten selbst ein. Das erfordert eine hohe Selbstdisziplin, denn niemand kontrolliert mich. Das gibt mir aber auf der anderen Seite auch viel Freiheit.
Frage: Aber Sie sind doch Ordensfrau geworden, um in Gemeinschaft zu leben?
Schwester Magdalena: Ja, das stimmt. Ich lebe auch in einer Wohngemeinschaft mit einer älteren Mitschwester. Unsere WG ist ein Mitlebe-Projekt. Das heißt, junge Frauen ab 16 sind eingeladen, sich bei uns im Gästezimmer für eine bestimmte Zeit einzuquartieren. Man kann so Ordensfrauen kennen lernen, eine Auszeit nehmen oder mal in Ruhe fürs Abitur lernen. Bei uns gibt es kaum Ablenkungen.
Frage: Sind Sie die dann die Altenbetreuerin für Ihre Mitschwester?
Schwester Magdalena: Nein, ganz im Gegenteil. Schwester Hilmtrud ist 71 Jahre alt und sehr agil. Wir kennen uns schon so lange, wir sind zwar unterschiedlich, verstehen uns aber wirklich gut. Hilmtrud war früher Novizenmeisterin und in unserem Zentrum für Spiritualität zuständig. Seitdem sie nicht mehr berufstätig ist, versorgt sie uns beide. Ich sage ihr, wann ich nach Hause komme und essen möchte. Ich gehe dafür einkaufen. So lautet unsere Arbeitsteilung. Um den Haushalt kümmern wir uns aber gemeinsam. Natürlich merkt man im Alltag, dass wir durch unterschiedliche Ordensausbildungen gegangen sind. Meine Mitschwester kommt aus der 68er Generation und trägt kein Ordenskleid, das ist normal für sie.
Frage: Sie hingegen tragen einen Schleier. Warum?
Schwester Magdalena: Ja, ich trage eine Ordenstracht und zwar freiwillig. Vom Orden her ist es uns freigestellt, ob wir einen Habit anziehen oder nicht. Die schwarzen Kombinationen, die viele Mitschwestern haben, sind für meine Aufgabe nicht praktisch. Deshalb trage ich anstelle von Blusen lieber T-Shirts und Pullis in verschiedenen Farben, also blaue Pullis und weinrote T-Shirts. Dazu kombiniere ich einen grauen Rock. Das ist meine eigene Kreation. Wir haben uns im Orden auf gedeckte Farben geeinigt, ohne genau festzulegen, welche das genau sind.
Frage: Würden Sie auch blaue Jeanshosen tragen?
Schwester Magdalena: Ich will als Ordensfrau erkennbar sein. Ich glaube, dass ein Schleier als religiöses Symbol von den Leuten noch erkannt wird. So sieht man gleich auf den ersten Blick, dass ich eine Frau bin, die ihren christlichen Glauben bewusst lebt. Durch meine Kleidung signalisiere ich den Menschen, dass ich für sie da bin, wenn sie Fragen haben. Diesen Vertrauensvorschuss bekomme ich in jedem Gespräch. Außerdem arbeite ich mit Jugendlichen zusammen und die wollen klare Erkennungsmerkmale, an denen sie sich abarbeiten können.
Frage: Gehen Sie mit den Jugendlichen abends auch in die Disko?
Schwester Magdalena: Nein, das mache ich nicht, auch wenn ich es könnte. Wir haben zwar keine Klausur, aber ich frage mich schon, ob so ein Verhalten gut und sinnvoll für mich ist. Ich bin kein Kumpel von Jugendlichen, sondern ich bin Jugendseelsorgerin. Wir gehen abends oft gemeinsam etwas trinken, aber ich verabschiede mich dann auch nach einer Zeit wieder und gehe nach Hause. Junge Menschen brauchen mich als Person und Ansprechpartnerin, aber nicht als eine von ihnen.
Frage: Wie gelingt es Ihnen, Ordensleben und Beruf unter einen Hut zu bekommen?
Schwester Magdalena: Freizeit habe ich wenig, das gebe ich zu. Aber ich trenne nicht zwischen Arbeit und Freizeit. Mein ganzes Leben ist Sendung, dazu gehört die Arbeit ebenso wie das, was ich an Erholung brauche, um auf Dauer arbeitsfähig zu sein. Alles ist ausgerichtet auf Gott. Ich vergesse meine Sendung zu Hause nicht, nur weil ich frei habe. Ein Kollege hat mir einmal gesagt: "Irgendwie verstehst du deine Arbeit anders als ich." Das habe ich als Kompliment empfunden. Ich habe keinen Job, ich habe eine Sendung, für die ich lebe und zwar rund um die Uhr. Klar muss ich aufpassen, dass ich nicht innerlich ausbrenne und mir einen Ausgleich suchen. Das bedeutet natürlich auch, Nein sagen zu können, denn ich habe viele Aufgaben, für die ich verantwortlich bin. Aber ich mache meinen Job, nicht um Geld zu verdienen, sondern weil ich glaube, dass Gott mich hier braucht. Zudem finde ich meine Stelle als Jugendseelsorgerin genial.
Frage: Warum wollten Sie Ordensfrau werden?
Schwester Magdalena: Ich wollte nicht für mich alleine leben, ich wollte mich für etwas Größeres zur Verfügung stellen. Klar hätte ich studieren, Geld verdienen und Karriere machen können. Und ich hätte so mein kleines Leben gehabt. Aber das war mir nicht genug. Als Ordensfrau bin ich weltweit einsetzbar. Für meine Familie war meine Entscheidung ins Kloster zu gehen eine fremde Welt. Jetzt bin ich elf Jahre im Orden. Mittlerweile haben sie es akzeptiert. Ich habe ihnen klar gemacht, dass ich durch das Gelübde nicht auf etwas verzichte, sondern mich für etwas entscheide, was mir gut tut. Ich weiß, wie man ohne Gott leben kann. Aber ich weiß auch, wie viel schöner es ist, wenn es anders ist. In meinem ganzen Leben steckt der Wunsch, für Gott zu leben.
Frage: Wie leben Sie für Gott?
Schwester Magdalena: Zum Beispiel, indem ich täglich bete. Wir haben in der WG eine kleine Kapelle mit einem Tabernakel eingerichtet. Hier sitze ich jeden Morgen in Stille. Ich versuche mich in dieser Zeit ganz auf Gott zu konzentrieren und ich spüre seine Gegenwart. Was dann passiert, habe ich nicht in der Hand. Manchmal kommt mir ein Lied oder eine Bibelstelle in den Sinn oder ich wiederhole einen Psalm. Ich lasse mir genügend Zeit für das freie Gebet, denn ich will Zeit mit Gott verbringen. Schließlich steht mir Gott emotional so nahe, dass ich am liebsten Zeit nur mit ihm verbringe. Es ist für mich die engste und intimste Beziehung, die ich habe, da hätte niemand anderes mehr Platz darin.