Besondere Namen von Ordensleuten und ihre Bedeutung

Von Aquaviva bis Zephyrin

Veröffentlicht am 08.01.2019 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Mehrere Benediktiner singen bei einem Gottesdienst in der Klosterkirche
Bild: © KNA

Heiligenkreuz ‐ Laborator, Sophronia oder Gaudiosus – Ordensleute haben mitunter merkwürdig klingende Vornamen. Warum das so ist und welche Idee sich dahinter verbirgt, hat Frater Tarcisius Sztubitz aus dem Stift Heiligenkreuz in seiner Diplomarbeit untersucht. Im Interview erzählt er von seinen Ergebnissen.

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Sie heißen Gaudiosus, Laborator oder Oboedientissima: Im Kloster tragen viele Menschen ausgefallene Namen. Frater Tarcisius Sztubitz (27) aus der österreichischen Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz im Wienerwald hat über dieses Thema seine Diplomarbeit geschrieben, die demnächst auch als Buch erscheint. Sztubitz spricht im Interview über die Geschichte dieser merkwürdigen Benennungen und über die nicht immer freudigen Reaktionen darauf.

Frage: Frater Tarcisius, welcher Ordensname ist für Sie der skurrilste?

Sztubitz: Da habe ich bei meinen Recherchen viel Bemerkenswertes kennengelernt. Besonders ausgefallene Namen gab es in den Schwestergemeinschaften des 19. Jahrhunderts, die sehr groß waren und deshalb viele, viele Benennungen für ihre teils über 1.000 Mitglieder brauchten. Und jede sollte ihren eigenen einzigartigen Namen erhalten; dahinter steckte auch der Gedanke, dass jede Berufung einmalig sei. Da musste man also erfinderisch werden und hat zum Beispiel aus Marien-Titeln Bildungen wie Castissima gebastelt, die Keuscheste, oder Oboedientissima, die Gehorsamste.

Frage: Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Sztubitz: Schon als Jugendlicher habe ich mich dafür interessiert, auch weil ich eine Großtante hatte, die Ordensfrau war, Schwester Juliana. Und im Studium habe ich festgestellt, dass es kaum Literatur auf dem Gebiet gibt. Also habe ich selbst Nachforschungen begonnen.

Frage: Was wissen Sie nun über die Geschichte der Namen von Ordensleuten?

Sztubitz: Die Tradition der Neubenennungen gab es bereits im frühen Christentum. Als Zeichen von Bekehrung und einer wichtigen Position in der Kirche war sie schon im Frühchristentum bei Taufen und Bischofsweihen üblich, bei der Papstwahl hat sie sich ja bis heute erhalten. In den Ordensgemeinschaften verbreitete sie sich erst später, langsam ab dem 11. Jahrhundert, und zwar vermutlich aus zwei Gründen.

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Frage: Welchen?

Sztubitz: Erstens aus praktischen. Im Spätmittelalter reduzierte sich die Vielfalt der Namen. Bis dahin kannte man noch viele Ruf- und Spitznamen, die wie Eigennamen verwendet wurden. So hatte der heilige Franziskus eigentlich den Taufnamen Giovanni, wurde aber wegen seiner französischen Mutter Francesco, also "kleiner Franzose", gerufen. Mit der Neuzeit verschwand diese Bandbreite, irgendwann gab es nur noch wenige Standardnamen. Umbenennungen machten es nun möglich, die Namenshäufungen zu vermeiden. Zweitens waren geistliche Gründe ausschlaggebend. Der neue Name galt als eine Art Programmträger, als Symbol der Erneuerung.

Frage: Wie entwickelte sich die Tradition der Umbenennungen weiter?

Sztubitz: Ab dem 15. Jahrhundert hat sich der Brauch bei den Benediktinern stark verbreitet. Er wurde nämlich zum Ausdruck der damals umfassenden Ordensreformen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts, nach dem Konzil von Trient, setzten sich klösterliche Umbenennungen in einigen anderen Orden durch, auch bei den Zisterziensern.

Frage: Wie werden Ordensnamen eigentlich vergeben?

Sztubitz: Zunächst mal: Längst nicht alle Gemeinschaften vergeben sie. Die Jesuiten etwa nicht. Da aber, wo es sie gibt, war es bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) meist so, dass der Obere oder die Oberin den Namen zugeteilt hat. Sie leiteten dieses Vorrecht aus ihrer "Vater-" oder "Mutterschaft" ab, so wie Eltern auch ihre Kinder benennen. Die Wahl als Novize brav anzunehmen, wurde als Ausdruck von Gehorsam betrachtet.

Bild: ©KNA/Elisabeth Fuerst

Frater Tarcisius Sztubitz im Dezember 2018 in Heiligenkreuz.

Frage: Wie gingen die Oberen bei der Vergabe vor?

Sztubitz: Da gab es verschiedene Haustraditionen, auch kuriose: Manchmal wurden die Namen alphabetisch verteilt, inklusive ungeläufiger Buchstaben. So hießen manche Mönche dann Xaver, Yvo und Zephyrin, allesamt nach Heiligen. Wobei Yvo sich eigentlich Ivo schreibt und Xaver ursprünglich ein Familienname war: der des heiligen Franz Xaver. Man musste eben erfinderisch sein.

Frage: Spielten auch Äußerlichkeiten eine Rolle?

Sztubitz: Ja, Christophorus konnten Hochgewachsene geheißen werden, Pulcheria Schöne. Im Barock begann man dann mit Namensspielereien: Man dichtete zusammen, was hübsch klang. Aquaviva beispielsweise, lebendiges Wasser. Ferner kamen damals sogenannte Tugendnamen auf: Laborator, der Arbeitsame, Sophronia, die Besonnene, Gaudiosus, der Freudenhafte. Diese Titel galten auch als Maßgabe fürs Klosterleben.

Frage: War denn tatsächlich immer jede und jeder voller Freude über den neuen Namen?

Sztubitz: O nein. Es gibt Berichte von missmutigen Mienen, gar von durchweinten Nächten. Seit dem Zweiten Vaticanum dürfte sich die Lage entspannt haben. Seither wird ein Ordenseintritt nicht mehr nur als Abkehr von der Welt, sondern vor allem als Vertiefung der Taufe begriffen. Novizen dürfen nun ihren Taufnamen oft behalten oder Vorschläge für einen Ordensnamen machen. So war das auch bei mir. Getauft wurde ich auf Georg. Im Stift habe ich mir Tarcisius als Namen gewünscht, den Patron der Messdiener. Ich war nämlich lange Zeit Oberministrant.

Von Christopher Beschnitt (KNA)