Darum braucht es die klassische Pfarrei weiterhin
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Gestern war wieder Sonntag. So wie jede Woche. Wieder mal haben gut zwei Millionen katholische Christen in Deutschland die Heilige Messe besucht. In den meisten Fällen in relativer Nähe zu ihrem Wohnort. Was soll ich nun davon halten, wenn allerorten wie unlängst vom Mainzer Bischof Kohlgraf das Ende der Ortsgemeinde ausgerufen wird? Die territoriale Pfarrei entspreche in einer mobiler werdenden Welt immer weniger den Lebenswelten vieler Menschen, sagt der Oberhirte. Was soll das eigentlich heißen? Dass die meisten Menschen jetzt in Wohnmobilen leben oder in Zelten?
Es hat sich ein Jargon in der Kirche eingeschlichen, der so tut, als ob er eine Zeitgenossenschaft spiegelt, in Wahrheit aber doch oft eine Realitätsferne und die eigene institutionelle Unfähigkeit spiritualisiert. Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, einen Überfluss an Priestern gäbe, wenn die Kirche sich vor Berufungen nicht retten könnte und dennoch die Kirchen leer wären: Ich bin sicher, dann würden die Bischöfe Ortsnähe predigen und Lokalität. Dann würde es heißen, in einer unruhigen und mobilen Welt müsse die Kirche den Gegenakzent setzen mit Verlässlichkeit und der Ortsgemeinde, in denen die vielen Priester wirken könnten.
Die meisten Menschen in Deutschland leben mit einem festen Wohnsitz und so ist es auch für die Kirche und den Glauben gut, feste und beständige Orte des kirchlichen Lebens anzubieten. Vielleicht muss man künftig, um zu solchen lebendigen geistlichen Orten von Gemeinde und Gemeinschaft zu gelangen, länger fahren. Aber bitte, man möge aufhören, dies mit einem pastoralen oder theologischen Zuckerguss auch noch zu feiern. Präsenz in der Fläche ist ein Schatz der Kirche, das sollte die (Amts-)Kirche in den für die meisten Menschen unwichtigen Bischofssitzen nicht vergessen.
Lasst die Kirche im Dorf! Und wenn es zu wenig Priester gibt, und wenn die Zugangsvoraussetzungen zum priesterlichen Amt sich nicht so schnell ändern, wie der Glaubensschwund voranschreitet, dann müssen diese Ortsgemeinden sich ändern, dann muss sich kirchliche Praxis ändern, darin hat der Mainzer Bischof natürlich recht. Das beginnt aber vielleicht auch damit, die von ihm aufgemachte Gleichung 10 zu 90 zu überdenken. Den berühmten zehn Prozent Gottesdienstbesuchern stehen eben nicht 90 Prozent Katholiken gegenüber, "die das kirchliche Angebot nicht brauchen". Vielmehr leben Katholiken heute weniger statistisch eindeutig. Wer zehn Mal im Jahr in seiner Ortsgemeinde in die Messe geht, "braucht" seine Kirche vor Ort sehr wohl, auch wenn er statistisch zu den 90 Prozent der vermeintlich Fernen gehört. Nähe ist durch Nichts zu ersetzen, auch nicht durch Mobilität.