Die Frucht seiner Mühen erlebte er nicht mehr

Haggai - einer der erfolgreichsten Propheten der Bibel

Veröffentlicht am 03.02.2019 um 14:03 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Haggai ist einer der einflussreichsten Propheten des Alten Testaments, denn er trug maßgeblich dazu bei, dass der Jerusalemer Tempel wiederaufgebaut wurde. Doch obwohl die Israeliten seinen Worten Glauben schenkten, sah er nie die Krönung seines Wirkens.

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Seinen größten Erfolg hat der Prophet Haggai vermutlich nicht mehr erlebt. Er, der gemäß seinem Namen an einem Festtag geboren wurde, wird im Bericht über die 515 v.Chr. erfolgte Einweihung des Zweiten Tempels in Jerusalem nicht erwähnt – aber die Bedeutung seines Wirkens für den Tempelbau wird im Besonderen hervorgehoben: "Dank der Wirksamkeit Haggais, des Propheten, und Sacharjas, des Sohnes Iddos, kamen sie gut voran. Sie konnten den Bau vollenden, wie der Gott Israels es geboten und wie Kyrus und Darius sowie der Perserkönig Artaxerxes es befohlen hatten." (Esra 6,14).

"Geht ins Gebirge, schafft Holz herbei und baut den Tempel wieder auf!"

Nachdem der Tempel Salomos durch die Babylonier zerstört worden war, wurde diese Katastrophe als gerechtes Gericht Gottes gedeutet. Israel war ein Volk ohne Tempel und ohne König. Die Propheten riefen zur Buße – aber woran konnte man erkennen, dass der Zorn Gottes vorüber ist? "Noch ist die Zeit nicht gekommen, das Haus des HERRN aufzubauen," mit diesen Worten wird das Volk am Anfang des Buches Haggai zitiert. Diese Aussage wird direkt durch eine Frage Gottes an das nach Jerusalem zurückgekehrte Volk konterkariert: "Ist etwa die Zeit gekommen, dass ihr in euren getäfelten Häusern wohnt, während dieses Haus [= der Tempel] in Trümmern liegt?" (Haggai 1,4). Für Haggai entschied sich im Willen zum Tempelbau das Verhältnis des Volkes zu Gott.  

Bereits 538 v.Chr. hatte der persische König Kyros II., zu dessen Reich Israel nach seinem Sieg gegen die Babylonier gehörte, dem Volk die Bauerlaubnis für einen neuen Tempel erteilt. Sein Sohn Kambyses II. eroberte Ägypten. Um die persische Vormachtstellung dort zu erhalten, bedurfte es einer stabilen syro-palästinensischen Landbrücke. Die großpolitischen Rahmenbedingungen für das scheinbar unbedeutende Jerusalem mit seinen vielleicht nur 1.000-1.500 Einwohnern waren günstig. In diesem geschichtlichen Kontext tritt Haggai am 29. August 520 v.Chr. erstmals als Prophet Gottes auf: "Geht ins Gebirge, schafft Holz herbei und baut den Tempel wieder auf! Das würde mir gefallen und mich ehren, spricht der HERR." (Haggai 1,8).

Gläubige an der Klagemauer in Jerusalem.
Bild: ©picture alliance / Bildagentur Huber

Gläubige beten an der Klagemauer in Jerusalem. Sie war Teil der westlichen Umfassungsmauer des Herodianischen Tempels, der eine Erweiterung des Zweiten Tempels war.

Viermal wird im Buch Haggai erzählt, dass der Prophet ein Gotteswort verkündet. Jedes seiner Worte ist genau datiert. Über ihn selbst erfährt der Leser aber kaum etwas. Das Buch besitzt nicht einmal eine Überschrift. Über Haggais familiäre oder örtliche Herkunft erfährt man nichts. In den Listen mit den Namen derer, die aus dem Exil zurückgeht waren (siehe Esra 2 und 8; Nehemia 7) wird er nicht genannt. Vielleicht gehörte er zu dem Teil der Landbevölkerung, der nicht ins Exil geführt wurde.

Haggai wirkte insgesamt nur vier Monate, aber nach der biblischen Darstellung ist es ihm zu verdanken, dass der Grundstein für den Zweiten Tempel gelegt wurde (siehe Haggai 2,18). Im ersten Teil seines Buches setzt er sich mit den Widerständen gegen den Tempelbau auseinander. Die folgende Grundsteinlegung wird dann im zweiten Teil des Buches in heilsgeschichtlicher Perspektive ausgedeutet.

"Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die frühere."

Am 29. August 520 v.Chr. tritt Haggai während einer Dürre das erste Mal auf und erklärt sie durch ein Gotteswort als strafendes Handeln Gottes. Der Gott, der sein Volk ins Exil geschickt hatte, bestraft es nun, weil es seinen Tempel nach der Rückkehr noch nicht wiederaufgebaut hat. Die Folge seiner Worte ist der direkte Beginn der Bauarbeiten und Haggai kann dem Volk verkünden: "Ich bin bei euch – Spruch des HERRN." (Haggai 1,13).

Am 17. Oktober 520 v. Chr. ermutigt Haggai das Volk den Tempelbau trotz der finanziellen Herausforderung fortzusetzen, indem er durch ein Gotteswort die schmerzliche Erinnerung an den Tempel Salomos wachhält und große, von den Völkern kommende Reichtümer für den Bau des neuen Tempels verheißt: "Die künftige Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die frühere, spricht der Herr der Heerscharen." (Haggai 2,9).

Linktipp: Ein Berg, drei Religionen

Der Tempelberg ist für Juden, Christen und Muslime eine heilige Stätte, die immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen ist. Welche Bedeutung der Berg hat, erklärt der Alttestamentler Oliver Dyma.

Am 18. Dezember 520 v. Chr. wurde der Grundstein des neuen Tempels gelegt und durch Haggai lässt Gott an diesem Tag verkünden: "Von heute an spende ich Segen." (Haggai 2,19). Diese Verheißung ist verbunden mit einer Diskussion, die der Prophet mit den Priestern führen soll: Woran entscheidet sich, ob das Volk kultisch rein oder unrein ist? Gottes Antwort auf diese Frage ist eindeutig: Ohne den Tempelneubau ist das Volk keine von Gott anerkannte Kultgemeinde. Nur der Tempelbau ermöglich die Beziehung zu Gott und dies bedeutet Segen.

Die Vollendung und Einweihung des Tempels werden im Buch nicht mehr thematisiert. Das letzte verkündete Gotteswort, das ebenfalls auf den 18. Dezember 520 v. Chr. und somit fünf Jahre vor der Fertigstellung und Einweihung des Tempels datiert ist, richtet sich an den von den Persern eingesetzten Statthalter Serubbabel, der bereits am Anfang des Buches neben dem Hohenpriester Jehoschua und dem Volk direkt angesprochen wird. Er trägt einen babylonischen Namen, der ihn als "Spross Babels" ausweist, aber er ist der Enkel des 597 v.Chr. nach Babylon deportierten letzten König aus der Dynastie Davids (siehe 1 Chronik 3,17). Wie David selbst wird auch er von Gott mit dem Ehrentitel "mein Knecht" angesprochen und ihm wird im Zusammenhang mit der Grundsteinlegung für den Tempelbau die Königswürde zugesprochen.

Haggai prägte das gesamte nachexilische Judentum

Im Buch Jeremia wird dem Sohn des letzten davidischen Königs jedweder Anspruch auf das Königtum von Gott selbst verwehrt: "So wahr ich lebe - Spruch des HERRN - , selbst wenn Konjahu, der Sohn Jojakims und König von Juda, ein Siegelring an meiner rechten Hand wäre, ich risse dich von dort weg." (Jeremia 22,24). Nun, im Buch Haggai, wird eben dieses Bild aufgenommen, um die erneute Einsetzung der Dynastie Davids in das Königsamt zu verheißen: "An jenem Tag [= wenn Gott seine Macht erweisen wird] – Spruch des HERRN der Heerscharren – nehme ich dich, mein Knecht Serubbabel, Sohn Schealtiëls – Spruch des HERRN – und mache dich zu meinem Siegelring; denn ich habe dich erwählt - Spruch des HERRN der Heerscharen." (Haggai 2,23). Mit dieser Verheißung, die sich nie verwirklicht hat, endet das Buch Haggai.

Doch auch, wenn die das Buch beschließende Verheißung sich nicht verwirklichte, war Haggai doch einer der erfolgreichsten Propheten des Alten Testaments: Durch die Aufforderung zum Tempelbau prägte er das gesamte nachexilische Judentum. Er ist der Prophet des Neuanfangs, den er in seinem damaligen geschichtlichen Kontext im Tempel als Wohnstätte Gottes sieht, an der aller Segen für das Volk grundgelegt ist. Er ruft dazu auf, dass der Ort, der für die Anwesenheit Gottes auf Erden steht, nicht in Ruinen brachliegen darf, sondern mit Leben gefüllt werden muss.

Von Till Magnus Steiner