Pius XII.: Erst Historiker ranlassen, dann (eventuell) seligsprechen
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Das Verhalten von Papst Pius XII. während des Holocausts gehört sicher zu den umstrittensten Themen der jüngeren Kirchengeschichte. Hätte Pius XII. lauter gegen den Mord an den europäischen Juden protestieren müssen? Oder hat er mit diplomatisch vorsichtiger Zurückhaltung Schlimmeres verhindert? Die Ankündigung des Vatikans, die Archive mit den Dokumenten des von 1939 bis 1958 dauernden Pontifikates in einem Jahr für Forscher zu öffnen, ist ein wichtiger Schritt, um die Debatte zu versachlichen. Er erfolgt acht Jahre früher als sonst üblich. Und ursprünglich wollte der Vatikan noch schneller sein. Leider zog sich wegen der Menge des Materials die notwendige Katalogisierung so lange hin.
Dennoch – nur so kann es gehen: Unabhängige Forscher bekommen Zugang zu den historischen Quellen, um sich selbst ein Bild machen zu können. Nicht nur im Fall Pius XII. gilt, dass die Kirche keine Angst vor dem Urteil externer Fachleute haben darf, sondern sich solchen Diskussionen stellen muss. Die Archive zu öffnen, ist richtig. Genauso richtig wäre es auch, den Seligsprechungsprozess für Pius XII. auszusetzen, bis sich Historiker ihre Urteile gebildet haben. Nicht, um ihnen das letzte Wort zu überlassen, sondern um ein umfassenderes Bild zu bekommen und kritische Stimmen einzubeziehen.
Gleichzeitig darf man sich aber keine falschen Hoffnungen machen: Der Blick in die Dokumente wird helfen, ein differenziertes Bild des Pontifikates zu zeichnen. Solche Bilder sind aber selten schwarz oder weiß, sondern bestehen aus vielen Grautönen. Ob Papst Pius XII. nun versagt hat, ob er einfach zu ängstlich oder doch ein Held war, wird wahrscheinlich weiterhin eine Frage der persönlichen Interpretation bleiben.