Kardinal würdigt Religionsphilosophen als Vordenker Europas

Marx: Guardini hatte "prophetische Gabe"

Veröffentlicht am 17.08.2019 um 11:13 Uhr – Lesedauer: 
Marx: Guardini hatte "prophetische Gabe"
Bild: © KNA

Isola Vicentina ‐ Ein Blick auf den Zustand der Europäischen Union zeige, wie bedrückend aktuell Guardinis Aussagen immer noch seien. Das sagte Kardinal Reinhard Marx jetzt bei einem Vortrag an einem besonderen Ort.

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Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat den Religionsphilosophen Romano Guardini (1885-1968) als Vordenker für Europa gewürdigt. Der Erzbischof von München und Freising, der für das Seligsprechungsverfahren des Theologen verantwortlich ist, hielt am Samstag einen Vortrag im norditalienischen Isola Vicentina, dem Wohnsitz der Familie Guardinis.

Würde des Menschen verteidigen

Für Guardini sei Europa dazu prädestiniert, "den ungebremsten Fortschrittsgedanken bezüglich der naturwissenschaftlichen und dann auch ökonomischen Entwicklung zwar prinzipiell zustimmend, jedoch begrenzend und kritisch zu begleiten", sagte Marx. Ebenso habe der Gelehrte betont, es sei ureigene Aufgabe Europas, die Würde des Menschen als Individuum und Geschöpf Gottes zu verteidigen. "Wo sind die Gruppen, Institutionen und Akteure, die nicht restaurativ und nostalgisch zurückschauen, sondern im Sinne Guardinis eine Renaissance Europas denken und wagen? Wir Christen wollen auf jeden Fall dabei sein!"

Guardini, der als Kleinkind mit seiner Familie von Italien nach Mainz übersiedelte, sorgte sich jedoch auch, dass die Differenzierung und Spannungsfülle Europas dem Kontinent zum Verhängnis werden könnte. "Man staunt über die prophetische Gabe Guardinis", kommentierte Marx. Ein Blick auf den Zustand der heutigen Europäischen Union zeige die bedrückende Aktualität seiner Aussagen. Es dominiere nicht ein gemeinsames Ziel, sondern die kleinen nationalen Interessen.

Guardini war Priester und Professor für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung, zunächst in Berlin, später in Tübingen, von 1948 bis 1962 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort wirkte er auch als Universitätsprediger in Sankt Ludwig. Der Theologe erreichte in Kirche und Hörsaal eine breite Zuhörerschaft. Er gilt als ein Wegbereiter der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Ende 2017 eröffnete Marx in München die Seligsprechungsverfahren für Guardini und den von den Nationalsozialisten 1934 ermordeten Publizisten Fritz Gerlich. (KNA)

Linktipp: Romano Guardini: Schriftsteller, Vordenker, Schmerzensmann

Romano Guardini gilt als einer der größten katholischen Denker des 20. Jahrhunderts. Er beeinflusste so unterschiedliche Päpste wie Benedikt XVI. und Franziskus. Heute jährt sich sein Todestag zum 50. Mal.