Volker Resing über Replik des emeritierten Papstes

Herder-Chefredakteur: Benedikt übersieht bei 68ern Wirken Gottes

Veröffentlicht am 28.08.2019 um 12:40 Uhr – Lesedauer: 3 MINUTEN
Benedikt XVI. unterzeichnet die Enzyklika "Spe salvi"
Bild: © KNA

Bonn ‐ Wie Benedikt XVI. auf die 1968er-Bewegung schaue, zeuge von einem ausgeprägten Kulturpessimismus, findet "Herder Korrespondenz"-Chefredakteur Volker Resing. Von einem emeritierten Papst hätte sich der Journalist mehr Gottvertrauen gewünscht.

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Der Chefredakteur der "Herder Korrespondenz", Volker Resing, wirft Benedikt XVI. mit Blick auf die 1968er-Bewegung und deren Folgen "reinen Kulturpessimismus" vor. In einem Aufsatz, den der emeritierte Papst im April veröffentlicht hatte, beschreibe Benedikt in "anekdotischer Form" den Niedergang der Gesellschaft seit dieser Zeit, sagte Resing am Dienstag dem Kölner Bistumssender "Domradio". Dabei übersehe Benedikt jedoch "dass es auch das Wirken Gottes ist, wenn es zum Beispiel zu einer Emanzipationsbewegung der Frau kommt". Angesichts dieses negativen Gesellschaftsbilds frage man sich, wo in der Betrachtung Benedikts "die Hoffnung eines Christenmenschen bleibt. Wo ist da die Liebe zu den Menschen, die Gott uns schenkt?" Das "wahre katholische Leiden" von 1968 sei nicht durch die "Auswüchse einer Jugendbewegung" entstanden, sondern durch die Enzyklika "Humanae vitae", die den Katholiken künstliche Empfängnisverhütung verbot, so Resing.

Benedikt XVI.: "Allgemeines Defizit in der Rezeption meines Textes"

Benedikt XVI. hatte in seinem Aufsatz die 1968er-Bewegung indirekt verantwortlich gemacht für den sexuellen Missbrauch in der Kirche. In ihrer Folge habe sich die Gottlosigkeit in der Gesellschaft und die Entfremdung vom Glauben auch in einer Abkehr von der katholischen Sexualmoral breitgemacht. Für seinen Text war der 92-Jährige von Missbrauchsopfern und Wissenschaftlern scharf kritisiert worden. So nannte der Freiburger Fundamentaltheologe Magnus Striet die Analyse in einem Gastbeitrag für katholisch.de "teilweise absurd". Auch die Historikerin Birgit Aschmann wies die Analyse des emeritierten Papstes zurück. Von einer breitflächigen "Normenlosigkeit", wie sie Benedikt auch fünfzig Jahre nach "1968" sieht, könne keine Rede sein, schriebt sie in der "Herder Korrespondenz".

Diesen Kritikern warf Benedikt XVI. daraufhin in einer Repblik in der September-Ausgabe der Herder-Korrespondenz ein "allgemeines Defizit in der Rezeption meines Textes" vor. Die Frage nach Gott in der Gesellschaft, die der Kern seines Aufsatzes gewesen sei, komme in den Stellungnahmen so gut wie nicht vor. Dazu sagte "Herder Korrespondenz"-Chefredakteur Resing jetzt, den Vorwurf, nicht ausreichend auf seine Kritiker einzugehen, könne man anders herum auch Benedikt XVI. machen. Auch er setze sich in Bezug auf das "Thema 1968er und Sexualmoral mit den Kritikern nicht auseinander". (gho)

Linktipp: Benedikt XVI.: Klima der 68er mitverantwortlich für Missbrauchsskandal

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. bricht sein Schweigen und veröffentlicht erstmals einen Aufsatz zur aktuellen Kirchen- und Missbrauchskrise. Als zentrale Ursache nennt er die Entfremdung vom Glauben, die sich seit den 1960er Jahren auch in einer Abkehr von der katholischen Sexualmoral breitgemacht habe.