Gödde: Ich habe mich in Jerusalem und seine Energie verliebt
Viele kennen Stefan Gödde als Moderator des TV-Wissensmagazins "Galileo", wissen aber nichts von seiner Begeisterung für Jerusalem. In einem Reiseführer stellt er seine persönlichen Highlights der Heiligen Stadt vor. Gödde ist überzeugt: Jerusalem kann jeden faszinieren. Und immer wieder findet er dort selbst Impulse für seinen Glauben.
Frage: Herr Gödde, als TV-Journalist reisen Sie viel und haben schon alle Welt gesehen. Jetzt haben Sie ein Buch über Jerusalem geschrieben. Was bedeutet Ihnen diese Stadt?
Gödde: Ich glaube in keiner anderen Stadt kann man gleichzeitig so viel Weltgeschichte, Spiritualität und Religion spüren wie in Jerusalem. Jeder der schon mal dort war, wird mir vermutlich Recht geben, dass in dieser Stadt eine ganz besondere Energie in der Luft liegt. Besonders deutlich wird das, wenn man zum Beispiel auf der Dachterrasse des Österreichischen Hospizes steht. Dann sieht man den Felsendom, die Grabeskirche und erahnt die Klagemauer, also drei Heiligtümer von Islam, Christenheit und Judentum. Wenn dann die Sonne untergeht und gleichzeitig die Muezzins anfangen zu rufen, ist das eine atemberaubende Stimmung. Da kann man gar nicht anders als fasziniert zu sein – selbst wenn man kein spiritueller Mensch ist.
Frage: Wie hat Ihre Begeisterung für Jerusalem und Israel begonnen?
Gödde: Angefangen hat mein Interesse für Israel damit, dass ich als junger Mann in den USA in einem jüdischen Ferienlager Kinderbetreuer war. Dort habe ich viele Freunde gefunden, die ich später auch in Israel besucht habe. Bei diesen Reisen habe ich dann auch Jerusalem entdeckt und mich einfach in diese Stadt und ihre Energie verliebt. Seitdem bin ich schon sehr viel Male in die Heilige Stadt gereist.
Frage: Wie sind Sie dann dazu gekommen, das Buch "Nice to meet you, Jerusalem" zu schreiben?
Gödde: Weil ich so häufig in Jerusalem war, haben mich irgendwann Freunde um Tipps gebeten. Dann dachte ich mir: Wenn ich die ganzen Tipps sowieso schon habe, dann kann ich daraus auch ein Buch machen. Ich glaube nämlich, je mehr Menschen dort hinfahren, desto besser ist es auch für die Verständigung – gerade zwischen Deutschland und Israel.
Frage: Was wollten Sie mit dem Buch erreichen?
Gödde: Ich habe gemerkt, dass viele Menschen, die selbst in Jerusalem waren, an spannenden Orten einfach vorbeigegangen sind, weil sie von ihnen nichts wussten. Und ich möchte allen die Augenblicke gönnen, die ich in Jerusalem erleben durfte. Das ist auch machbar – man muss nur wissen, wo man anklopfen und wen man fragen muss.
Frage: Welcher Ort in Jerusalem hat Sie am meisten beeindruckt?
Gödde: Da muss ich nicht lange überlegen: Das ist die Grabeskirche. Ich bin beruflich schon viel gereist und habe in meinem Leben Reportagen auf der ganzen Welt gedreht. Überall gibt es Kirchen und man sieht das Kreuz als Symbol des Christentums. Das was in Jerusalem passiert ist, hat die Welt verändert – nicht nur den Glauben, sondern auch die Gesellschaft, die Kunst und die Kultur. An dem Ort zu stehen, wo Jesus gekreuzigt, gestorben und begraben sein soll, das ist einfach unbeschreiblich. Wenn ich in der Grabeskirche bin, habe ich immer das Gefühl, mein Gehirn ist einfach viel zu klein, um das zu verarbeiten. Es ist unmöglich, das alles richtig zu begreifen und zu durchdringen. Tagsüber ist das Treiben in der Grabeskirche mit den vielen Touristen und ihren Selfie-Sticks allerdings viel zu laut. Ich finde, das entweiht den Ort sogar ein bisschen.
Frage: Für Ihr Buch haben Sie sich deshalb nachts in die Grabeskirche einschließen lassen. Was haben Sie dort erlebt?
Gödde: In der Nacht wird die wahre Würde dieses Ortes spürbar. Dann hat man Zeit, alles auf sich wirken zu lassen, ohne direkt weggedrängt zu werden. Nachts finden auch die Liturgien und Feiern der unterschiedlichen christlichen Konfessionen in der Kirche statt. Das ist ein unfassbar schönes und unvergessliches Erlebnis, wenn man an diesen Ritualen teilhaben kann, die seit Jahrhunderten in der gleichen Art und Weise stattfinden. Und jeder von uns kann dabei sein – pro Nacht erlauben die Franziskaner 15 Menschen, in der Grabeskirche zu bleiben.
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Frage: Solche Tipps findet man viele in Ihrem Buch. Es ist kein Erlebnisbericht, sondern eher ein persönlicher Reiseführer. Warum war Ihnen das wichtig?
Gödde: Klassische Reiseführer, die alles im Detail beschreiben, gibt es viele. Mich spricht es aber am meisten an, wenn mir jemand seine persönlichen Lieblingsorte zeigt. Ich wollte, dass meine Tipps nachreisbar sind. Man kann die Menschen treffen, mit denen ich gesprochen habe und ihre Geschichten hören. Es ist mir besonders wichtig, dass man nicht nur die Sehenswürdigkeiten kennenlernt, sondern auch das Herz der Stadt: die Menschen mit ihren Geschichten.
Frage: Wie sind Sie auf diese Menschen und Geschichten gestoßen? Sind das Geheimtipps von Ihnen?
Gödde: Es sind nicht nur Geheimtipps, manche Dinge sind auch in der Weltpresse bekannt. Aber wenn ich Menschen in Deutschland davon erzähle, haben sie oft große Augen, weil das ganz besondere Geschichten sind, zum Beispiel die von Wassim Razzouk. Seit dem Jahr 1300, also schon in der mittlerweile 27. Generation, sticht seine Familie Pilgern im Heiligen Land Tattoos. Dafür benutzen sie einen 500 Jahre alten Stempel aus Olivenholz, um die Vorlage auf die Haut zu bringen. Ich habe mir auch ein Jerusalem-Kreuz bei ihm stechen lassen, weil ich mich in diese Tradition einreihen wollte. Ich frage mich immer: Wie viele Tausend Menschen haben sich wohl schon vor mir exakt dieses Tattoo stechen lassen? So etwas gibt es an keinem anderen Ort der Welt. Deshalb ist Jerusalem so speziell.
Frage: Waren die Begegnungen mit den Menschen in Jerusalem also immer geplant?
Gödde: Nein, nicht immer. Rabbi Josh Weisberg zum Beispiel habe ich ganz zufällig getroffen und konnte mit ihm und seiner Familie ein Sabbat-Dinner verbringen. Ein hochspannender Mann: Er ist ein modern-orthodoxer Jude mit einer deutschen katholischen Mutter. Das emotionalste Highlight dabei war, dass der Rabbi und seine Frau ihre Kinder nacheinander gesegnet haben. Seine Mutter muss vor Rührung immer weinen, wenn sie sieht, wie er und seine Frau die Kinder segnen.
Frage: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie sich erst in Jerusalem richtig Gedanken über Ihren Glauben gemacht haben. Warum war das so?
Gödde: Ich bin in Paderborn geboren und im Sauerland aufgewachsen – immer in einem katholischen Umfeld. Auch meine Großmutter war höchstkatholisch. Da macht man sich erstmal keine großen Gedanken über andere Religionen und Konfessionen – obwohl man sie natürlich kennt. Dass ich katholisch bin und der Katholizismus sich von anderen Religionen und Konfessionen unterscheidet, aber auch die gleichen Wurzeln hat, wurde mir in Jerusalem viel bewusster, weil es dort einfach sichtbar wird. Insofern hat Jerusalem mich spirituell wachsen lassen.
Frage: Was meinen Sie damit?
Gödde: Im Heiligen Land an die Orte zu gehen, die in der Bibel beschrieben werden, zu sehen wo, Jesus gestanden hat und sich auf seine Spuren zu begeben – ich glaube, das kann einen wichtigen Impuls geben, die Bibelerzählungen anders zu empfinden und einzuordnen. Ich glaube, dass das für das eigene Glaubensleben wahnsinnig förderlich ist. Deswegen kann ich jedem nur empfehlen und raten, ins Heilige Land zu reisen.
Frage: Und welche Rolle spielt denn der Glaube heute in Ihrem Leben?
Gödde: Ich bin klassisch katholisch sozialisiert worden, war Messdiener und Pfadfinder. Für mich gehörte das früher ganz einfach dazu. Wie bei vielen anderen Menschen wahrscheinlich auch gab es zwischendurch in meinem Leben eine Phase, in der sich nicht mehr alles um den Glauben gedreht hat. Je älter ich werde, desto mehr ändert sich das wieder.
Frage: Wie denn ganz konkret?
Gödde: Wir alle merken doch, dass das Leben nicht unendlich ist und mir war dann einfach klar, dass es mehr gibt. Deswegen sind mir Glaube und Gebet wieder sehr wichtig geworden. Ich versuche daher, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und mich bewegt die Frage, wie es nach dem Tod weitergeht. Jerusalem gibt mir dazu immer wieder wichtige Impulse.