Zulehner: Geändertes Vaterunser in Italien "gefällt mir"
Der Wiener Theologe Paul Zulehner begrüßt die in Italien eingeführte Änderung des Vaterunser-Gebets. Die Bitte "führe uns nicht in Versuchung" lautet dort künftig in der offiziellen Fassung "überlasse uns nicht der Versuchung". Wenn man das Neue Testament ernst nehme, könne man "absolut sicher sein: Gott liebt den Menschen und möchte nicht, dass er untergeht", sagte Zulehner der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag): "Also gefällt mir 'Überlasse uns nicht der Versuchung' ganz gut."
Würde man nicht "ab und an" etwas verändern, "so wäre im Ave Maria auch immer noch von 'Weibern' die Rede, und im Credo würde es heißen: 'Hinabgestiegen in die Hölle' statt 'in das Reich des Todes'. Sprache entwickelt sich doch", betonte Zulehner.
Der Theologe und Erzbischof Bruno Forte hatte die Änderung in Italien bei "Vatican News" damit begründet, die neue Übersetzung sei näher am Sinn des griechischen Originals. Ein entsprechend geändertes italienisches Messbuch soll nach Ostern erscheinen. Mit Beginn des neuen Kirchenjahrs am ersten Advent (29. November) tritt die Neuerung in Kraft.
Forte sagte, den Gläubigen sollte die Umstellung keine großen Probleme bereiten. Die veränderte Übersetzung solle helfen, das Vaterunser "bewusster zu beten und näher an dem, was die Intention Jesu war", so der Erzbischof von Chieti-Vasto, der mehrere Jahre Mitglied der Internationalen Theologenkommission im Vatikan war.
Die Probleme aus der alten Übersetzung "in Versuchung führen" erklärte Forte mit einer Bedeutungsverschiebung. Dass Gott "uns irgendwie eine Falle stellt", sei "eine absolut nicht hinnehmbare Vorstellung", so der Dogmatiker.
Freude, "ein sprachliches Ritual ganz frei mit Leben zu füllen"
Zulehner sagte der "Süddeutschen Zeitung" auf die Frage, wie er selbst bete: "Mal so, mal so. Es macht mir Freude, ein sprachliches Ritual ganz frei mit Leben zu füllen. Die Frage also, ob man im Vaterunser etwas verändern darf, ist für mich ziemlich zweitrangig. Oft sind unsere Gebete nicht ein Teil der lebendigen Beziehung zu Gott, sondern Worte, die irgendwie an der Wäscheleine hängen." Es bete das Herz, nicht der Mund allein.
2017 hatten die katholischen Bischöfe in Frankreich die bisherige Formulierung im Französischen "Unterwirf uns nicht der Versuchung" geändert in "Lass uns nicht in Versuchung geraten". Auch Papst Franziskus hatte zuvor in einem Fernsehinterview gesagt, "führe uns nicht in Versuchung" sei keine gute Übersetzung. Es sei nicht Gott, der den Menschen in Versuchung stürze, um zu sehen, wie er falle. "Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan", so der Papst.
Die Deutsche Bischofskonferenz wandte sich 2018 gegen eine Änderung, plädierte aber dafür, intensiver über das Gebet und seine tiefere Bedeutung zu diskutieren. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bezeichnete es als "sehr gut, dass wir über eine zentrale Frage unseres christlichen Betens so ernsthaft reden". (KNA)