"Wegweisend" bis "Riesenenttäuschung": Reaktionen zum Papstschreiben
Das nachsynodale Schreiben "Querida Amazonia" von Papst Franziskus sorgt für differenzierte Interpretationen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn wertete das Papstschreiben als eine Ermutigung für die Kirche. Es sei ein "grundsätzliches Ja des Papstes zu den Ergebnissen der Amazonas-Synode, ohne gleich diese Ergebnisse in konkrete Maßnahmen umzusetzen", so Schönborn. Diese Beschlüsse könnten weiter reifen; geöffnete Türen seien nicht wieder geschlossen worden.
Auch nach den Worten von Kardinal Michael Czerny ist das Papstschreiben nicht als Schlusspunkt zu verstehen. Mit Blick etwa auf eine Lockerung des priesterlichen Zölibats in besonders entlegenen Gebieten seien Fragen offengeblieben, sagte der Synoden-Sondersekretär bei der Vorstellung des Dokuments. "Darüber wird weiter debattiert werden." Synoden-Generalsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri wies darauf hin, dass die Amazonas-Synode ein langer Prozess sei: "Vieles ist noch im Gange. Es muss weiter diskutiert werden." Der Papst habe die Vorschläge der Synode weder verworfen noch ihnen ausdrücklich zugestimmt.
Das 51 Seiten umfassende nachsynodale Schreiben "Querida Amazonia" (Geliebtes Amazonien) war am Mittwoch veröffentlicht worden. Es hat den Rang eines lehramtlichen Papst-Dokuments und ist das Ergebnis der Amazonas-Synode, die vom 6. bis 27. Oktober im Vatikan tagte. Papst Franziskus lehnt darin Weiheämter für Frauen, etwa als Diakoninnen, ab. Auch befürwortet er keine Lockerung der verpflichtenden Ehelosigkeit für katholische Priester, obgleich bei der Amazonas-Synode mehrheitlich dafür votiert worden war. Allerdings erteilt der Papst diesen Ideen in seinem Schreiben auch keine definitive Absage. In ersten Reaktionen aus Deutschland überwog bei Befürwortern von Kirchenreformen die Enttäuschung.
Fürst: Frauendiakonat weiter "erstrebenswerte Möglichkeit"
Nach Einschätzung des Rottenburg-Stuttgarter Bischofs Gebhard Fürst wird das Schreiben "eine große Wirkung auf den Erhalt der Natur und die Rechte der indigenen Völker in Amazonien" haben. Den dramatischen Konsequenzen des Klimawandels zu begegnen, sei die zentrale Herausforderung der Zeit. Darüber hinaus werde der Raum für neue Diskussionen eröffnet. Den Diakonat der Frau sieht Fürst nach eigenen Worten weiter als "erstrebenswerte Möglichkeit" an, für die er sich auch in Zukunft einsetzen werde.
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger bezeichnete die Zulassung bewährter Laien zu Gemeindeleitern als "wichtigen Schritt". Er begrüßte zudem, dass sich der Papst gegen Ungerechtigkeit und Verbrechen wende, die Mensch und Natur in Amazonien noch immer zugefügt würden. Burger ist Beauftragter für das Hilfswerk Misereor in der Bischofskonferenz.
Der ernannte Augsburger Bischof Bertram Meier hält das Papstschreiben für "wegweisend". Mit dem Dokument bringe das Kirchenoberhaupt erneut seine Nähe zu den Ärmsten der Armen zum Ausdruck. Franziskus unterstreiche zudem die Bedeutung der Evangelisierung. "Ich bin schon gespannt, wie unser Austausch darüber in der Deutschen Bischofskonferenz ausfallen wird, ohne daraus vorschnelle Schlüsse oder gar Konsequenzen für die Kirche hier in Europa oder Deutschland zu ziehen", so Meier.
Von einer "Riesenenttäuschung" sprach unterdessen der Theologe Daniel Bogner. "Der Papst wiederholt lediglich die alte Lehre, nur ein männlicher Priester könne Christus repräsentieren. Frauen hingegen werden auf ihre bewundernswerte Hingabe und ihren leidenschaftlichen Glauben reduziert", sagte Bogner. Der in Brasilien lebende deutsche Theologe Paulo Suess zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Man habe erwartet, dass Franziskus die "schüchternen Versuche einer Öffnung in der Ämterfrage verstärken" würde. Stattdessen kippe seine Vision für die Kirche in Amazonien "stellenweise um in einen Albtraum", so Suess.
Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück lobt und kritisiert das Amazonas-Schreiben. Der Papst gebe "der Not einer ökologisch bedrängten, wirtschaftlich ausgebeuteten, sozial missachteten Bevölkerung seine Stimme", sagte Tück. Zugleich enthalte das Dokument aber auch Enttäuschungen. Der Papst habe "entschieden, nicht zu entscheiden". Tück wörtlich: "keine Lockerung des Pflichtzölibats, keine viri probati, nichts". Franziskus lehne den Abschlussbericht der Synode in diesem Punkt nicht ab, er befürworte ihn aber auch nicht. "Franziskus hält damit Wort - und enttäuscht", so Tück.
Die Frauenbewegung "Maria 2.0" warf der katholischen Kirche vor, reformunfähig zu sein. Wer auf ein Symbol des Aufbruchs und der Erneuerung gehofft habe, "muss dieser Kirche wohl enttäuscht den Rücken kehren", schrieb die Protestinitiative katholischer Frauen auf ihrer Facebook-Seite. Die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) erklärte, das Dokument sei "Ermutigung und Ernüchterung zugleich". Die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern müsse beim Synodalen Weg weiter diskutiert werden, sagte KLJB-Bundesseelsorgerin Carola Lutz. Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) bezeichnete das Schreiben als ein in weiten Teilen starkes Dokument. Gleichzeitig äußerte der Verband Unverständnis zu Aussagen über Frauen in der Kirche. "Die diesbezüglichen Aussagen des Papstes sind ausgesprochen paternalistisch und enttäuschend", erklärte KDFB-Präsidentin Maria Flachsbarth.
Zulehner: Aussagen zu Frauenordination "peinlich"
Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner sieht das Papstschreiben zwischen "herber Frustration und zarter Zuversicht". Die Absicht sei offenbar nicht, Türen zuzumachen, sondern zu weiten und vor allem die Ortskirchen in ihren vielfältigen Kulturen an ihre eigene Verantwortung zu erinnern, schrieb Zulehner auf seinem Internet-Blog. Kritik äußerte er daran, wie Franziskus in seinem Schreiben die Frauenfrage anspricht. "Fast ist es ein wenig peinlich, dass der Papst, wenn er angestrengt nach symbolgeladenen Argumenten gegen die Ordination von Frauen anschreibt, behauptet, die Ordination würde die Frauen 'klerikalisieren'", schreibt der Pastoraltheologe.
Der katholische Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller bewertete das Papstschreiben als "enttäuschend und unakzeptabel" bezüglich der Rolle der Frau in der Kirche. Da Frauen der Zugang zu den Weiheämtern verweigert bleibe, sei es höchste Zeit, dass sie sich wehrten. Frauen sollten "mit der größten Selbstverständlichkeit an der Weihevollmacht partizipieren, von der Diakonin und der Priesterin bis hin zur Bischöfin und Päpstin", so Müller.
Der Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger brachte "Wut und Hoffnung" über das päpstliche Schreiben zum Ausdruck. Obwohl er sich klare Worte für verheiratete Priester und Diakoninnen gewünscht habe, zeigte sich Biesinger optimistisch, weil Franziskus das Abschlusspapier der Amazonas-Synode zu einem offiziellen Dokument gemacht habe. Dies hält Biesinger auch für eine klare Botschaft an den Synodalen Weg in Deutschland. (tmg/KNA)
13.2., 14:15 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme Tücks.