Opfer-Initiative "Eckiger Tisch" sieht Mutlosigkeit und Versagen

Missbrauch: Heftige Kritik an Schmerzensgeld-Beschluss der Bischöfe

Veröffentlicht am 05.03.2020 um 15:53 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die von der Bischofskonferenz angekündigte Weiterentwicklung der Anerkennungszahlungen für Missbrauchsopfer sei mutlos und bedeute ein Versagen der Bischöfe: Die Opfer-Initiative "Eckiger Tisch" reagiert mit heftigem Protest – und einer Kampfansage.

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Heftige Kritik am neuen Modell der deutschen Bischöfe zur Wiedergutmachung bei sexuellem Missbrauch übt die Opfer-Initiative "Eckiger Tisch". "Die Kirche in Deutschland ist nicht bereit, für ihre Verbrechen die Verantwortung zu übernehmen und ihren Opfern eine Entschädigung anzubieten. Sie will lediglich Anerkennungsleistungen zahlen und orientiert sich dabei an den Tätern, die missbrauchten", erklärte die Initiative am Donnerstag in Berlin. Die jetzt angekündigte Weiterentwicklung des Systems der Anerkennungszahlungen sei mutlos und bedeute ein Versagen der Bischöfe.

Die Initiative hielt der Kirche vor, es werde nur getan, wozu man durch die Opfer und ihre Verbündeten in der Öffentlichkeit gezwungen werde. "Dabei hätte es die Möglichkeit gegeben, zum ersten Mal das Minimum des rechtlich Gebotenen zu überbieten." Die Schmerzensgelder, die in Deutschland gerichtlich durchgesetzt werden könnten, seien "oft erbärmlich gering", betonte die Initiative. Auf dieses Minimum des gerichtlich Durchsetzbaren wolle sich die Kirche beschränken.

"Weiter für eine tatsächliche Entschädigung kämpfen"

"Wir werden uns jetzt schütteln und neu aufstellen müssen. Wir werden weiter für eine tatsächliche Entschädigung kämpfen", kündigte die Initiative an. "Und wir werden nicht mehr so leicht auf die Worte hereinfallen, die Einsicht und Empathie signalisieren sollen und letztlich doch nur hartherzig am Gelde kleben."

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, zeigte sich dagegen erleichtert, dass die Bischöfe endlich einen konkreten Vorschlag gemacht hätten. Das Modell gehe in die richtige Richtung, "wird für viele Betroffene aber enttäuschend sein." Rörig betonte, es komme jetzt auf die Umsetzung an, etwa wer entscheide. "Dass dies durch ein unabhängiges Gremium auf der Grundlage einer Plausibilitätsprüfung erfolgen soll, ist positiv", so Rörig. "Ich kann nur hoffen, dass sich hier eine großzügige Spruchpraxis entwickelt, die das individuelle Leid der Betroffenen angemessen abbildet und es wirklich keine Deckelung nach oben gibt", fügte der Missbrauchsbeauftragte hinzu.

Die deutschen Bischöfe hatten bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Mainz ein neues Verfahren für die Anerkennungszahlungen an Missbrauchsopfer beschlossen. Die Höhe der gezahlten Summe werde sich in Zukunft an den von staatlichen Gerichten beschlossenen Schmerzensgeldern in vergleichbaren Fällen orientieren, heißt es im Pressebericht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing. Dabei beziehe man sich auf den oberen Bereich der zuerkannten Zahlungen, erläutert das dem Bericht angehängte Papier mit Grundsätzen für die Weiterentwicklung des bisherigen Systems der Anerkennung des erlittenen Leids. Laut der geltenden zivilrechtlichen Schmerzensgeld-Tabelle und entsprechenden Gerichtsurteilen werden derzeit Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall gezahlt. Man werde bei Härtefällen auch über diese Zahlungen hinausgehen, sagte Bischof Stephan Ackermann. (tmg/KNA)

5.3., 18 Uhr: Ergänzt um Statement von Rörig. /cph