Viele Geistliche verhielten sich "eher wie Tagelöhner denn wie Hirten"

Papstsekretär: Priester müssen "an der Front" der Corona-Epidemie sein

Veröffentlicht am 17.03.2020 um 13:55 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ In vielen Ländern weltweit ist das kirchliche Leben zum Erliegen gekommen, um eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Der Privatsekretär des Papstes hat nun jedoch Priester kritisiert, die keinen Kontakt mehr zu den Gläubigen halten.

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Der Privatsekretär von Papst Franziskus, Yoannis Lahzi Gaid, hat Priester dazu aufgerufen, den Gläubigen trotz der Corona-Epidemie nahe zu sein. Viele Geistliche würden sich "eher wie Tagelöhner denn wie Hirten verhalten", schrieb der ägyptische Priester am Wochenende in einer Nachricht, berichtete die englischsprachige Internetseite "Crux". Gaid befürchte, dass viele Menschen die Kirche verlassen werden, "wenn dieser Alptraum vorüber ist, denn die Kirche hat sie verlassen, als sie in Not waren". Er hoffe, dass es in Zukunft nicht heißen werde: "Ich will nicht zu einer Kirche gehen, die nicht zu mir gekommen ist."

Die Nachricht schickte Gaid demnach über den Messenger-Dienst "WhatsApp" zunächst an befreundete Priester. Diese hielten wohl Papst Franziskus für den Autor der Zeilen und verbreiteten die Botschaft weiter. Gaid bestätigte Medienberichten zufolge jedoch, dass die Nachricht nicht vom Pontifex, sondern von ihm selbst stamme und nicht mit Franziskus abgesprochen war. Der Papst hatte sich jedoch ähnlich geäußert und Priester aufgefordert, auch infizierten Gläubigen oder Menschen in Quarantäne nahe zu sein.

Gaid stellte in seiner Botschaft klar, dass es ihm nicht darum gehe, über andere Priester "zu richten". Er denke lediglich an "alle Seelen, die ängstlich sind und allein gelassen wurden, weil wir Hirten zivilen Anweisungen gefolgt sind". Dieses Vorgehen sei im Moment zwar "richtig und notwendig, um eine Ansteckung zu verhindern". Doch diesen Regeln Folge zu leisten, bedeute für einen Priester das Risiko, "die göttlichen Anweisungen beiseite zu schieben, was eine Sünde ist".

Gaid: Priester nicht nur "Zuschauer"

Priester müssten ebenso wie Ärzte, das Pflegepersonal und freiwillige Helfer "an der Front" der Corona-Epidemie sein. Gaid rief die Geistlichen dazu auf, nicht als "Zuschauer" der Ausbreitung des Virus zuzusehen, sondern die Besuche bei den Gläubigen zu verstärken, wenn auch unter strengen hygienischen Auflagen. "Sonst werden Pasta und Pizza in die Häuser geliefert, aber nicht die Kommunion." Er befürchte, dass "Supermärkte, Zeitungskiosks und Tabak-Läden offen sein werden, aber nicht die Kirchen." Die Regierung habe die Pflicht, die Gesundheits- und materielle Versorgung der Menschen sicherzustellen, "aber wir haben die Pflicht, das gleiche für die Seelen zu tun".

Der katholische Kopte Gaid ist seit 2014 zweiter päpstlicher Privatsekretär und damit der erste Geistliche aus einer Ostkirche, der dieses Amt ausübt. Neben ihm wird in Kürze der uruguayische Priester Gonzalo Aemilius als erster Privatsekretär von Franziskus arbeiten. (rom)