Statt Gottesdienst: Wie eine Kerze im Fenster zur Gebetsaktion wurde
In großen Krisenzeiten sind es oft die kleinen Zeichen, die die Menschen verbinden und ermutigen. In einfachen Gesten suchen sie nach Gemeinschaft und Hoffnung. "Vielleicht ist es gerade das Simple, das gesucht wird", glaubt auch Christoph Wichmann, Pfarrer der St.-Pankratius-Gemeinde in Oberhausen. Genau so eine simple Aktion seiner Pfarrei hat sich jetzt überregional verbreitet und verbindet Menschen unterschiedlicher Religionen.
Nachdem auch in seiner katholischen Gemeinde alle Gottesdienste wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland abgesagt wurden, hat sich das Pastoralteam aus St. Pankratius auf die Suche nach neuen Angeboten gemacht, um die Menschen in der Pfarrei zu erreichen. "Wir haben natürlich die Bilder aus Italien gesehen, wo Menschen auf Balkonen Instrumente gespielt haben. Da haben wir uns überlegt: Wir müssen auch irgendetwas Gemeinschaftsstiftendes machen", sagt Wichmann. "Irgendetwas, das verbindet – gerade auch für die Menschen, die jetzt nicht mehr in die Kirchen kommen können, die keine Gottesdienste mehr mitfeiern können." Jeder sollte mitmachen können, am besten sogar ökumenisch.
Menschen aus allen Teilen Deutschlands melden sich
So entstand die Idee, täglich um 19 Uhr eine brennende Kerze in ein Fenster zu stellen und ein Vaterunser zu beten. Ursprünglich richtete sich die Aktion "Hoffnungslicht" zunächst an die Christen in der Pfarrei. Doch schon kurz nach der Veröffentlichung der Aktion auf der Internetseite der Gemeinde meldeten sich Menschen aus anderen Teilen Deutschlands, die ebenfalls Kerzen anzündeten und beteten. Ganze Altersheime beteiligten sich, auch aus Südafrika habe sich jemand gemeldet, berichtet Wichmann. Überregional berichten Medien über die Oberhausener Initiative, ständig bekommt der Pfarrer Bilder von brennenden Kerzen geschickt.
Dass eine so simple Initiative solche Wellen schlägt, hat Wichmann und sein Team total überrascht. "Aber wir sind dankbar, dass wir mit so einem kleinen Zeichen vielen Menschen Hoffnung schenken können." Auch Menschen aus anderen Religionen beteiligen sich mittlerweile in unterschiedlichen Varianten. Er habe schon mit Muslimen gesprochen, die um 19 Uhr eine Stille halten oder eigene Gebete sprechen, sagt Wichmann. Atheisten wollten ebenfalls eine Kerze in ihr Fenster stellen. "Das ist eigentlich das Bewegendste: Ich bekomme ganz viele Nachrichten von Menschen, die nicht zu unserem Stammklientel gehören, die aber trotzdem sagen: Es ist uns wichtig, gerade in dieser Zeit solidarisch zu sein."
Hoffnung und Mut in Zeiten von Angst und Unsicherheit
Wichmann wünscht sich daher, dass sich noch mehr Menschen an der Aktion beteiligen: "Es wäre schön, wenn man das gemeinsame Zeichen um 19 Uhr durch alle Bistümer trägt und das Ganze vielleicht ein bisschen größer anlegt. Wir sind über jeden dankbar, der mitmacht." Für viele ist nach dem kurzen Vaterunser-Gebet aber noch nicht Schluss, die individuelle Spiritualität geht dann weiter. Einige Priester würden im Anschluss daran die Vesper beten, Familien noch zusammensitzen, den Rosenkranz beten oder die Kerze schon um 18 Uhr entzünden und eine Zeit lang brennen lassen.
Dass durch dieses Zeichen in der derzeitigen Coronavirus-Situation viele Menschen einen Weg zu Glauben und Kirche finden, denkt der Pfarrer nicht. Während dieses Ausnahmezustandes seien viele einfach verunsichert und suchten nach positiven Nachrichten und einem Zeichen der Hoffnung, das ein bisschen Mut machte. Das könnten sie im gemeinsamen Entzünden der Kerze finden. "Es ist ein kleiner Punkt, um anzudocken. Und man weiß ja nicht, was der Heilige Geist noch bewegt."