Pilgern zur Pestsäule – Barocke Denkmäler für das Ende von Seuchen
"Pestsäule"? "Pestkreuz"? In diesen Tagen könnte das Interesse an solchen archaisch klingenden Überresten neu erwachen. Papst Franziskus hat es vorgemacht. Er begab sich am vergangenen Sonntagnachmittag durch das seltsam leere Rom zur Kirche San Marcello al Corso. Das dort aufbewahrte mittelalterliche Kruzifix wurde im Pestjahr 1522 durch die Stadt getragen. Der Überlieferung nach endete die Seuche, als das Kreuz nach 16 Tagen Prozessionen den Petersdom erreichte.
Laut Vatikanangaben legte der Papst ein Stück des Wegs auf dem Corso, einer römischen Hauptstraße, zu Fuß zurück. Franziskus betete für ein Ende der weltweiten Corona-Epidemie, um Heilung für die Kranken, und er gedachte der Toten. Zuvor betete er vor der Marienikone "Salus populi Romani" in der Basilika Santa Maria Maggiore. Das Bild wird von den Römern in besonderen Nöten aufgesucht. Der Tradition nach steht die byzantinische Ikone mit dem Ende der Pest von 539 in Verbindung. Papst Gregor XVI. besuchte sie 1837 während einer Cholera-Epidemie.
Auch in Deutschland gibt es Pestsäulen
Auch in Deutschland, vor allem in Bayern, und in den Ländern der Habsburger-Monarchie gibt es viele Denkmäler, die an die Zeit der Pest-Epidemien in Europa seit dem Mittelalter erinnern oder zum Dank für deren Ende erbaut wurden. Die wichtigsten sind die sogenannten Pestsäulen aus der Barockzeit. Sie stellen meist die Muttergottes, die Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiligen Geist –, oder Pestheilige wie Rochus, Sebastian oder Rosalia dar. Pestsäulen zu Ehren von Maria – sogenannte Mariensäulen – sind auch Ausdruck zunehmender Marienverehrung, wie sie in Notzeiten oft zu beobachten war.
Bayerische Pestsäulen befinden sich unter anderem in Ismaning, Kirchseeon, Eching am Ammersee, Wallerstein und Eberhardsberg; im sächsischen Erzgebirgskreis gibt es eine in Pockau-Lengefeld-Reifland, in Halle an der Saale (Sachsen-Anhalt) eine gotische Betsäule aus dem Jahr 1455. Barocke Gegenstücke im Süden sind die neapolitanischen "guglie". Da Italien stark von der Seuche betroffen war, findet man dort sehr viele Pestdenkmäler.
Am weitesten verbreitet sind Pestsäulen aber in den Ländern der Habsburgermonarchie, und hier wiederum in Österreich selbst sowie in Böhmen und Mähren. Die erste (und bekannteste) barocke Pestsäule wurde am Wiener Graben nach dem Abklingen der Epidemie von 1679 errichtet. Die 21 Meter hohe Dreifaltigkeitssäule war stilbildend und fand viele Nachahmungen überall in der Monarchie: in der heutigen Slowakei, in Ungarn (Budapest, Pecs/Fünfkirchen, Sopron/Ödenburg) oder Rumänien (Cluj/Klausenburg).
In einer barocken Inszenierung wird auf der Wiener Säule ein kompliziertes Geschehen theatralisch erzählt. Kaiser Leopold I. kniet ins Gebet versunken und bittet für sein Volk und Reich. Persönliche Frömmigkeit galt damals als besondere Herrschertugend. Der Subtext lautet, es sei vor allem seinem Glauben und seiner Fürbitte zu verdanken, dass die Stadt vom Würgegriff der Pest und der Türken befreit wurde.
Pestsäule als Siegesdenkmal
Beide Gefahren wurden damals als Strafe Gottes für ein sündenhaftes Leben bewertet. Der Kaiser war vor einer der letzten großen Pestepidemien aus der Stadt geflohen – doch nun waren die Pest besiegt und die Türken abgezogen. Die Säule ist in diesem Sinne auch ein Siegesdenkmal für Leopold I. Die Pestsäule auf dem Graben wurde am Dreifaltigkeitstag 1693 eingeweiht. Die Gestaltung übernahm Matthias Rauchmüller; nach dessen Tod vollendete der damalige Wiener Stararchitekt Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1727).
Denkmäler wie diese gingen zwar originär auf die Herrscherdynastie zurück; bestellt und bezahlt wurden sie aber letztlich von der lokalen Bevölkerung. In vielen Fällen wird gar nicht so sehr die Frömmigkeit des jeweiligen Stifters, sondern Prestige im Vordergrund gestanden haben. Im mährischen Olmütz war die Pestsäule 35 Meter hoch und kostete 150.000 Gulden – ein echtes Vermögen.
Touristische Reisen zu diesen Denkmälern der Vergangenheit dürften zwar auf Sicht wohl nicht mehr möglich sein. Aber vielleicht erinnert sich ja die lokale Bevölkerung neu an die Frömmigkeit in Zeiten der Pest.