Eine Lehre aus der Krise: Die Kirche hat keine digitale Infrastruktur
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In der Coronakrise laufen Pfarrer und Pastorinnen, Kirchenmusikerinnen und Pastoralreferenten zu Hochform auf. Sie streamen Gottesdienste, verschicken Videobotschaften und haben viele gute Ideen, wie sie das aktuelle Gottesdienst- und Versammlungsverbot kreativ kompensieren. Oder ganz klassisch: Die Benediktinermönche von St. Ottilien übertragen ihre Stundengebete via YouTube. Wie gut, dass wir heute in der Mittagshore mit Psalm 55 beten können: "Ich werfe meine Sorge auf den Herrn, er liebt mich: er wird mich erhalten." Eine evangelische Gemeinde setzt an jedem Sonntag in der Passionszeit einen musikalischen Akzent. Als Trost für die in ihren Wohnungen verwaisten Gemeindeglieder.
Wie schade, dass ein Großteil dieser Angebote die Adressaten nicht erreichen wird. Denn die Kirchen haben es in den vergangenen Jahren versäumt, eine tragfähige digitale Infrastruktur aufzubauen. Natürlich, es gibt twitternde Bischöfe, fromme "Sinnfluencer", Online-Andachten - digitale Leuchtturmprojekte von Interessierten für Interessierte.
Doch das Angebot der Pfarrgemeinden vor Ort konzentriert sich nahezu ausschließlich auf den wöchentlichen Veranstaltungskalender mit dem Sonntagsgottesdienst als Mittelpunkt der Gemeindeaktivitäten. Kommuniziert wird über den Gemeindebrief. Ich spreche nicht von coolen Apps oder interaktiven Tools. Die Kirchen beherrschen nicht einmal das kleine Einmaleins des Internetzeitalters: Die wenigsten Gemeinden informieren über Newsletter, die wenigsten haben ansprechende Webseiten.
Das war schon vor der Corona-Krise ärgerlich, in diesen Tagen rächt es sich bitter. Da werden die Pfarreien in den Wochen bis Ostern viel Versäumtes aufholen, ähnlich wie die Schulen. Im besten Fall entstehen lokale (vielleicht ökumenische) Netzwerke, auf die wir uns auch dann verlassen können, wenn alles wieder normal läuft. Dann könnten die Newsletter darauf hinweisen, wie schön es ist, Musik live zu hören und Gottesdienste ganz real miteinander zu feiern.