Theologen fordern Rücknahme der neuen Bestimmungen zur "Alten Messe"
In einem offenen Brief fordern über 130 Theologen aus aller Welt die Glaubenskongregation dazu auf, die kürzlich beschlossenen neuen Bestimmungen zur "Alten Messe" zurückzuziehen. "Es macht keinen Sinn mehr, Dekrete zu erlassen, um einen Ritus zu 'reformieren', der in der historischen Vergangenheit geschlossen, träge und kristallisiert, leblos und ohne Kraft ist", heißt es in dem Schreiben, das am Wochenende auf dem Blog des italienischen Theologen Andrea Grillo in der europäischen Kulturzeitschrift "Munera" veröffentlicht wurde. Damit beziehen sich die Theologen auf den Erlass "Cum sanctissima" und das Dekret "Quo magis", die der Vatikan in der vergangenen Woche erlassen hat. Der Brief richte sich an alle Theologen, Gelehrten und Theologie-Studenten. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören auch deutschsprachige Theologen: unter anderem die Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann von der Universität Erfurt, Albert Gerhards von der Universität Bonn sowie Martin Kloeckener von der schweizerischen Universität Freiburg.
"Cum sanctissima" ermöglicht, jeden nach 1962 kanonisierten Heiligen an seinem Fest liturgisch zu feiern. Mit "Quo magis" werden sieben einleitende Gebete zum Hochgebet, sogenannte Präfationen, gebilligt. Es sei zwar nicht überraschend, dass sich die Kongregation der Liturgie widme, jedoch sei einzigartig, "dass sie die Ordnungen ändert, Vorworte und Formeln für Feste einführt und Kalender und Prioritätskriterien modifiziert" – und das bei einem Messbuch von 1962, kritisieren die Theologen
Ebenso fordern sie, die Zuständigkeit der Liturgie wieder in die Hände der Diözesanbischöfe und der Gottesdienstkongregation zu legen. Dies gelte jedoch nicht für Befugnisse, die die Glaubenskongregation in Lehrfragen behält. Mit "Summorum pontificum" hatte der damalige Papst Benedikt XVI. 2007 die Feier der älteren Form der Liturgie, die "außerordentliche Form des römischen Ritus", weitgehend wieder freigegeben. Es sei ein "Padadoxon", schreiben die Theologen, dass dabei "den Bischöfen und der Kongregation des Gottesdienstes eine Zuständigkeit für die Liturgie entzogen wurde". Zudem hätten sich aus diesem Papstschreiben eine "ernsthafte Spaltung" und ein "Symbol einer 'liturgischen Ablehnung' des Zweiten Vatikanischen Konzils" entwickelt. Diese Spaltung führe "nur zu einer Zerschlagung, Privatisierung und Verzerrung des Gottesdienstes der Kirche", heißt es in dem Brief.
Spaltung in der Kirche
Die "größte Verzerrung" sei jedoch in den Diözesen zu sehen, heißt es weiter. Dort werde erwartet, dass zukünftige Priester in zwei verschiedenen Riten ausgebildet werden: "dem konziliaren Ritus und dem Ritus, der ihn ablehnt". Mit Veröffentlichung der beiden genannten Dekrete sei der "Höhepunkt einer nicht mehr tolerierbaren Verzerrung" erreicht. Dadurch sei die Glaubenskongregation Ersatz bei der Ausübung der Kompetenzen, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) den Bischöfen sowie der Gottesdienstkongregation übertragen habe, wodurch die Glaubenskongregation "liturgische Varianten" der Weihen ausarbeite, über deren historische, textliche, philologische und pastorale Fertigkeit sie gar nicht verfüge.
Ebenso ignoriere sie mit der Spaltung den "schweren Konflikt zwischen der lex orandi und der lex credendi", also dem Zusammenhang von Glaube und Gebet. Zuletzt, so fassen die Theologen zusammen, unterschätze die Glaubenskongregation diese spaltende Wirkung auf kirchlicher Ebene, da sie einen Teil der Kirche gegen die "Schule des Gebets" immunisiere, die das Zweite Vatikanische Konzil und die Liturgiereform eingeführt hatten. Zu einer "kirchlichen Normalität" könne man jedoch nur zurückkehren, indem "wir den Zustand der liturgischen Ausnahme überwinden, der vor 13 Jahren in einer anderen Welt, mit anderen Bedingungen und mit anderen Hoffnungen, durch Summorum pontificum geschaffen wurde". (mpl)