Standpunkt

Was wird vom Applaus für die Pflegekräfte bleiben?

Veröffentlicht am 21.04.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Das Gehalt spiegelt nicht die Relevanz: Das werde in der Corona-Krise an den Pflegekräften besonders deutlich, kommentiert Pia Dyckmans. Sie hofft, dass Politik und Gesellschaft deren Einsatz künftig nicht bloß mit Beifallklatschen honorieren.

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Es ist Mitte März, die Corona-Krise gewinnt an Fahrt. Mit ihrem Beginn erhält eine sonst wenig beachtete Berufsgruppe Aufmerksamkeit: die Pflegekräfte. Deutschland klatscht in die Hände oder auf Töpfe, um Dankbarkeit und Anerkennung auszudrücken. Ich frage mich: Was haben die Pflegekräfte davon, dass wir hier stehen und applaudieren? Eigentlich nichts. Denn Applaus und eine Tafel Schokolade bezahlen am Ende des Monats nicht die Miete oder den Einkauf.

Wir sind es gewohnt, dass vor allem diejenigen viel Geld verdienen, bei denen am Ende des Jahres viel Profit oder ein skalierbarer Wert stehen. Wer viel bringt, bekommt auch viel. Ein gesund gepflegter Mensch zählt bei dieser Rechnung nicht. Ich finde, das ist ein Skandal – gerade in diesen Tagen, in denen wir alle ganz besonders spüren, wie lebensnotwendig Pflegekräfte sind und wie abhängig wir von einem funktionierenden Gesundheitssystem sind. Momentan funktioniert es, weil Männer und Frauen nicht nur eine Schicht nach der anderen hart arbeiten, sondern sich selber auch ständig dem gesundheitlichen Risiko aussetzen. Trotz Unterbesetzung, trotz Unterbezahlung.

Laut Gehalt.de verdient eine Pflegekraft durchschnittlich 3.000 Euro brutto. Natürlich ist das nur ein Durchschnittswert - je nach Ausbildung, Erfahrung und Standort variiert das Gehalt. Dennoch zeigt diese Zahl etwas: das Gehalt spiegelt nicht die Relevanz. Denn seien wir mal ehrlich, auch schon vor Corona waren Pflegekräfte "systemrelevant". Seit Jahren kämpfen Pflegekräfte um bessere Bezahlung, seit Jahren wird kritisiert, dass Kliniken keine Profitbetriebe sein dürfen. Keiner hat sie gehört. Gott sei Dank tut sich nun ein wenig. Pflegekräfte sollen dieses Jahr Boni bekommen. Lobenswerter Ansatz, doch darf dieser nicht über einen langfristigen Plan hinwegtrösten.

Jetzt – Wochen später – gewöhnen wir uns langsam an den Krisenmodus. Das öffentliche Leben wird langsam und vorsichtig wieder hochgefahren. Und wir? Wir sehnen uns nach Normalität. Keiner steht mehr auf den Balkonen und klatscht. Wer denkt jetzt noch an die Pflegekräfte? Was wird vom Applaus und Topfschlagen bleiben?

Von Pia Dyckmans

Die Autorin

Pia Dyckmans ist Presse- und Öffentlichkeitsreferentin der Jesuiten in Deutschland und Schweden.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.