Bischof Neymeyr: Erlebe große Kreativität in der Verkündigung
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Das Bistum Erfurt befindet sich in turbulenten Zeiten: Zuerst hat die umstrittene Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten Thüringens die Gemüter erhitzt, danach hielten die Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Land und Diözese in Atem. Dem Bistum Erfurt steht Ulrich Neymeyr seit 2014 vor.
Frage: Wie geht es Ihnen? Wie ist die Lage bei Ihnen?
Neymeyr: Es geht mir gut. Wir sind ein bisschen in Sorge um einen Pfarrer, der das Corona-Virus hat und dem es nicht so gut geht. Wir hoffen, dass er das gut übersteht. Wir hatten schon einen Pfarrer, der Corona hatte, der hat es aber sehr gut überstanden. Jetzt hoffen wir, dass es bei dem anderen auch glimpflich verläuft.
Frage: Mir ist in den Kopf gekommen: Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, war das so ungefähr in dieser Zeit rund um Kemmerich und Neuwahlen der Regierung. Hätten Sie gedacht, dass das Jahr noch etwas turbulenter werden kann als das?
Neymeyr: Ich mag mir nicht vorstellen, wie es in Thüringen aussehen würde ohne amtierenden Ministerpräsidenten, ohne amtierende Regierung. Das war wenige Tage vor dem Shutdown, dass es dann geklappt hat. Da bin ich wirklich froh. Dass es noch turbulenter werden würde, als bei den beiden Wahlgängen, hatte ich nicht gedacht.
Frage: Nehmen Sie uns einmal mit in die Zeit als das alles angefangen hat. Wie haben Sie das erlebt bei sich im Bistum?
Neymeyr: Es war ja ein ganz radikales Abbremsen. Wir haben freitags erfahren, dass sonntags keine Gottesdienste mehr gefeiert werden dürfen und es gab dann gleich Diskussionen. Können Priester jetzt alleine Gottesdienst feiern oder ein oder zwei Gläubige hinzuziehen? Das hat sich dann aber auch im Lauf der darauffolgenden Woche schon insofern beruhigt, als klar war, dass die Priester auch ein oder zwei Gläubige hinzuziehen können, denn manche haben alleine zelebriert und gesagt: "Das mache ich nie wieder." Also die Diskussion um die Privatmessen war eigentlich, zumindest in unserem Bistum, überflüssig. Dann hat sich das so eingependelt mit schmerzlichen Erfahrungen über Ostern, wobei ich auch von vielen gehört habe: "Es ist schmerzlich, dass wir nicht Gottesdienst feiern dürfen, aber es gibt Gravierenderes mit Blick auf die kranken Menschen, Menschen in Altenheimen, Menschen, die sich um ihre wirtschaftliche Existenz sorgen." Dann waren wir natürlich doch sehr erleichtert, als wir am 23. April hörten, dass wir schon am 26. April wieder mit Gottesdiensten beginnen können. Wir sollen aber ein Schutzkonzept vorlegen. Das hatten wir innerhalb von 24 Stunden fertig und auch veröffentlicht. Die Pfarrer hatten dann alle Mühe, das innerhalb von zwei Tagen zu verwirklichen. Das hat nicht überall geklappt, weil in großen Pfarreien dann auch Absprachen nötig waren mit den Betroffenen, wenn man so will, also mit den Gläubigen und dem Pfarrgemeinderat. Dann hat es aber überall geklappt und es hat sich gezeigt, dass der Ansturm auf die Gottesdienste nicht so groß ist wie befürchtet. Viele Menschen bleiben dann doch lieber Zuhause, vielleicht, weil sie Angst haben sich anzustecken, vielleicht auch, weil sie niemandem den Platz wegnehmen wollen oder weil sie sagen: "Das ist mir zu merkwürdig da auch in der Kirche mit 1,50 m Abstand zu sitzen." Jedenfalls ist es so: Diejenigen, die sich nach der Eucharistie sehnen, die gemeinsam Gottesdienst feiern, die können das auch wieder. Da sind wir froh und erleichtert.
Frage: Sie haben ja gesagt, am 26. April kam die Information, dass Sie es machen können. Ich fand das ganz interessant, dass Sie als Bistum Erfurt die Ersten wirklich gewesen sind, die ein Schutzkonzept vorgelegt haben und auch gesagt haben: "Wir machen die Kirchen wieder auf." Weshalb ging das bei Ihnen denn schneller als bei den anderen?
Neymeyr: Weil wir schneller die Erlaubnis hatten. Übrigens hatte Dresden und Meißen schon am Sonntag vorher die Möglichkeit mit 15 Gläubigen Gottesdienst zu feiern. Wir hatten mit der Regierung vereinbart: Wenn es möglich ist, dann legen wir ein Schutzkonzept vor und das mussten wir dann eben auch erarbeiten. Wir haben alles stehen und liegen gelassen und das mit vereinten Kräften erarbeitet.
Themenseite: Die Kirche während der Corona-Krise
Gottesdienste werden abgesagt, Gotteshäuser geschlossen: Das Coronavirus hat auch die katholische Kirche in Deutschland und Europa erreicht. Wie geht es nun in den Bistümern weiter? Und was können die Gläubigen tun? Alles Wichtige zum Thema erfahren Sie hier.Frage: Wie kompliziert ist das, wenn man sich nicht orientieren kann an schon existierenden Konzepten? Das muss man ja quasi aus dem Nichts heraus stemmen.
Neymeyr: Es gab ja eine allgemeine Vorlage aus dem Sekretariat der Bischofskonferenz, aber wir haben es dann für uns nochmals konkretisiert. Es gab auch allgemeine Vorgaben der thüringischen Landesregierung, die wir natürlich auch berücksichtigt haben. Wir waren davon ausgegangen, dass ein großer Ansturm einsetzt, haben das also alles sehr restriktiv gehandhabt. Das hat sich auch bewährt, weil dann doch die Pfarrer und die Verantwortlichen in den Kirchgemeinden wussten, sie müssen das wirklich umsetzen, das kann man nicht einfach so großzügig handhaben, denn dass die Infektionsgefahr da ist, hat mittlerweile dann ja auch jeder gesehen.
Frage: Jetzt sind Sie ja als Thüringen grundsätzlich schnell zu reagieren. Jena war ja die erste Stadt, die eine Maskenpflicht eingeführt hat. Das ist ja auch bei Ihnen im Bistum. Gibt es bei Ihnen einfach einen anderen Umgang mit dem Thema oder ist das Zufall, dass das bei Ihnen zuerst war?
Neymeyr: Jena hat ja eine große Universitätsklinik und ist eine Universitätsstadt. Ich denke, dass dort auch sehr kompetente Beratung war durch die Ärzte. Es sind ja auch Jenaer Ärzte nach Bergamo in Italien geflogen, um dort mitzuhelfen, aber auch, um dort Erfahrungen zu sammeln und ich denke, dass diese Erfahrungen dann auch in das Konzept der Stadt eingeflossen sind.
Frage: Und jetzt ist die Situation bei Ihnen im Bistum und im Bundesland etwas entspannter, oder?
Neymeyr: Ja, wir haben Gott sei Dank nicht so hohe Ansteckungszahlen. Allerdings auch den Landkreis mit der höchsten Infektionszahl bundesweit in Greiz. Das ist nicht so einfach in den Griff zu bekommen. Da ist vor allem in einigen Altenheimen eine hohe Infektionsrate. Und das bestätigt leider die strenge Besuchsreglementierung für die Menschen in Altenheimen.
Frage: Es geht ein Zitat von Ihnen durch die Medien, in dem Sie sagen: "Das ist auch eine Möglichkeit sich von der 'Eucharistiefixierung' im Moment zu trennen." Also dass man auch andere Möglichkeiten findet den Glauben zu leben und Gottesdienst zu feiern. So etwas wird ja immer schnell aus dem Kontext gerissen. Können Sie erklären, was Sie damit meinen?
Neymeyr: Ich hatte da den pastoralen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen angeregt, dass wir jetzt reflektieren: Wie haben wir reagiert, als wir keine Zeit hatten und ganz spontan sein mussten? Und da ist mir aufgefallen, dass alle geschaut haben, wie wir jetzt wieder Eucharistie feiern können. Aber es war nicht im Blick, dass wir ja mit den Gläubigen auch andere Formen von Gottesdienst feiern können. Die Zahl der Priester ist im Bistum Erfurt begrenzt, zumal die älteren Priester und diejenigen, die zu einer Risikogruppe gehören, natürlich die Freiheit haben jetzt keinen Gottesdienst zu feiern. Da habe ich festgestellt, dass doch nicht so im Blick war, dass es auch andere Gottesdienstformen gibt. Haben wir eigentlich die Möglichkeit, die "Fixierung auf die Eucharistie" aufzulösen, in dem Sinn, dass nur die Feier der Eucharistie ein richtiger, voll gültiger und guter Gottesdienst ist? Es ist wichtig, auch die anderen Formen von Gottesdienst zu pflegen und da denke ich nicht nur an Wortgottesfeiern, also Gottesdienste, bei denen auch die Kommunion ausgeteilt wird, sondern ich denke auch an andere Formen. Wir sind im Monat Mai, fast überall werden Maiandachten gehalten, vor allen Dingen im Eichsfeld, also im katholisch geprägten Teil werden zu allen Marienbildern und kleinen Kapellen, die es dort gibt, kleine Prozessionen veranstaltet oder man feiert dort eine Maiandacht im Freien. Und das gilt es jetzt natürlich auch zu beleben, zumal wir im Freien auch die Möglichkeit haben, mit 50 Gläubigen einen Gottesdienst zu feiern und das Abstandsgebot je nach Größe des Platzes problemlos zu realisieren ist. Da haben mir viele pastorale Mitarbeiter recht gegeben und gesagt: "Stimmt, da haben wir so gar nicht dran gedacht, dass wir nur in einigen Kirchen die Eucharistie feiern können, aber die anderen pastoralen Mitarbeiter und Diakonatshelfer laden auch zu anderen Gottesdienstformen ein."
Frage: Sie haben einen ganz wichtigen Punkt gerade in einem Nebensatz angesprochen, dass viele ältere Priester ja auch zur Risikogruppe gehören. Wie gehen Sie damit um? Können Sie es überhaupt gewährleisten, dass in den Gemeinden wie vorher Gottesdienste angeboten werden können?
Neymeyr: Wir haben jetzt keinen amtierenden Pfarrer, der gesagt hat, dass er keine Gottesdienste feiern möchte. Dann hätten wir natürlich dafür gesorgt, dass dort wenigstens eine heilige Messe auch stattfinden kann. Es sind überwiegend die Pensionäre, die dann sagen: "Ich möchte doch lieber in der kleinen Gemeinschaft, die sich jetzt gebildet hat, weiterhin den Gottesdienst feiern ohne mich zu infizieren."
Frage: Also man kann alles weiterhin aufrecht erhalten quasi?
Neymeyr: Ja, natürlich nicht in jeder Kirche. Also manche haben sich auch entschieden zu sagen: nur in der großen Kirche. Es sind so viele Teilnehmer möglich, wie mit Sicherheitsabstand in der Kirche Platz haben. Das heißt, dass die Pfarrer jetzt wieder durch die Kirche rennen müssen, oder die Ehrenamtlichen, die sich da dankenswerterweise engagieren und müssen ausmessen, Plätze markieren und dann dem Ordnungsamt mitteilen: "In unserer Kirche ist mit Abstand für 90 Personen Platz oder für 70 oder für 110."
Frage: Da muss man auch einmal den Leuten Respekt zollen, die das hingekriegt haben und die das betreuen in so kurzer Zeit.
Neymeyr: Ganz dickes Kompliment und es ist natürlich eine ganz große Sorge von denen, die sich darum kümmern, dass sie Menschen ablehnen oder wegschicken müssen, die gerne am Gottesdienst teilnehmen würden. Viele haben auch ein Anmeldesystem gemacht, bei manchen funktioniert das aber auch so und wieder andere sagen, dass man ja auch außerhalb der Kirche stehen kann und stellen einen Lautsprecher hin, um den Gottesdienst nach außen zu übertragen. Diejenigen, die in der Kirche keinen Platz gefunden haben, können so wenigstens draußen den Gottesdienst mitverfolgen. Viele, die ein Streamingangebot installiert haben, machen das auch weiter.
Frage: Jetzt ist es natürlich schwierig, in die Zukunft zu schauen und es ist wie eine Glaskugel, weil man nicht wirklich weiß, wie es weitergeht. Man sagt ja, dass es noch Monate oder Jahre so weitergehen wird, bis es einen Impfstoff gibt. Wie sehen denn Ihre Planungen im Bistum für die nächste Zeit aus?
Neymeyr: Nun, ich gehe davon aus, dass wir Wochen oder Monate lang mit diesem Zustand leben müssen und auch mit dieser Form der Gottesdienste. Das pendelt sich dann aber auch ein und es wird sich auch einpendeln, wer kommt und mitfeiert, wer in anderer Weise den Sonntag heiligt und begeht. Wir haben natürlich dann auch die Frage, wie wir Katechese anbieten können, wie wir Gremiensitzungen weiter halten können, wie wir Fortbildungsangebote machen können. Da sind wir natürlich schon hoffnungsvoll, dass da auch andere Möglichkeiten sein werden, dass man also auch sich wieder im Pfarrheim oder in unseren Bildungshäusern versammeln kann. Natürlich mit den Hygienemaßnahmen, aber das ist doch auch möglich diese Form des kirchlichen Lebens und des kirchlichen Miteinanders wieder aufnehmen zu können.
Frage: Herr Bischof, zum Schluss noch eine ganz wichtige Frage, die jeder in diesem Gespräch beantworten muss: Wenn Sie sich in Ihrem Alltag im Moment umschauen was passiert. Was bringt Ihnen Hoffnung gerade?
Neymeyr: Ich erlebe, was in unserer Kirche geschieht, eine große Kreativität die Medien zu benutzen, also Kommunikationswege zu nutzen bei denen man sich nicht anstecken kann, da geschieht sehr viel. Also nicht nur in der Kommunikation, sondern auch in der Glaubensverkündigung. Der Glaube kommt vom Hören und gerade Podcasts sind sehr beliebt. Das halte ich für sehr positiv. Ich sehe auch viele Familien, die trotz aller Strapazen, die jetzt auf die Familien hereingebrochen sind, weil sie sich von morgens bis abends um ihre Kinder kümmern und noch ihre Arbeit machen müssen, dass sie trotzdem sagen: "Wir wachsen in dieser Zeit als Familie unheimlich zusammen." Auch wenn die Kinder Jugendliche sind, dann hat es sich doch so eingependelt, dass sie ihre eigenen Wege gehen und es wächst bei allen Strapazen für die Familien. Ich will das gar nicht beschönigen, aber es entsteht in vielen Familien auch eine Zusammengehörigkeit.