Standpunkt

Aus der Sonntagspflicht sollte eine Einladung zur Sonntagstreue werden

Veröffentlicht am 26.05.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Corona-Krise hat die Sonntagspflicht als Diskussionsthema wieder auf die Tagesordnung gebracht. Dabei mutet die alte Regel in ihrer Grundannahme eher skurril als anziehend an, findet Dominik Blum. Er votiert dafür, die Pflicht zu einer Einladung zu machen.

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Christsein ist Freundschaft mit Jesus Christus. Freundschaften sind unterschiedlich intensiv, manchmal enger, manchmal lockerer. Freundschaften reichen von Sympathie und Interesse über regelmäßigen Kontakt und Austausch bis hin zu enger Bindung, Liebe, existenzieller Angewiesenheit, Hingabe. Es gibt nicht die eine, höchste Form der Freundschaft als Referenz. Menschen gestalten Freundschaften ganz verschieden. Als Kameradschaft, als Beziehung, als Kumpanei, auf Distanz, mit Begeisterung, erotisch, platonisch, sonntags oder werktags.

Als aufgrund der Corona-Pandemie die Gottesdienste zu Recht staatlicherseits verboten wurden, tauchte ein Thema auf, das schon lange von der Agenda der theologischen und pastoralen Debatte verschwunden zu sein schien: die Sonntagspflicht. Tragisch-komisch erschien es mir, dass Bistümer daraufhin das Kirchengebot der Sonntagspflicht per Verwaltungsakt aussetzten. Durchschnittlich kommen in Deutschland 90% der katholischen Christinnen und Christen ihrer Sonntagspflicht selten oder nie nach. Die wenigen, die sonntags ohnehin kommen, sollten also ein ruhiges Gewissen haben. Und all die anderen?

Diese Quote sagt aber tatsächlich auch wenig über die Art und Weise aus, wie Menschen ihre Freundschaft zu Jesus Christus gestalten. Ist es denn sinnvoll, diesen einen, wichtigen Freundschaftsbeweis, den sonntäglichen Besuch der Eucharistiefeier, in solch einem Maß zum Kriterium der Nachfolge, der Freundschaft zu Jesus Christus zu machen? Das wäre so, als ob Familie und Clique eines Freundes mich allwöchentlich zu einem Besuch in seinem Wohnzimmer verpflichten würden, um mein gutes Verhältnis zu ihm unter Beweis zu stellen. Eher skurril als anziehend, oder nicht?

Statt von der Sonntagspflicht sollten wir Christen – von mir aus auch als Gebot – von der Sonntagstreue sprechen. Diese Treue geht von dem aus, der die Sonntagseinladung selbst ausspricht, Jesus Christus. Nehmt und esst, trinkt, das bin ich lebendig für euch. Auf dieses treue Freundschaftsangebot treu zu antworten, ist Aufgabe der Kirche – und jeden Christen dazu einzuladen, treu auf seiner Spur zu bleiben, werktags, sonntags, auch in der Feier der Liturgie. Eine solche Verkündigung ist anziehend und missionarisch. Eine treue Kirche kann auf das Gebot der Sonntagspflicht verzichten.

Von Dominik Blum

Der Autor

Dominik Blum ist Dozent für Theologie an der Katholischen Akademie in Stapelfeld.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.