Wie die Corona-Pandemie das Theologiestudium verändert
Die Corona-Krise beeinträchtigt noch immer nahezu alle Bereiche der Gesellschaft – auch das Studium hat sich verändert. Davon sind die katholisch-theologischen Fakultäten, Seminare und Institute nicht ausgenommen. "Die Uni sehe ich im Moment gar nicht von Innen", sagt Isabel Herzberg. Die 22-Jährige studiert Theologie in Münster und gehört dem Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Theologiestudierende (AGT) an, der Interessenvertretung der katholischen Theologiestudierenden in Deutschland. "Der Studienalltag ist deshalb ganz anders, weil wir im Homeoffice studieren und schauen müssen, dass wir uns den Lernstoff selbst aneignen."
Für die Studierenden bedeutet das mehr Selbstdisziplin und eine straffere Struktur bei der eigenen Tagesplanung. Gerade für junge Menschen in den ersten Semestern eine große Herausforderung. "Die Aufgaben, die wir als Ersatz für Veranstaltungen bekommen, beanspruchen zum Teil viel mehr Zeit, als eine normale Seminarsitzung", erklärt Herzberg. Vor allem vormittags sind die Online-Tools der Universitäten zudem teilweise überlastet, da viele Studierende gleichzeitig darauf zugreifen wollen. Schlechte oder überbeanspruchte Internetverbindungen verschlimmern das Problem noch zusätzlich, denn die komplette Lehre hat sich momentan ins Internet verlagert.
"Das klappt erstaunlich gut. Besser, als wir alle erwartet hatten"
Digitale Lernangebote und -formate werden an den Universitäten schon seit Jahren gefordert. Bisher sei digitale Lehre ein Thema gewesen, bei dem die meisten Institute und Fakultäten verlegen gesagt hätten, dass man daran arbeite, sagt Johanna Rahner. Das habe sich mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie schlagartig ändern müssen, erklärt die Dogmatikprofessorin der Universität Tübingen. Rahner ist zudem Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentages, dem Dachverband der universitären Ausbildungseinrichtungen für katholische Theologie. Aufgrund der Hygienevorschriften und Ausgangsbeschränkungen finden Vorlesungen und Seminare jetzt als Videokonferenzen statt, Studierende stellen Fragen in Online-Tools und bekommen Erklärungen der Dozenten als Videos oder Audios oder arbeiten im Lektüreseminar virtuell gemeinsam an einem Text. "Das klappt erstaunlich gut. Besser, als wir alle erwartet hatten", resümieren Rahner und Herzberg einmütig.
Das bedeutet aber nicht nur für die Studierenden einen erhöhten Arbeitsaufwand. "Wenn man in Seminaren mit kleineren Gruppen intensiver zusammenarbeiten will, muss man schon technisch klug und mit verschiedenen Tricks arbeiten, um die gleiche Atmosphäre wie in einem Seminar hinzubekommen", sagt Rahner. Längere energische Diskussionen würden durch die Konferenztools aber nicht unterstützt. Und auch das Aufzeichnen von Vorlesungen als Video sei mühsamer. Dozenten können nun nicht live auf Rückmeldungen und Fragen der Studierenden reagieren, sondern müssen diese selbst erahnen und den Vorlesungsstoff in mehreren Schleifen durchgehen, um zu überlegen, wo Fragen auftauchen könnten.
"Wir drücken in Sachen 'Digitalisierung in Lehre und Forschung' gerade auf die Vorspulen-Taste", beobachtet Jörg Seiler, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt. Auch wenn noch nicht alles funktioniere, sei die Bereitschaft, sich in neue digitale Methoden und Tools einzuarbeiten auf allen Seiten bemerkenswert hoch. "Dies ist ein enormer Kraftakt für alle Beteiligten", so Seiler. Aber sicherlich werde man auch in der Zeit nach Corona davon profitieren können.
"Das ist nicht das Konzept, wie ich sinnvolle digitale Lehre verstehe"
Johanna Rahner kann dem Zwang, internetbasierte Lehrmethoden einzuführen, ebenfalls etwas Positives abgewinnen: "Ich glaube, etwas unter Druck machen zu müssen, ist auch manchmal ganz gut." Die Dozenten hätten sich jetzt mit den entsprechenden Tools auseinandersetzen müssen, statt lange zu überlegen, ob sie diese überhaupt verwenden wollen. Manches habe dabei ganz intuitiv funktioniert, anders sei etwas komplexer. "So manche Dinge kann man aber durchaus auch in Zeiten nach Corona wieder benutzen."
Isabel Herzberg sieht das anders. Sie glaubt nicht, dass viel von den jetzigen Erfahrungen mit digitaler Lehre auch in Zukunft eingesetzt werden wird. "Jetzt wird versucht, Bedingungen dafür herzustellen, dass die Lehre genauso gestaltet werden kann, als würde sie analog stattfinden. Nur eben über den Bildschirm", kritisiert die Theologie-Studentin. "Das ist nicht das Konzept, wie ich sinnvolle digitale Lehre verstehe." Das Ziel sollte nicht sein, möglichst alles am Computer zu machen, sondern die Technik dort einzusetzen, wo sie andere Kompetenzen vermitteln könne, so die 22-Jährige. "Ich sehe gerade nicht, dass sich am Stil, wie zum Beispiel Vorlesungen gehalten werden, wirklich etwas ändert."
Theologiestudium - und was dann?
Wer Theologie studiert, wird Priester oder Lehrer – doch die Zeiten sind längst vorbei. Mittlerweile gibt es zahlreiche interdisziplinäre Studienangebote. Katholisch.de stellt zehn Masterprogramme vor.Neben den finanziellen Sorgen bleibt auch ein weiteres drängendes Problem der Studierenden bestehen: die enorme Ungewissheit. Exkursionen, Praktika und Praxissemester könnten nicht wie gewohnt stattfinden. Noch sei außerdem nicht überall klar, welche Prüfungen im Sommer abgelegt werden können, ob Klausuren oder mündliche Prüfungen möglich seien oder es Ersatzformate geben werde und wie diese dann aussehen könnten. "Das macht uns Studierenden die Planung schwierig, weil damit auch zusammenhängt, wann man seinen Abschluss machen kann", so Herzberg.
"Eine außerordentliche Situation erfordert einen flexiblen Handlungsrahmen"
Darauf versuchen auch die Universitäten Rücksicht zu nehmen und arbeiten beispielsweise an digitalen Konzepten für Prüfungen. "Grundsätzlich ist verabredet, dass wir bezüglich der einzuhaltenden Fristen großzügig und nicht zum Nachteil der Studierenden verfahren wollen", sagt Jörg Seiler. "Eine außerordentliche Situation erfordert einen flexiblen Handlungsrahmen."
Isabel Herzberg beobachtet wohlwollend, dass aktuell häufiger um Rückmeldung der Studierenden gebeten wird, als üblich. Entscheidungen würden allerdings meist nur zeitversetzt an die Studierenden weitergeleitet. "Oft haben wir das Gefühl, dass Entscheidungen schon länger feststehen, aber nicht offiziell kommuniziert werden, sondern nur in einem Nebensatz in der Vorlesung genannt werden", so Herzberg. "Da wünschen wir uns mehr Transparenz, weil uns das auch bei der Planung hilft, wie wir dieses Semester trotz aller Einschränkungen gewinnbringend nutzen können."