Standpunkt

Klick und weg? Die Kirche nach der Corona-Krise

Veröffentlicht am 03.06.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Durch die Pandemie hat Kirche Neuland betreten: Messen im Livestream, Seelsorge am Telefon und das Stundengebet auf Soundcloud. Doch ein Grundmuster hat sich nicht geändert, kommentiert Tilmann Kleinjung. Und das könnte – nach Corona – Folgen haben.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Dass Pflegekräfte mies bezahlt werden, wussten wir schon vor Corona. Dass die Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern und Erntehelfern nicht den Standards entsprechen, ebenfalls. Die Pandemie hat da die Funktion einer Lupe. Bisher Ignoriertes, Vernachlässigtes, Verdrängtes wird offensichtlich: Unsere Schulen sind noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen, unsere Arbeitswelt kommt Männern eher entgegen als Frauen. Die Mängelliste lässt sich fortsetzen und natürlich auch auf die Kirchen anwenden. Viele Gemeinden und Pfarrer haben in den letzten Monaten das Netz für sich entdeckt. Sehr gut. Doch am Grundmuster der Kommunikation hat sich wenig geändert. Austausch, echte Beteiligung findet nur selten statt. Wie auch? Die Einbahnstraße ist die erprobte und weithin akzeptierte Verkehrsrichtung. Wir werden von der digitalen Kanzel bepredigt, am liebsten von oben herab. Die Corona Pandemie hat diesen Hang zur Hierarchie noch einmal bestärkt. In den Internetangeboten der Diözesen und Landeskirchen lernen wir die große Schar der Erzbischöfe, Landesbischöfe, Weihbischöfe kennen – nicht die Vielfalt der Kirchen in Deutschland.

Auch das wussten wir schon vorher: Es geht um Qualität. Nur weil eine Predigt via YouTube gestreamt wird, ist sie nicht automatisch ansprechend oder anrührend. Im Gegenteil: Wer in der Überfülle des digitalen und analogen Angebots gehört werden will, muss besonders gut, besonders einfallsreich sein. Alter Wein in neuen Schläuchen funktioniert nicht. Ein Klick, und wir sind weg. Für immer? So mancher wird sich nach dieser Zeit ganz grundsätzlich fragen: Warum bin ich Mitglied in dieser Kirche? Wie wichtig ist mir das alles? Da brauchen die Kirchen dann gute Argumente. Auch dabei hilft das Corona-Brennglas. Denn es vergrößert natürlich auch das, was gut ist, was funktioniert: der unermüdliche Einsatz des Seelsorgeteams im Krankenhaus, der Telefondienst in der Gemeinde und der Gottesdienst, der mich berührt – auch unter Wahrung der Hygienevorschriften.

Von Tilmann Kleinjung

Der Autor

Tilmann Kleinjung ist Leiter der Redaktion Religion und Orientierung im Bayerischen Rundfunk (BR).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.