Nach Vatikan-Instruktion zu Pfarreireformen

Experten: Bereits die frühe Kirche kannte Gemeindeleitung durch Laien

Veröffentlicht am 07.08.2020 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 

Stuttgart ‐ Eine Gemeindeleitung durch Laien ist nicht möglich? So sieht es der Vatikan. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt: In den ersten Jahrhunderten der Kirche gab es das bereits – und sogar eine Skepsis gegenüber starken Führungsgestalten.

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Während sich der Vatikan zuletzt vehement für die Alleinverantwortung von Priestern und gegen Leitungsteams für Kirchengemeinden in Deutschland ausgesprochen hat, zeigt die neue Ausgabe der Zeitschrift "Welt und Umwelt der Bibel" eine breite Vielfalt von kirchlichen Leitungsstrukturen im frühen Christentum. Das Spektrum an Leitungsmodellen sei groß und teils auch von Skepsis gegenüber starken Führungsgestalten geprägt gewesen, betonen Experten in ihren Beiträgen für die im Verlag des Stuttgarter Katholischen Bibelwerks erschienene Zeitschrift. So habe es Gemeinden gegeben, in denen die Versammlung aller Getauften gemeinsam Entscheidungen traf, oder auch Leitungsmodelle in Form eines Ältestenrats. Andere Gemeinden hätten sich an der Struktur des antiken römischen Großhaushalts mit einem "pater familias" orientiert. Vielfach hätten auch Witwen eine wichtige Führungsrolle übernommen.

Die Entwicklung hin zu hauptamtlichen Gemeindeleitern und Klerikern habe sich dann etwa an der Wende des zweiten zum dritten Jahrhundert vollzogen. Danach hätten Bischöfe immer mehr Aufgaben übernommen, und das Klerikersein sei zum Beruf geworden. In der Zeitschrift schreiben Experten für das Neue Testament und Kirchenhistoriker. Die Theologin Dorothea Sattler analysiert, welche Bezüge sich zu den aktuellen Strukturdebatten der katholischen Kirche ergeben.

Am 20. Juli hatte der Vatikan seine Instruktion "Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche" veröffentlicht. Sie besagt unter anderem, dass Laien von der Gemeindeleitung ausgeschlossen sind. Auch Teams aus Geweihten und Nicht-Geweihten sind demnach nicht zulässig. Stattdessen wird die Leitungsrolle des Pfarrers betont. Die deutschen Bischöfe, Theologen und Verbände reagierten mehrheitlich mit Kritik auf das Papier und bezeichneten es unter anderem als realitätsfern und rückwärtsgewandt. Einige Oberhirten kündigten an, trotz der Instruktion an ihren Plänen zu Pfarreienreformen festzuhalten. Es gab jedoch auch einige zustimmende Äußerungen, darunter der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Die im Vatikan für die Instruktion verantwortliche Kleruskongregation bot den deutschen Bischöfen ein klärendes Gespräch an. (tmg/KNA)