Dogma der Aufnahme Mariens in den Himmel vor 70 Jahren verkündet

Mariä Himmelfahrt: Der Mensch hat Zukunft in Gott

Veröffentlicht am 15.08.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ In der Bibel wird das heutige Fest, die Aufnahme Mariens in den Himmel, nicht beschrieben. Dennoch ist für Gläubige seit jeher klar, dass die Gottesmutter dort einen besonderen Platz haben muss. Ein entsprechendes Dogma blieb nicht ohne Widerspruch.

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Gerade einmal 70 Jahre ist es her, dass Papst Pius XII. das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündet hat. Bis heute war es das einzige Mal überhaupt seit dem Ersten Vatikanischen Konzil, dass ein Papst ein neues Dogma - also eine verbindliche Glaubensaussage - verkündet hat.

Doch so einzigartig dieses Ereignis auch war, so viel Kritik hat es erfahren. Ein Anlass, zurückzuschauen und zu fragen: Wie kam es zur Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel - und warum wurde sie von verschiedener Seite kritisch beäugt?

Einer der gravierendsten Einwände lautete: Die biblische Grundlage, auf deren Basis derartige Glaubensaussagen normalerweise getroffen werden, fehlt. Die neutestamentlichen Schriften, insbesondere die Evangelien, berichten zwar vom Leben Mariens, aber sie schweigen über ihren Tod. Es ist kein Schriftwort überliefert, aus dem hervorgehen würde, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen ist.

Entschlafung Mariens bereits im 5. Jahrhundert gefeiert

Wenngleich diese Aussage nicht explizit getroffen wird, so haben die Theologen aber darauf hingewiesen, dass sie doch in anderen Bibelstellen unentfaltet enthalten ist. Es werden vor allem jene Verse angeführt, die davon sprechen, dass alle Glaubenden Anteil erhalten an der himmlischen Herrlichkeit und an der Auferstehung Jesu von den Toten.

Aufgrund der besonderen Nähe Mariens zu Jesus kann angenommen werden, dass sie, die Gott zur Mutter seines Sohnes berufen hat, auch im Tod und durch den Tod hindurch in dieser Beziehung bleibt. Die Vollendung, die allen Glaubenden zugesagt ist, ist Maria in besonderer Weise zuteilgeworden.

Schon sehr früh, nämlich im 5. Jahrhundert, hat man in Jerusalem das Fest der Entschlafung Mariens und ihrer Grablegung im Kidrontal gefeiert. Bald war das Fest nicht nur in der Ostkirche, sondern ab dem 8. Jahrhundert auch in der Westkirche verbreitet. Wenngleich die Bibel über ihr Lebensende schweigt, haben sich Legenden entwickelt, welche die Ereignisse rund um den Tod der Gottesmutter beschreiben.

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Video: © katholisch.de

Der Bonner Stadtdechant Wilfried Schumacher erklärt die Bedeutung des christlichen Feiertages Mariä Himmelfahrt.

Eine dieser Legenden erzählt: Als Maria im Haus des Apostels Johannes auf dem Berg Zion gestorben ist, kamen die Apostel aus allen Erdteilen, in denen sie das Evangelium verkündeten zusammen, um Abschied zu nehmen. Als sie aber den Sarkophag, in den der Leichnam gelegt worden war, öffneten, fanden sie in ihm nicht die sterblichen Überreste Mariens, sondern ein Meer von Blumen und Kräutern.

Später, im Mittelalter und der Zeit der Scholastik, wurde der Gedanke der Vollendung Mariens im Tod mehr und mehr vertieft. Weil Maria als Mutter mit ihrem Sohn in einer besonderen Verbindung steht, habe diese Gemeinschaft auch über den Tod hinaus Bestand. So argumentierten die Theologen, Maria habe durch den Tod hindurch diese Gemeinschaft mit ihrem Sohn bewahrt, sie sei ganz und gar - eben mit Leib und Seele - bei Christus im Himmel.

Mariä Himmelfahrt als Hoffnung für jeden Gläubigen

Dieser Blick in die Theologiegeschichte zeigt: Papst Pius XII. hat mit der Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel keine neue Glaubensaussage verkündet. Er hat vielmehr einen uralten Glauben in die Form eines Dogmas gegossen und so einen bereits seit Jahrhunderten praktizierten Glaubensinhalt für die ganze Kirche verbindlich gemacht.

In den Jahren nach der Verkündigung des Dogmas am 1. November 1950 wurde vor allem über den Inhalt diskutiert: Dabei wurde stark herausgestellt, dass die Aufnahme Mariens in den Himmel von ihrer Gemeinschaft mit Christus her zu bestimmen ist. Das heißt: Weil Maria zeit ihres irdischen Lebens mit ihrem Sohn verbunden war, ist sie nach ihrem Tod in die vollendete Christusgemeinschaft eingegangen.

Dass dies nicht nur eine besondere Auszeichnung der Gottesmutter ist, sondern für jeden Glaubenden gilt, hat vor allem Karl Rahner deutlich ausgearbeitet. Er sieht in der himmlischen Vollendung Mariens beispielhaft jene Vollendung vorgebildet, die alle Gläubigen erhoffen. Damit ist das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel ein Glaubensinhalt, der sich verallgemeinert so bestimmen lässt: Der Mensch hat Zukunft in Gott. Wie diese Zukunft aussieht, zeigt sich am Schicksal Mariens auf exemplarische Weise.

Von Fabian Brand (KNA)