Standpunkt

Es ist wünschenswert, dass die Weihe des Erzbistums Berlin irritiert

Veröffentlicht am 26.08.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Weihe des Erzbistums Berlin an die Herzen Jesu und Mariä hat eine Diskussion ausgelöst. Pater Max Cappabianca findet das gut, denn Religion wolle ja gerade irritieren. Statt bilderstürmerisch vorzugehen solle man kreativ mit Traditionen umgehen.

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Die Weihe des Erzbistums Berlin an die Herzen Jesu und Mariens sorgt weiter für Diskussionen. Birgit Aschmann hat in ihrem Standpunkt vom 18. August angemerkt, dass die Gebete, die das Erzbistum Berlin zum "unbefleckten Herzen Mariens" formuliert, irritierten, nach all den Bemühungen von "Maria 2.0" um ein neues Marien- und Frauenbild. Mit Verweis auf die – problematische – Geschichte der Herz-Jesu-Verehrung kritisiert sie die Reaktivierung "einer fremd gewordenen Vergangenheit". Dies zeige, dass es "nicht gut um die Zukunftsfähigkeit der Kirche" steht.

Würde man dieses Argument zu Ende denken, dann müssten wir wahrscheinlich sämtliche Traditionsbestände katholischer Frömmigkeit als toxisch ablehnen. Die Verbreitung des Rosenkranzes ist beispielsweise ohne die Seeschlacht von Lepanto nicht zu verstehen. Dem Gebetssturm zur Gottesmutter "vom Sieg" wurde die Vernichtung der türkischen Mittelmeerflotte am 7. Oktober 1571 zugeschrieben. Bis heute feiern wir den 7. Oktober als Rosenkranzfest – in Zeiten interreligiöser Verständigung politisch völlig inkorrekt! Wie oft ist der in einer Monstranz ausgesetzte eucharistische Herr zu Missionszwecken in, aus europäischer Sicht, "neue Länder" getragen worden, um die "Eroberung" für Christus zu markieren. Ist damit der eucharistische Herr nicht selbst kompromittiert?

Es ließen sich noch viele katholische Traditionsbestände aufzählen, die zu anderen Zeiten in einer Weise verstanden wurden, wie es ein aufgeklärter Katholik heute niemals mehr tun würde. Anstatt bilderstürmerisch vorzugehen, besteht meines Erachtens die Kunst darin, die Tradition – die keineswegs überall in gleichem Maße fremd geworden ist – zu respektieren und kreativ mit ihr umzugehen.

So ist es wichtig, um die Missbräuche katholischer Formen zu wissen und sie zu benennen. Eine schöpferische Weiterentwicklung ist aber möglich und wünschenswert. Das hat das Erzbistum versucht: So hat der Generalvikar jüngst darauf hingewiesen, dass der Weiheakt theologisch noch viel früher ansetzt, nämlich in der mittelalterlichen Theologie, die ein besonderes Gespür für den menschlichen und leidenden Jesus hatte. Das ist katholische Strategie schlechthin: Re-form als Rückkehr zum Ursprung ("ad fontes"): Aber eben nicht in der Negation des Gewachsenen, sondern in der Weiterentwicklung des Empfangenen, das – so unser katholischer Glaube – ebenso eine Quelle der Offenbarung ist.

In säkularen Städten wie Berlin werden Herz-Jesu-Darstellungen vor allem als Modeaccessoire wahrgenommen. Wenn die Weihe des Erzbistums Berlin an die Herzen Jesu und Mariä "irritiert", wie der Artikel von Birgit Aschmann überschrieben war, dann wäre das sogar wünschenswert. Denn Religion will ja gerade Unterbrechung (Metz) sein und irritieren und so Einfallstor werden für ein Mehr! Vielleicht ist das dem Erzbistum Berlin mit diesem archaischen Weiheakt gelungen!

Von Pater Max Cappabianca

Der Autor

Der Dominikaner Max Cappabianca ist Leiter der Katholischen Studierendengemeinde Hl. Edith Stein in Berlin.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.