Philipp Amthor: Mein Glaube ist für mich kein Mittel zur Imagepflege
An diesem Samstag tritt die Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum Berlin zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Erstmals dabei ist dann auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der im Frühjahr neu in das Gremium gewählt wurde. Um die Wahl des 27-Jährigen war im Juni – im Zuge der Debatte um dessen Nebentätigkeit für das New Yorker Start-up "Augustus Intelligence" – unter Katholiken eine heftige Debatte entbrannt. Im Interview nimmt Amthor nun erstmals ausführlich Stellung zu den Vorwürfen gegen seine Person. Außerdem äußert er sich zu seinen Plänen im Diözesanrat, zu seiner Haltung in Sachen Zölibat und Frauenpriesterweihe sowie zu der Frage, ob er mit seiner Nebentätigkeit für "Augustus Intelligence" an seinen eigenen moralischen Ansprüchen als Christ gescheitert ist.
Frage: Herr Amthor, an diesem Samstag findet die konstituierende Sitzung der Vollversammlung des Berliner Diözesanrats statt – mit Ihnen als einem der neugewählten Mitglieder. Freuen Sie sich auf die Mitarbeit in dem Gremium?
Amthor: Auf jeden Fall. Ich habe es als ein Zeichen der Wertschätzung empfunden, dass ich für die Mitarbeit im Diözesanrat vorgeschlagen wurde. Die Initiative dazu ging nicht von mir aus, sondern von dem engagierten Stralsunder Katholiken Sebastian Tacke, der sich schon im Diözesanrat engagiert. Er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, meine persönliche Perspektive in den Rat einzubringen – als "Diaspora-Katholik" aus Vorpommern und als erwachsengetaufter Christ. Dazu habe ich mich gern bereiterklärt und freue mich, dass ich für die neue Amtsperiode in die Vollversammlung gewählt wurde.
Frage: Die Wahl fand bereits Anfang Mai statt, öffentlich bekannt wurde sie aber erst Mitte Juni und damit fast zeitgleich mit den Veröffentlichungen des "Spiegel" über Ihre Nebentätigkeit für das New Yorker Start-up "Augustus Intelligence". In diesem Zusammenhang geriet dann auch die Wahl in den Diözesanrat in die Kritik. Wie intensiv haben Sie damals speziell diese Debatte verfolgt?
Amthor: Sehr intensiv und ich habe sie sehr ernst genommen. Deshalb habe ich gegenüber dem Vorstand auch sofort meine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Es geht mir mit meinem Engagement für den Rat schließlich darum, die Interessen des Erzbistums und der hier lebenden Katholiken konstruktiv und glaubhaft zu unterstützen.
Frage: Ihre Wahl in den Diözesanrat wurde unter engagierten Katholiken kontrovers diskutiert. Marcel Hoyer, der Geschäftsführer des Gremiums, berichtete wenige Tage nach den ersten "Spiegel"-Veröffentlichungen, dass er viele Gespräche mit Menschen geführt habe, die mit Blick auf Ihre Mitarbeit im Diözesanrat große Sorgen artikuliert hätten. In einem Offenen Brief äußerte eine Gruppe junger Katholiken sogar "grundsätzliche Zweifel" an Ihrer Eignung. Konnten Sie die Kritik in dieser Deutlichkeit nachvollziehen?
Amthor: Genau darüber habe ich mit dem Vorstand gesprochen. Grundsätzlich gehört es dazu, dass man als Politiker in der Öffentlichkeit steht und sich auch Kritik gefallen lassen muss – das ist völlig in Ordnung. Im Umfeld der Debatte gab es aber auch nicht nur berechtigte Kritik, die ich mir zu Herzen nehme, sondern auch sehr viel Unterstützung und Ermutigung für meine Arbeit – auch und gerade für mein Engagement im Diözesanrat. Meine Bereitschaft zur Mitarbeit in der Vollversammlung sehe ich als Unterstützungsangebot für die Anliegen der Katholiken im Erzbistum Berlin, für das es nach wie vor einen Bedarf gibt.
Frage: Gehen wir die Hauptkritikpunkte doch einmal gemeinsam durch: Einige Katholiken haben kritisiert, dass Sie nur ein knappes halbes Jahr nach Ihrer Taufe in das höchste Laiengremium des Erzbistums berufen wurden. Was sagen Sie dazu: Sind Sie für die Mitarbeit im Diözesanrat zu unerfahren?
Amthor: Es geht in einem solchen Gremium doch wohl nicht nur um Erfahrung, sondern auch um Vielfalt. Meine Taufe im vergangenen Jahr war ja auch kein Schnellschuss, sondern das Resultat eines längeren, bewussten Weges, auf dem ich mich intensiv mit meinem Glauben auseinandergesetzt habe. Insofern bin ich trotz aller Demut vor der neuen Aufgabe auch davon überzeugt, dass ich eine zusätzliche Perspektive in die Vollversammlung einbringen kann. Genau danach wurde ich ja auch gefragt. Und noch einmal: Ich habe mich dem Diözesanrat in keiner Weise aufgedrängt, sondern ich wurde gefragt, ob ich mir eine Mitarbeit vorstellen könne, und dafür wurde ich gewählt.
„Ebenso wie ich es als direkt gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestags als meine Pflicht ansehe, mich für meinen Wahlkreis einzusetzen, sehe ich mich als Katholik in der Verantwortung, mich in meiner Kirche zu engagieren.“
Frage: Ein weiterer Kritikpunkt lautete, dass Sie mit Ihrer Mitarbeit im Diözesanrat vor allem eigene Interessen verfolgen würden – konkret: die Pflege Ihres konservativen Images. Was erwidern Sie darauf?
Amthor: Im Diözesanrat geht es mir nicht um Politik und nicht um mich selbst, sondern um die Sache. Das gilt gerade auch für den eigenen Glauben, den man gar nicht authentisch leben kann, wenn man es damit nicht ernst meint. Mir persönlich gibt mein Glaube viel Kraft und Halt, er ist für mich kein Mittel zur Imagepflege. So zu denken, fände ich unanständig.
Frage: Sie betonen sehr, dass Sie sich dem Diözesanrat nicht aufgedrängt hätten und bezeichnen Ihr Engagement als "Unterstützungsangebot". Das klingt nach einem durch und durch selbstlosen Engagement. Aber Sie werden sich von Ihrer Mitarbeit doch auch selbst einen Vorteil versprechen, oder?
Amthor: Wie gesagt: Mir geht es um die Sache. Ebenso wie ich es als direkt gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestags als meine Pflicht ansehe, mich für meinen Wahlkreis einzusetzen, sehe ich mich als Katholik in der Verantwortung, mich in meiner Kirche zu engagieren – zumal dann, wenn ich dazu aufgefordert werde.
Frage: Politisch gehören Sie zum konservativen Lager Ihrer Partei und Fraktion. Das zeigt sich auch bei Themen, die aus kirchlicher Perspektive relevant sind: Sie sind gegen Abtreibungen und gegen die "Ehe für alle"...
Amthor: Moment, wir haben in beiden Fällen eine geltende Rechtslage, die ich als gesellschaftlichen Konsens respektiere. Dass so etwas bisweilen schon skandalisiert wird, finde ich ehrlich gesagt merkwürdig.
Frage: Aber Sie würden die geltende Rechtslage bei Schwangerschaftsabbrüchen gerne verschärfen, oder?
Amthor: Für mich steht der gesellschaftliche Konsens im Vordergrund, den wir in Deutschland mit den Paragrafen 218 und 219 StGB weitestgehend gefunden haben. Ich bin froh, dass es bei uns einen solchen Kompromiss gibt und wir uns nicht zwischen polarisierten Extremen bewegen – wie etwa in den USA. Dieses Paket sollte man nicht aufschnüren.
Frage: Wie stehen Sie zu anderen "heißen Eisen" in der Kirche? Was ist etwa Ihre Position mit Blick auf den Zölibat?
Amthor: Lassen Sie mich im Zusammenhang mit "heißen Eisen" zunächst etwas Grundsätzliches sagen: Es ist mir auch als Abgeordneter des Bundestags immer wichtig, im sogenannten vorpolitischen Raum nicht als Parteipolitiker zu agieren. Ich bin als direkt gewählter Abgeordneter schließlich nicht nur der Abgeordnete meiner Wähler, sondern ich vertrete alle Bürger in meinem Wahlkreis. Insofern noch einmal: Ich will auch im Diözesanrat keine Parteipolitik machen, sondern mich für die Interessen der Katholiken im Erzbistum Berlin einsetzen. Haben Sie deshalb an dieser Stelle bitte Verständnis für ein wenig Zurückhaltung. Natürlich habe ich zum Zölibat und anderen Streitfragen eine persönliche Meinung. Ich erkenne aber an, dass man auch eine andere Meinung haben kann. Das ist übrigens die typische Toleranz eines Konservativen, als der man immer annimmt, dass auch andere recht haben könnten. Aber nun zu Ihrer Frage: Dass wir in unserer Kirche so intensiv über den Zölibat diskutieren, hat sicher vor allem mit dem zunehmenden Priestermangel zu tun, den wir auch in Vorpommern spüren. Ich bin allerdings skeptisch, dass wir dieses Problem durch eine Abschaffung des Zölibats lösen könnten und ich will auch daran erinnern, dass wir die Perspektive der Weltkirche nicht ausblenden sollten.
Frage: Und wie bewerten Sie die laufende Diskussion um die Rolle der Frau in der katholischen Kirche? Frauen sind vor Ort in der Regel ja diejenigen, die das Gemeindeleben entscheidend tragen. Doch zu den höheren Ämtern in der Kirche haben Sie kaum Zugang, und das Priesteramt ist ihnen sogar vollverständig verschlossen.
Amthor: Wir sollten unsere Kirche als Ganzes und nicht nur die Weiheämter betrachten. Dann sieht man natürlich die vielen tollen Frauen, die vor Ort das Gemeindeleben tragen, aber eben auch Frauen in Führungspositionen, etwa unsere Berliner Caritas-Direktorin oder die Leiterin des Katholischen Büros in Schwerin sowie die kompetenten Mitarbeiterinnen im Bistum. Entscheidend ist: Auch in der katholischen Kirche sind Leistung und Qualifikation bei der Vergabe von Stellen die entscheidenden Kriterien – und da sind Frauen nun mal keinen Millimeter schlechter als Männer. Frauen in Führungspositionen werden deshalb auch in unserer Kirche eine Selbstverständlichkeit.
Frage: Aber die Priesterweihe für Frauen lehnen Sie ab?
Amthor: Erneut: Gerade wir als Katholiken können die Perspektive der Weltkirche nicht vernachlässigen. Das wird nicht im Erzbistum Berlin entschieden. Dennoch wäre es falsch, aus einer gewissen Skepsis gegenüber der Priesterweihe von Frauen abzuleiten, dass Frauen in der katholischen Kirche keine Rolle spielen sollten – das Gegenteil ist der Fall.
Frage: Kommen wir noch einmal zurück auf Ihre Wahl in den Diözesanrat. Nach den Diskussionen um Ihre Person haben Sie Anfang Juli ein Gespräch mit dem Vorstand geführt. Wie ist dieses Gespräch verlaufen? Hat man dabei von Seiten des Vorstands Forderungen an Sie herangetragen – etwa mit Blick auf die weitere Aufarbeitung Ihrer Nebentätigkeit für "Augustus Intelligence"?
Amthor: Der Vorstand und ich haben damals Vertraulichkeit vereinbart. Nur so viel: Hätte man sich von mir kein Engagement im Diözesanrat mehr gewünscht, wäre ich bereit gewesen, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen.
„Mein Glauben war mir in den vergangenen Wochen tatsächlich eine ganz besondere Stütze. Er hilft mir – nicht nur im Licht der jüngsten Ereignisse – dabei, mein persönliches Handeln selbstkritisch zu hinterfragen.“
Frage: Trotzdem werden auch in der Vollversammlung Kritiker Ihrer Person sitzen. Wie wollen Sie darauf reagieren? Planen Sie bei der konstituierenden Sitzung eine Erklärung in eigener Sache?
Amthor: Der Diözesanrat hat ganz sicher wichtigere Themen zu behandeln. Die sollten im Vordergrund der Vollversammlung stehen.
Frage: Nach Ihrem fast kometenhaften Aufstieg in den vergangenen drei Jahren hat die Debatte um ihr Nebentätigkeit zum ersten Mal einen deutlichen Schatten auf Sie persönlich und Ihre politische Arbeit geworfen. Juristisch ist die Sache zwar ausgestanden. Fühlen Sie sich trotzdem zumindest nach moralischen Maßstäben schuldig?
Amthor: Der Begriff der Schuld ist gerade für uns Christen eine anspruchsvolle Kategorie. Für mich ist jedoch klar: Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch politisch klug. Diese aufgeworfene Kritik nehme ich an und habe deswegen meine Nebentätigkeiten beendet.
Frage: Der Frage nach der moralischen Schuld sind Sie jetzt ausgewichen. Deshalb noch einmal nachgefragt: Im Mai haben Sie in einem Interview gesagt: "Gerade wir als Politiker sind natürlich gefordert, nach höchsten moralischen Standards zu handeln." Diesen Anspruch haben Sie mit Blick auf Ihre Nebentätigkeit für "Augustus Intelligence" doch spektakulär verfehlt, oder?
Amthor: Gerade weil das mein Anspruch ist, habe ich umfassend die Konsequenzen gezogen und meine Nebentätigkeiten beendet. Gegenüber der Bundestagsverwaltung als zuständiger Stelle habe ich den Vorgang vollständig und umfassend offengelegt.
Frage: Sie haben vorhin gesagt, dass Ihr Glaube Ihnen Kraft und Halt gibt. Wie war das denn in den vergangenen Wochen? War Ihnen der Glaube in dieser Zeit eine besondere Stütze? Haben Sie vielleicht auch mal in der Bibel gelesen, was dort zu Sünden und Vergebung geschrieben steht?
Amthor: Mein Glauben war mir in den vergangenen Wochen tatsächlich eine ganz besondere Stütze. Er hilft mir – nicht nur im Licht der jüngsten Ereignisse – dabei, mein persönliches Handeln selbstkritisch zu hinterfragen. Der christliche Glauben geht ja von einer gewissen menschlichen Fehlbarkeit aus, die auch vor einem selbst nicht Halt macht. Das macht keine Fehler ungeschehen, aber es kann dabei helfen, mit einem klaren Kompass aus den Fehlern zu lernen. Das hat mir in den vergangenen Wochen geholfen.