DBK-Vorsitzender Bätzing spricht sich für interreligiösen Feiertag aus
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, hat sich für einen interreligiösen Feiertag in Deutschland ausgesprochen. Ein Tag des Wir-Gefühls und der Besinnung wäre gut für Deutschland, schreibt der Limburger Bischof in einer am Mittwoch in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" veröffentlichten Zwischenbilanz der Corona-Pandemie. Die Corona-Krise habe neben allem Leid auch für eine Unterbrechung des Alltags und eine Überprüfung vieler Denkgewohnheiten und vermeintlichen Selbstverständlichkeiten gesorgt, schreibt Bätzing. "An die tiefgehende Erfahrung einer großen Unterbrechung werden wir uns mit Sicherheit immer erinnern."
Der Bischof schlug vor, "dieser Erinnerung in den kommenden Jahren in unserem Land Form und Gestalt" in Form eines interreligiösen Feiertags zu geben. Judentum, Christentum und Islam hätten die gemeinsame Tradition der wöchentlichen Unterbrechung im Takt der sieben Tage, so der Konferenzvorsitzende unter Verweis auf den muslimischen Ruhe- und Gebetstag am Freitag, den jüdischen Sabbat und den christlichen Sonntag. Bätzing erinnerte zugleich daran, dass Ruhe- und Feiertage in der Bundesrepublik mittlerweile umstritten seien. "Deutschland, wirtschaftlich höchst erfolgreich, aber manchmal kurzsichtig, hat den evangelischen Christen ihren Buß- und Bettag genommen." In einer Zukunft, die bedroht sei durch Segmentierung und Spaltungen, werde aber alles kostbar, was den Zusammenhalt fördert. "Wäre ein solcher Tag des Wir-Gefühls und der Besinnung für Gläubige und Ungläubige nicht ein wunderbares, heilendes Zeichen?"
Positive Auswirkungen von Corona
Bätzing schreibt der Corona-Krise jedoch auch positive Auswirkungen auf die deutsche Gesellschaft zu. Eine lange nicht mehr gekannte Mehrheit habe sich anfangs hinter Angela Merkels Appell versammelt, das Virus ernst zu nehmen. "Das brachte in einer Republik, in welcher der Zusammenhalt zum knappen Gut zu werden drohte, jenes ebenso lange nicht mehr gekannte Wir-Gefühl hervor", so der Limburger Bischof. In seinem Beitrag macht sich Bätzing Gedanken darüber, wie die Deutschen in 30 oder 100 Jahren auf die Gegenwart zurückblicken werden und ob die Pandemie neben aller Angst und Trauer eine zeitgeschichtliche Wende für Politik, Gesellschaft und Kirche markiert. Fest steht für ihn, dass sich die Corona-Zeit ins kollektive Gedächtnis eingraben wird wie etwa die Mondlandung, der 11. September 2001 oder der Mauerfall. "Damals ging es um Freiheit, diesmal geht es um Sicherheit."
"Es ist gut, in einer Republik zu leben, in der es solche Tage gemeinsamer Vernunft gibt", schreibt Bätzing mit Blick auf die erste Phase der Bekämpfung der Pandemie und lobt den Gemeinsinn und den Zusammenhalt, der über alle Parteien hinweg spürbar gewesen sei. Ein großes Lob erhält die Bundeskanzlerin. "Die Rhetorik der starken Männer war ihre Sache nicht", schreibt der Konferenzvorsitzende. "Aber ihr Ernst und ihre Sachlichkeit machten Eindruck." Bätzing verweist darauf, dass auch schlimme Bilder im Gedächtnis bleiben werden. "Vielleicht wird man noch an die einsam gestorbenen Alten von Bergamo denken oder an die Ärzte, Pflegenden und Priester, die sich ansteckten, weil sie den Sterbenden beigestanden hatten." Auch ein Ostern ohne Gottesdienste werde nicht so schnell in Vergessenheit geragten, die Einsamkeit in Altenheimen, Künstler und Selbständige, die um ihre Existenz bangten, eine Wirtschaft am Abgrund, Gewalt in Familien und Hunger und Not in der Welt.
Es bestehe aber daneben die "hoffnungsvolle Erwartung", dass "die große Krise als kraftvoller Innovationsimpuls am Ende zu Gutem geführt haben wird", so Bätzing: "Könnte nicht ein langgezogener Moment der Besinnung und der Entbehrungen das Wir-Gefühl gestärkt haben, den Blick auf das Wesentliche gelenkt und für den Zusammenhalt Europas sowie die Herausforderungen des Klimawandels die richtigen Weichen gestellt haben?" Bätzing stellt sich auch die Frage, was Corona aus dem Rückblick mit der Kirche gemacht haben wird. "Werden Klagen und Empörung über geschlossene Kirchentüren am Ende dazu geführt haben, dass die Kirchen sich nach dem Entzug wieder füllten?" Spannend sei auch die Frage, was sich von den neuen virtuellen Formaten halten werde - etwa von den Streaming-Gottesdiensten, in die so viel Kreativität investiert worden sei. (tmg/KNA)