Neuer Chef der Regentenkonferenz: Priesterseminar hat nicht ausgedient
Vor anderthalb Wochen wurde der Fuldaer Regens Dirk Gärtner zum Vorsitzenden der Deutschen Regentenkonferenz gewählt. Der 42-Jährige tritt damit in bewegten Zeiten die Nachfolge von Hartmut Niehues aus Münster an, denn seit einigen Monaten stehen große Veränderungen in der Priesterausbildung im Raum: Ein Papier der Bischofskonferenz hatte vorgeschlagen, die Studienorte der Seminaristen drastisch zu reduzieren. Gärtner sieht in dem Dokument vor allem ein Bemühen um eine gute Qualität der Ausbildung, wie er im Interview sagt.
Frage: Herr Gärtner, die Priesterausbildung steht derzeit vor vielen Herausforderungen. Welche machen Ihnen besonders zu schaffen? Welche Lösungen schweben Ihnen vor?
Gärtner: Eine Sorge, die ich mit vielen Kollegen teile, ist: Bereits der Weg zur Priesterausbildung ist eine Hürde. Das meine ich primär im Blick auf die Frage der Berufung. Wenn sich heute ein junger Mann mit dem Gedanken trägt, Priester zu werden, dann gilt er in seinem Umfeld bestenfalls als sympathischer Exot. Schlimmstenfalls erfährt er bis in die eigene Familie hinein Ablehnung oder fühlt sich isoliert, weil seine Umgebung im wahrsten Sinn des Wortes sprachlos ist. Daher liegen die ersten Herausforderungen für die Kandidaten und die Ausbilder bereits vor dem Eintritt in ein Priesterseminar. Hier ist nicht nur die Berufungspastoral gefordert, sondern auch jeder einzelne Gläubige. Die Fragen, die sich jeder stellen sollte, lauten: Helfe ich anderen, ihre je eigene Berufung – möglicherweise auch die zum Priestertum – zu entdecken? Ermutige ich junge Menschen dazu, sich auf den Ruf Gottes einzulassen?
Frage: Was ist Ihr Ziel für Ihre Amtszeit als Vorsitzender der Regentenkonferenz?
Gärtner: Meine Aufgabe sehe ich vor allem darin, mich gemeinsam mit den anderen Regenten und den Ausbildungsverantwortlichen der Diözesen in dieser Zeit des Umbruchs für eine qualitätsvolle Weiterentwicklung der Priesterausbildung einzusetzen, die es den Bewerbern ermöglicht, ihre eigene Berufung in der jeweils eigenen Lebensgeschichte wahrzunehmen. Es braucht "Männer des Gebetes" – wie es in den Weiheversprechen heißt – das heißt gestandene Persönlichkeiten des Glaubens. Wichtig ist gleichzeitig eine Diskurs- und Auskunftsfähigkeit, um in unserer Gesellschaft Zeugnis von der Hoffnung zu geben, die uns als Christen erfüllt, wie es schon im Ersten Petrusbrief heißt. Von diesem Ziel her verstehe ich meine Arbeit. Deshalb freue ich mich, an der einen oder anderen Weichenstellung mitarbeiten zu können.
Frage: Ein Papier aus einer Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz schlägt eine umfassende Umstrukturierung der künftigen Standorte der Priesterausbildung in Deutschland vor. Stehen Sie hinter dieser Idee?
Gärtner: Im Abschlussbericht der Arbeitsgruppe, mit der sich auch der Ständige Rat beschäftigt hat, sind zunächst einmal Qualitätskriterien für die Priesterausbildung formuliert, hinter denen meiner Wahrnehmung nach nicht nur die Bischöfe, sondern mehrheitlich auch die Regenten der Priesterseminare stehen. Dieses Ideal ist so noch nicht überall in gleicher Weise erreicht. Es kann sein, dass es an manchen Orten eine hochstehende theologische Ausbildung an den Fakultäten gibt, aber gleichzeitig einen Mangel an qualifizierten Priesterausbildern. An anderen Standorten sehen wir, wie ein gutes Miteinander von Frauen und Männern in der gemeinsamen Ausbildung für den Dienst in der Kirche gelingt, aber möglicherweise ist die Finanzierung dieses Standorts auf Dauer schwierig. Vor diesem Hintergrund gilt es gut abzuwägen, welche nächsten Schritte die Bischöfe, ihre Diözesen und die Verantwortlichen der Ausbildung miteinander gehen wollen.
Frage: Gibt es überhaupt Alternativen zu einer radikalen Zentralisierung der Ausbildung?
Gärtner: Der gegenwärtige Vorschlag der Arbeitsgruppe zielt nicht einfach nur auf Zentralisierung. Es geht vielmehr um die Profilierung von einzelnen Standorten, um den unterschiedlichen Biographien der Kandidaten gerecht zu werden. Am Beispiel der ersten Phase des Studiums – dem sogenannten Propädeutikum – lässt sich das einfach erklären. Ich halte es für durchaus denkbar, dass wir in der Priesterausbildung verschiedene Formen von Propädeutika anbieten. So sollte es zum Beispiel eine Einführungsphase für diejenigen geben, die sehr jung nach dem Abitur den Weg ins Priesterseminar gehen. Und ein weiteres Propädeutikum, für diejenigen, die bereits ein anderes universitäres nichttheologisches Studium abgeschlossen haben oder schon länger im Arbeitsleben gestanden haben. Und möglicherweise ist noch ein Propädeutikum notwendig, das denjenigen offensteht, die keine Hochschulzulassung besitzen, aber dennoch über einen beruflichen Abschluss verfügen und Priester werden möchten. Hier sollte es aus meiner Sicht eine Vielfalt von Zugangswegen geben und nicht einfach eine "Monokultur" in der Priesterausbildung.
Frage: Inwiefern bremsen die Vorbehalte in den einzelnen Diözesen eine tragfähige Entscheidung bei diesem Thema aus?
Gärtner: Meiner Erfahrung nach ist ein neues Projekt gleich welcher Art immer ein Wagnis mit Risiko. Bei einer Entscheidung können wir immer "auf Nummer sicher" gehen und die Bestandswahrung versuchen oder "einen Sprung wagen" und in Personal, innovative Ideen oder neue Formate investieren, die zukunftsträchtig sein können. Das gilt in gleicher Weise für alle unsere kirchlichen Zukunftsentscheidungen – auf der Ebene der Pfarreien, des Bistums, aber eben auch in der Priesterausbildung. Vielleicht müssen wir uns allesamt die Frage neu stellen, ob wir nicht der Versuchung zu viel Raum geben, aus Angst vor dem, was da kommen mag, lieber alles festhalten zu wollen. Mein Eindruck ist, dass das Evangelium uns in dieser Situation zu mehr Mut und Bereitschaft zur Hingabe aufrufen will.
Frage: In einigen Bistümern wohnen die Seminaristen nicht mehr nur in Konvikten oder Seminaren, sondern auch in (Projekt-)WGs außerhalb des Seminars oder teilen sich ihre Flure im Seminar mit Studierenden anderer Fachrichtungen. Hat also das Konzept Priesterseminar als gleichzeitiges Wohn- und Ausbildungshaus ausgedient?
Gärtner: Ziel der Priesterausbildung ist es, die Bewerber in ihrem Menschsein weiter reifen zu lassen. Ein Zusammenleben – gleich welcher Art, ob in einer großen Seminargemeinschaft, einer Wohngemeinschaft im Pfarrhaus oder in einer anderen Form – ist aus meiner Sicht unabdingbar. Gerade das Zusammenleben mit Menschen, die ich mir nicht ausgesucht habe, fordert heraus und bringt mich weiter. Von diesem Ziel her gedacht ist jede Form gemeinschaftlichen Lebens integraler Bestandteil der Priesterausbildung. Daher hat auch das Seminar nicht einfach ausgedient. Aus dem gleichen Grund sehen aber die Rahmenordnung für die Priesterausbildung in der gegenwärtigen Fassung und in der Regel auch die diözesanen Ordnungen vor, dass neben dem Zusammenleben in größerer Zahl immer auch andere Formate des Zusammenlebens möglich und vor allem nötig sind. Die Erfahrungen der Mitbrüder, die in der Ausbildung tätig sind, zeigen, dass sich da neue Erfahrungsräume auftun, wo dem Kandidaten in der jeweiligen Lebensphase solche Formen möglich gemacht werden.
Frage: In der evangelischen Kirche wird über einen einfacheren Zugang zum Pastorenberuf, etwa durch universitäre Quereinsteiger-Studiengänge, Pfarrer-Master etc. diskutiert. Wäre das auch ein Konzept für die katholische Kirche, falls der Vatikan zustimmen würde?
Gärtner: Die Erfahrung derjenigen, die in der Priesterausbildung verantwortlich sind, zeigt: Schon derzeit ist für viele der Weg zum Priestertum die Liebe auf den "zweiten Blick". Das heißt die Bewerber haben sehr oft vielfältige biographische Hintergründe. Mit Blick auf die Studiengänge ist innerhalb der Universitäts-Landschaft momentan eine Differenzierung im Gange. Schon heute gibt es – neben dem klassischen Magisterstudiengang – eine Reihe von berufsorientierenden Bachelorstudiengängen, über deren Weg manch ein Kandidat zu uns gefunden hat. Darauf lässt sich gut aufbauen.