Kirchenasyl: Bayerns Bischöfe stützen angeklagte Äbtissin Thürmer
Bayerns Bischöfe haben sich mit einer wegen Gewährung von Kirchenasyl angeklagten Benediktineräbtissin solidarisiert. "Die Bischöfe sehen keinen Grund für eine Verurteilung", sagte Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz zum Abschluss der dreitägigen Herbstvollversammlung am Donnerstag in München. Mutter Mechthild Thürmer, Leiterin des oberfränkischen Klosters Kirchschletten, habe sich an alle Absprachen zwischen Staat und Kirche gehalten.
Die Ordensfrau sieht sich mehreren Strafverfahren wegen Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt gegenüber, weil sie Frauen in besonderen Notlagen Kirchenasyl gewährt hat. In einem Fall sollte ihr bereits Ende Juli vor dem Amtsgericht Bamberg der Prozess gemacht werden. Er wurde kurzfristig abgesagt, nachdem in zwei weiteren Fällen Ermittlungsverfahren eingeleitet worden waren. Die Bischöfe betonen in der Abschlusserklärung zu ihrem Treffen, sie stünden hinter der Tradition des Kirchenasyls. "Es legt die besonderen humanitären Härten im Rahmen des europäischen Asylsystems offen, die uns gerade erst in Moria vor Augen geführt wurden." Sie forderten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die Rücknahme von einseitig im Jahr 2018 vorgenommenen Verschärfungen beim Kirchenasyl.
Bis zu 28 katholische Fälle im Freistaat
Konkret gemeint damit ist, dass seither Kirchenasyle nicht mehr nur maximal sechs, sondern bis zu 18 Monate dauern können, bis ein Entscheid des Bamf vorliegt. Diese Praxis habe angesichts einer aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig "keinen Bestand", so die Bischöfe. "Daran sieht man, dass wir nicht auf dem falschen Dampfer sind", fügte Marx hinzu. Nach Angaben von Bettina Nickel, Rechtsanwältin und stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros Bayern, gibt es derzeit im Freistaat zwischen 15 und 28 katholische und etwa noch einmal halb so viele evangelische Fälle von Kirchenasyl. Im vor das Gericht gebrachten Fall aus Kirchschletten gehe es um eine junge Mutter aus Eritrea, die in Italien Opfer von Zwangsprostitution geworden sei. Als sie dorthin zurückgeschoben werden sollte, habe Mutter Mechthild sie aufgenommen. Ihr Mann sei als Asylbewerber in Deutschland anerkannt. Die Familie wäre durch die Abschiebung der Mutter "auf unabsehbare Zeit" getrennt worden.
Die bayerischen Bischöfe berieten zudem intensiv über den weiteren Umgang mit Corona. Angesichts der bevorstehenden "dichten Zeit" von Gräberbesuchen im November, Advent und Weihnachten ermutigten sie die Pfarrgemeinden, alle Möglichkeiten bei Gottesdiensten und Brauchtumspflege wie dem Martinsumzug auszuschöpfen. Die Bischöfe gehen davon aus, dass sich bis Jahresende die Rahmenbedingungen wie Abstandsregeln nicht ändern werden.
Den Bischöfen sei "das Signal wichtig: Die katholische Kirche wird an den großen Festen für alle Gläubigen da sein", heißt es in der Abschlusserklärung. "Gerade an Weihnachten soll niemand ausgeschlossen werden, der einen Gottesdienst feiern möchte." Denkbar seien mehrere Feiern, teilweise auch im Freien. Bei Angeboten im Internet wollen sich die sieben bayerischen (Erz-)Diözesen weiter vernetzen. Dazu ermutigten sehr hohe Zugriffszahlen und neue Formate der Verkündigung, die in Bistümern, Verbänden und Gemeinden entwickelt worden seien. Marx sagte, niemand wisse, wie lange die Krise noch dauere. In der Kirche gebe es wie in der Gesellschaft auch die ganze Bandbreite von Reaktionen, von Angst und Sorge bis zu Ungeduld. Der Gottesdienstbesuch sei merklich zurückgegangen. Schutzmaßnahmen vor Ansteckung hätten weiter ihre Berechtigung. "Religionsfreiheit bedeutet nicht die Freiheit, die Gesundheit anderer zu gefährden", sagte Marx.
Bistümer müssten "vielleicht schwierige Entscheidungen fällen"
Die Bischöfe wollen außerdem ihre Ausgaben für gemeinsam finanzierte Einrichtungen zurückfahren. Schon im nächsten Jahr würden die Zuweisungen an den Überdiözesanen Fonds (ÜDF) um einige Prozent reduziert, sagte Marx. Über diesen Zweckverband finanzieren die bayerischen Bistümer mehr als 60 Institutionen, von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) bis zur Landesstelle für Katholische Jugendarbeit. 2019 verfügte der ÜDF laut Geschäftsbericht über einen Etat von fast 40,7 Millionen Euro, der sich wiederum aus der Kirchensteuer speist. Marx deutete an, die Entwicklung bei den Einnahmen sei "noch nicht absehbar". Zu Beginn der Coronakrise sei mit etwas stärkeren Rückgängen gerechnet worden, "jetzt ist es etwas weniger". Die Bistümer müssten "vielleicht schwierige Entscheidungen fällen", ein "schmerzhafter Prozess" sei unvermeidlich. Schulden zu machen wie beim Staat, komme aber nicht infrage für die Kirche.
Die Einrichtung unabhängiger Aufarbeitungskommissionen zu Missbrauchsfällen braucht laut Marx in Bayern noch Zeit. Er warb um Geduld, da die Benennung externer Experten durch den Freistaat und die Einbeziehung von Betroffenen schwierig sei. "Es ist ja nicht so, dass da jetzt zig Leute mitarbeiten wollen", erläuterte Marx. Auch gelte es den Eindruck zu vermeiden, dass sich die Kirche ihre Leute aussuche.
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatte im Juni mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, ein einheitliches Verfahren zur Aufarbeitung in den 27 deutschen (Erz-)Bistümern vereinbart. Dazu gehört die Einsetzung von Gremien, die mehrheitlich mit externen Experten aus Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz und Verwaltung sowie Betroffenen besetzt sind. Marx sagte, die bayerischen Bischöfe wollten diesen Weg gehen. Er hoffe, dass für sein Erzbistum München und Freising bis zum Jahresende "alles steht". Das Bistum Regensburg wolle seinen bereits seit 2016 eingeschlagenen Weg durch den Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung evaluieren lassen, die anderen Diözesen ebenfalls in nächster Zeit Kommissionen in der mit Rörig verabredeten Zusammensetzung einrichten. Dabei sei auch ein überdiözesaner Betroffenenbeirat denkbar. (tmg/KNA)