Die Lockdown-Ausnahme für Gottesdienste ist angemessen
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Werden Religionsgemeinschaften – allen voran die beiden großen Kirchen – im aktuellen Lockdown in unfairer und rechtlich fragwürdiger Weise von der Politik bevorzugt? Seit in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Gottesdienste in Kirchen, Moscheen und Synagogen nicht von den neuen Corona-Beschränkungen betroffen sind, wird diese Frage kontrovers diskutiert. Kritiker behaupten, die Politik sei im Kampf gegen die Pandemie vor der Lobbymacht der Religionen eingeknickt.
Doch stimmt das? Ich denke, nein. Für die Entscheidung, die Religionsgemeinschaften von weiteren Einschränkungen vorerst auszunehmen, gab es gute Argumente – etwa aus juristischer Perspektive. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Gottesdienstverbote im Frühjahr im Grundsatz genehmigt. Zugleich stellte das Gericht damals aber klar, dass solche Verbote einen "überaus schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit" darstellen und deshalb zeitlich befristet sowie ständig überprüft werden müssen. Gottesdienstverbote, das hat Karlsruhe mit seiner Entscheidung klar gemacht, dürfen auch im Kampf gegen eine Pandemie nur eine Ultima Ratio sein.
Und auch aus psychologischer Sicht ist die Entscheidung der Politik richtig: Es mag in unserer Gesellschaft heute für viele Menschen nicht mehr nachvollziehbar sein, doch Gottesdienste können Menschen gerade in einer so dunklen Zeit wie der Corona-Pandemie Trost spenden und neue Kraft geben. Wenn Seelsorger mehr und mehr vor den psychischen Folgen des Virus' warnen – etwa der zunehmenden Vereinsamung insbesondere alter Menschen –, können Gottesdienste zumindest eine kleine Hilfe sein. Sie können den Gläubigen – natürlich unter Einhaltung der notwendigen Abstands- und Hygieneregeln – ein in dieser Zeit seltenes Gemeinschaftserlebnis ermöglichen.
Hinzu kommt: Abgesehen von wenigen Freikirchen waren Gottesdienste in den vergangenen Monaten keine Spreading-Events. Im Gegenteil: Die Religionsgemeinschaften, allen voran die katholische Kirche mit ihren Bistümern, haben sehr früh strenge Schutzkonzepte aufgestellt und deren Einhaltung bis heute gewissenhaft überwacht.
Gleichwohl sind die Religionsgemeinschaften natürlich aufgerufen, ihr "Sonderrecht" nicht übertrieben auszunutzen. Aus dem Entgegenkommen der Politik mitten in der Pandemie erwächst Kirchen, Moscheen und Synagogen eine große Verantwortung. Die Zahl ihrer Präsenzveranstaltungen sollten sie weiterhin so gering wie möglich halten und die Einhaltung der Corona-Regeln weiterhin penibel überwachen. Ansonsten könnte es mit der neuen "Freiheit" der Religionen schnell wieder vorbei sein.