Bericht: Kardinal Woelki meldete Missbrauchsfall nicht nach Rom
Recherchen des "Kölner Stadt-Anzeigers" (Donnerstag) lassen auf Verfehlungen des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki beim Umgang mit einem Fall sexualisierter Gewalt schließen. Wie die Zeitung berichtet, soll Woelki als Erzbischof im Jahr 2015 einen Fall schweren sexuellen Missbrauchs durch einen Düsseldorfer Priester pflichtwidrig nicht an den Vatikan gemeldet haben. Betroffen von den Vorwürfen sei auch Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner (1933-2017).
Nach Darstellung der Zeitung soll Woelki im Jahr 2015 nach Sichtung von Personalunterlagen verfügt haben, dass den einschlägigen Missbrauchsvorwürfen gegen den 1929 geborenen Pfarrer nicht weiter nachgegangen, keine kirchenrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und der Fall nicht an den Apostolischen Stuhl gemeldet wird. Ein solches Agieren von Bischöfen wäre dem Zeitungsbericht zufolge eine kanonische Straftat mit Sanktionen im Höchstfall bis zur Amtsenthebung.
Das Erzbistum erklärte auf Anfrage des "Kölner Stadt-Anzeigers", Woelki habe versucht, den konkreten Tatvorwurf recherchieren zu lassen. Der "sehr verschlechterte Gesundheitszustand" von Pfarrer O. sowie die Entscheidung des Opfers, nicht an der Aufklärung mitwirken und sich keiner Konfrontation mit dem Beschuldigten aussetzen zu wollen, hätten die Einleitung einer kanonischen Voruntersuchung unmöglich gemacht. Dazu sagte der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Anuth der Zeitung, das Kirchenrecht biete keinen solchen Ermessensspielraum.
Woelki sei Priester über Jahrzehnte eng verbunden geblieben
Woelki kannte den 2017 in Düsseldorf gestorbenen Theologen dem Bericht zufolge seit seiner Ausbildungszeit zum Priester. In den Jahren 1983/84 sei er als Praktikant und Diakon in dessen Pfarrgemeinde tätig gewesen. Danach sei er dem Priester über Jahrzehnte eng verbunden geblieben. Von den Vorwürfen habe er nach Bistumsangaben in "allgemeiner" Form bereits 2011 als für Düsseldorf zuständiger Weihbischof erfahren. Kardinal Meisner unterließ laut "Kölner Stadt-Anzeiger" schon damals Schritte, die das Kirchenrecht und die bischöflichen Leitlinien zum Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs vorschreiben.
Das Bistum habe dazu erklärt, der Gesundheitszustand des Priesters sowie der Wunsch des Opfers hätten eine Konfrontation des Beschuldigten mit den Vorwürfen verhindert. Die Tat selbst datiert laut "Kölner Stadt-Anzeiger" in die späten 70er Jahre. Das Opfer sei ein Junge im Kindergartenalter gewesen. Nach heute geltendem Strafrecht hätte der Täter wegen der Schwere des Verbrechens im Fall einer Verurteilung vor einem staatlichen Gericht mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren zu rechnen gehabt. Das Opfer habe den Missbrauch 2010 beim Erzbistum Köln angezeigt. Nach einer Prüfung habe das Erzbistum ihm eine Summe von 15.000 Euro gezahlt.
Kirchenrechtler Anuth sagte, generell sei jede Vertuschung eines Missbrauchsfalls durch den Ortsbischof seit Juni 2019 in Rom meldepflichtig und müsse in einem eigenen kirchlichen Ermittlungsverfahren untersucht werden. Anuths Münsteraner Kollege Thomas Schüller sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger", so wie das Erzbistum selbst die Abläufe und Entscheidungen Woelkis darstelle, habe es sich um eine "unentschuldbare Verfehlung im Amt" gehandelt. (epd)