Vatikan spricht sich gegen allgemeine Corona-Impfpflicht aus
Der Vatikan hat sich gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht ausgesprochen. Es gebe "in der Regel keine moralische Pflicht zur Impfung", heißt es in einer am Montag veröffentlichten Note der Glaubenskongregation. Eine Impfung gegen das Coronavirus müsse freiwillig erfolgen. Allerdings hänge die ethische Bewertung des Impfens "nicht nur von der Pflicht ab, die eigene Gesundheit zu schützen, sondern auch von der Pflicht, dem Gemeinwohl zu dienen", so die Glaubensbehörde. Wer aus persönlichen Gewissensgründen eine Impfung ablehnt, "sollte sich bemühen, durch andere prophylaktische Mittel und entsprechendes Verhalten zu vermeiden", dass er Infektionserreger überträgt.
Außerdem betont die von Kardinal Luis Ladaria und Erzbischof Giacomo Morandi unterzeichnete Note die moralische Verpflichtung von Pharmaindustrie, Regierungen und internationalen Organisationen, Impfstoffe auch für die ärmsten Länder zugänglich zu machen. Dabei dürften für diese Staaten keine Kosten verursacht werden. Sonst werde mangelnder Zugang zu Impfstoffen zu einem weiteren Grund für Diskriminierung und Ungerechtigkeit.
Impfstoffe aus Entwicklung mit Zelllinien von abgetriebenen Föten vertretbar
Weiter stellte das Dikasterium fest, dass die Verwendung von Impfstoffen gegen Covid-19 auch dann ethisch vertretbar ist, wenn zu ihrer Entwicklung Zelllinien abgetriebener Föten verwandt wurden. Dies gelte aber nur, wenn keine anderen, ethisch unbedenklichen Impfstoffe vor Ort zur Verfügung stünden. Der wesentliche Grund für die moralische Zulässigkeit von "als klinisch sicher und wirksam anerkannten Impfungen" sei, dass derjenige, der die Impfung vornehme, nicht mit dem moralischen Übel von Abtreibung kooperieren wolle. Zwar gebe es eine "moralische Pflicht, eine solche passive materielle Kooperation zu vermeiden". Diese ist nach Aussage der Kongregation aber nicht bindend, "wenn eine schwerwiegende Gefahr besteht wie etwa die ansonsten nicht eindämmbare Ausbreitung eines schwerwiegenden Krankheitserregers" wie des Coronavirus.
Die moralisch legitime Verwendung solcher Impfstoffe, so die Glaubenskongregation, bedeute aber keine auch nur indirekte Legitimation für Abtreibungen. Daher seien sowohl "pharmazeutische Unternehmen wie auch staatliche Gesundheitsbehörden aufgefordert, ethisch vertretbare Impfstoffe zu produzieren, zuzulassen, zu vertreiben und anzubieten". Diese sollten weder bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens noch bei den Geimpften selbst Gewissenszweifel hervorrufen.
Anlass für die Erklärung sind Anfragen an die Glaubenskongregation sowie bereits vorhandene öffentliche Stellungnahmen, auch von Kirchenvertretern, mit teils widersprüchlichen Aussagen. Es sei nicht die Absicht der Kongregation, in diesem Fall "über die Sicherheit und Wirksamkeit dieser Impfstoffe zu urteilen, obwohl dies ethisch relevant und notwendig" sei.
Zudem betonten der Präsident des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, und der Moraltheologe Franz-Josef Bormann die Bedeutung einer guten Kommunikationsstrategie bei der bevorstehenden Impfung gegen Covid-19. Es seien trotz vorliegender Priorisierungsliste noch viele Fragen offen und die Bevölkerung wünsche sich Aufklärung, sagte Bormann am Montag im Podcast "Mit Herz und Haltung" der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Bormann schlug daher vor, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung solle eine Broschüre herausgeben mit leicht verständlichen Angaben zur Impfung. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte am Montag grünes Licht für den ersten Impfstoff gegen Covid-19 gegeben. Damit dürfte die Impfkampagne in Deutschland nach Weihnachten beginnen.
Montgomery betonte, dass nicht alle, die jetzt keine Impfbereitschaft zeigten, Impfgegner seien. Er glaube, dass "eine ganze Menge der Zögerer" sich letztlich auch noch impfen lassen werde. "15 bis 20 Prozent kriegen wir nie", so Montgomery. Damit müsse auch umgegangen werden. Montgomery sprach sich zudem für einen Immunitätsausweis aus. Er fände es sinnvoll, wenn Geimpfte auch Privilegien erhielten. Damit ließe sich vielleicht der ein oder andere auch noch von der Impfung überzeugen.
Bormann pflichtete ihm bei. Er halte eine solche Bescheinigung über eine Impfung nicht für falsch. Eine Impfung könne mit solchen Erwartungen verknüpft sein. Es müsse jedoch mit Maß geschehen und dürfe die anderen, die noch nicht geimpft seien, nicht vor den Kopf stoßen.
Bormann für supranationalen Verteilungsmechanismus
Mit Blick auf die Verteilung des Impfstoffs sprach sich Bormann für einen supranationalen Verteilungsmechanismus aus. Und auch sein Gesprächspartner Montgomery bekräftigte: "Wir können den Kampf gegen Sars-Cov-2 nicht in Deutschland gewinnen." Daher sei es sinnvoll und wichtig, ärmeren Ländern bei der Impfstofffinanzierung zu helfen oder die Kosten sogar zu übernehmen.
Der Hauptgeschäftsführer des Entwicklungshilfswerk Misereor, Pirmin Spiegel, rief zudem zu Solidarität mit Schwächeren und verletzlichen Gruppen auf. "Gegen nationale (Impf-)Egoismen hilft die Sorge füreinander", schrieb er in einem am Montag veröffentlichen Blog-Beitrag. Die Pandemie könne nur gemeinsam besiegt werden, nicht jedoch "mit Egoismen und Partikularinteressen".
Die Länder des globalen Südens seien angesichts der künftigen Versorgung mit Impfstoffen gegen das Coronavirus besorgt, so Spiegel weiter. Ihr Leben und Leiden sei jedoch wenig im Blick. Ein Patentschutz auf einen Impfstoff müsse "zur Sicherung des gerechten, weltweiten Zugangs zu Impfstoffen zumindest temporär aufgehoben werden". Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat am Montag grünes Licht für den ersten Impfstoff gegen Covid-19 gegeben. Damit dürfte die Impfkampagne in Deutschland nach Weihnachten beginnen.
Grundsätzlich wirke die Corona-Krise "wie ein Brennglas für multiple gesellschaftliche Missstände", betonte der Misereor-Chef. Globale Krisen hätten sich verschärft: "Krisen, die etwa aus ungerechten Handelsstrukturen, Ausbeutung der Lebensgrundlagen und einem nicht sorgetragenden Umgang mit der Natur resultieren. Krisen wie Hunger, mangelnde Gesundheitsversorgung, eingeschränkter Zugang zu Bildung, Geschlechterungerechtigkeit". Ein "Weiter so" dürfe es nicht geben, mahnt Spiegel. (rom/KNA)