Missbrauchsgutachten: Journalisten-Verbände kritisieren Erzbistum Köln
Ein Pressetermin des Erzbistums Köln zum Thema Missbrauchsaufarbeitung ist auf Kritik des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) gestoßen. Der Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen, Frank Stach, wandte sich am Mittwoch in Düsseldorf gegen die Aufforderung an rund zehn Journalisten, bei einem Hintergrundgespräch eine Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben. Das mache eine berechtigte Berichterstattung unmöglich und erwecke den Eindruck, "man wolle etwas verschleiern".
Die Erzdiözese wollte bei der Veranstaltung Einblick in ein bislang nicht zur Veröffentlichung freigegebenes Rechtsgutachten über den Umgang der Bistumsspitze mit Missbrauchsfällen geben und dabei erläutern, wo es methodische Mängel sieht. Das Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) sollte mit geschwärzten Namen und Orten vorgelegt werden. Mit Unterschrift sollten sich die Medienvertreter dazu verpflichten, nicht über Tathergänge, Täter oder benannte Verantwortungsträger zu berichten. Dies lehnten sie ab, woraufhin die Veranstaltung unterbrochen und ein neues Pressegespräch unter veränderten Bedingungen in Aussicht gestellt wurde.
Zum Alltagsgeschäft von Journalisten gehöre es, dass nicht jede vertrauliche Information zur Veröffentlichung bestimmt sei, so Stach. Aber "schriftliche Geheimhaltungsvereinbarungen" in einem solchen Umfang seien für sie vollkommen unüblich. Das komme "einem Maulkorb" für die Kollegen und Kolleginnen gleich. Bei diesen Verboten frage man sich, über was dann noch berichtet werden dürfe und warum das Bistum überhaupt eingeladen habe. Die Reaktion der Journalisten, die Unterschrift zu verweigern, "war die einzig mögliche", betonte Stach. - Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hatte vor zwei Monaten entschieden, das WSW-Gutachten wegen "methodischer Mängel" nicht zu veröffentlichen, was inner- und außerhalb der Kirche auf Kritik gestoßen war. Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke soll bis März ein neues Gutachten vorlegen. Das Pressegespräch sollte dazu dienen, die Gründe für den Gutachter-Wechsel näher zu erläutern.
Auch katholische Journalisten üben Kritik
Massive Kritik am Erzbistum Köln übte auch die Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP). Dass das Erzbistum eine Verschwiegenheitserklärung von Journalisten gefordert habe, sei "ebenso unglaublich wie unerhört", erklärte die Journalistenvereinigung am Donnerstag in Köln. Das Vorgehen widerspreche journalistischen Grundsätzen der Unabhängigkeit und Transparenz. "Und es konterkariert die Bedeutung unabhängiger Medien im Zuge der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. Es darf hier nichts geben, was den Eindruck einer gelenkten Berichterstattung erweckt."
Zur journalistischen Arbeit gehörten auch Hintergrundgespräche, betont die GKP. Basis dafür sei gegenseitiges Vertrauen. "Der Versuch, ein solches Gespräch und damit das journalistische Wissen um Inhalte des WSW-Gutachtens an im Zweifelsfall juristisch relevante schriftliche Verpflichtungen zu binden, ist für dieses Gesprächsformat vollkommen unüblich. Es ist bezeichnend für den Stil des Erzbistums, ja alarmierend." Die GKP forderte von Woelki erneut die Veröffentlichung des Gutachtens. Die Betroffenen von Missbrauch, aber auch die Öffentlichkeit hätten ein Anrecht darauf, zu erfahren, "ob und wie rechtsstaatliche Grundsätze im Erzbistum Köln eingehalten oder missachtet wurden". Die Kirche müsse sich der Wahrheit stellen. "Und sie darf dabei nicht mit Methoden arbeiten, die Transparenz gefährden und weiteres Vertrauen zerstören." Die GKP sieht Woelki persönlich in der Verantwortung. "Er verursacht einen Kollateralschaden für die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche", heißt es. "Die GKP setzt auf eine Kirche, die keine Medienanwälte braucht, um mit Journalistinnen und Journalisten zu kommunizieren."
Der kommissarische Pressesprecher des Erzbistums, Oliver Schillings, hatte am Dienstag noch einmal die Nicht-Veröffentlichung des WSW-Gutachtens und die anschließende Neuvergabe der Studie verteidigt. Durch die "methodischen Mängel" wäre es nicht möglich gewesen, die Verantwortlichkeiten "sauber" zu identifizieren und zu benennen, sagte Schillings. Gleichzeitig wäre das Erzbistum nicht dem Auftrag gerecht geworden, eine Basis für verbesserte Präventions- und Interventionsprozesse zu schaffen. "Sinn und Zweck des Gutachtens ist es, den Aufarbeitungsprozess solide und gerichtsfest vorantreiben zu können", so Schillings. Ein weiterer Punkt sei der äußerungsrechtliche Aspekt. "Es geht ja auch um lebende Personen und auch da gilt eine Unschuldsvermutung erst einmal", sagte der Sprecher. Mit dem WSW-Gutachten sei es nicht möglich, "gerichtsfest auch in Streitigkeiten reinzugehen oder in einem positiven Sinne auch eine Unschuldsvermutung zu bestätigen oder eben bezweifeln zu können". (tmg/KNA)
7.1., 10:50 Uhr: Ergänzt um GKP.