Standpunkt

Lektorinnen, Akolythinnen – und Diakoninnen?

Veröffentlicht am 15.01.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Dass Papst Franziskus Frauen als fest bestellte Lektorinnen und Akolythinnen zulässt, ist für Gudrun Sailer Anlass zur Freude – vor allem zur Mit-Freude. Auswirkungen auf die Debatte um das Frauendiakonat habe das Dekret jedoch nicht, meint sie.

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Es war wieder einmal ein "Ja!"-Moment, dieses Dekret von Franziskus. Aus mehreren Gründen: Es verwirklicht – endlich – die Gleichstellung von Frauen und Männern im Laienstand für liturgische Dienste, einem der letzten Refugien der Ungleichheit zwischen weiblichen und männlichen Laien im Kirchenrecht. Es verdeutlicht, dass Laien als Laien, und nicht als verkappte Kleriker, Platz im liturgischen Dienst haben. Es setzt nachträglich ins Recht, was bisher an vielen Orten schon Praxis war, Lektorinnen nämlich und Kommunionspenderinnen, und weist zugleich der Praxis einen neuen Weg, indem es anregt, diese Dienste als lebenslange Beauftragungen zu institutionalisieren und ihnen dadurch mehr Strahlkraft zu verleihen; da hatte die Wirklichkeit an einer Ecke das Kirchenrecht überholt, und mit dem Dekret überholt nun das Kirchenrecht die Wirklichkeit.

Es waren zuletzt mehrere römische Bischofssynoden gewesen, auf denen die Forderung laut wurde, auch Frauen in die beiden Dienste zuzulassen. Paul VI. hatte 1972 verfügt, dass sie aus Respekt vor der Tradition männlichen Laien vorbehalten sein sollten. "Diese Tradition hat wirklich keinen Sinn mehr!", erklärte mit Nachdruck der Wiener Kardinal Christoph Schönborn in der Vollversammlung der Amazoniensynode 2019, der Papst hörte zu. Davor war dasselbe Ansinnen bei den Synoden über Neuevangelisierung und Jugend zur Sprache gekommen. Jetzt ist es durch. Das Dekret von Papst Franziskus beweist, dass innerkatholische Debatten, ja Forderungen, auch nach 49 Jahren noch ans Ziel kommen können, wenn sie sinnvoll sind.

Eine Querverbindung zum Frauendiakonat lässt sich, meine ich, mit dieser Öffnung nicht ziehen. Der Papst will den Dienst von Laien, Frauen und Männern, in der Liturgie stärken. Es ist ein Schritt weg von der Klerikalisierung von Laien, was man vom Frauendiakonat zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar sagen kann. Die – legitime – Debatte um den Frauendiakonat unterliegt ohnehin einer Engführung, wenn dieses Dienstamt vorrangig mit dem Bild der Frau am Altar verknüpft wird. Diakonie ist Dienst am Nächsten, nicht Dienst am Priester bei der Messe. Franziskus rät den Bischöfen sogar ausdrücklich: "Entfernt die Diakone vom Altar", wie er auf Besuch im päpstlichen Laienrat einmal verriet. Diakone seien "Hüter des Dienens, keine Messdiener erster Klasse oder Priester zweiter Klasse".

Dasselbe müsste dann für Katholikinnen gelten, die zum Diakonat berufen sind. Diakonie scheint eine eher unterschätzte Grunddimension der Kirche, auch wenn Franziskus beständig daran arbeitet, das zu ändern.

Als "kleine kanonische Revolution" hat das Schweizer Portal "kath.ch" das Dekret bezeichnet. Sicher, in Deutschland und anderswo reibt man sich die Augen: Revolution...? Sind Lektorinnen, Kommunionspenderinnen, Messdienerinnen nicht schon längst im Dienst? Sind sie, Gott sei Dank. Aber eben nicht "institutionell" und auch nicht überall. Weltkirchlich gesehen, darf man sich in Deutschland jetzt einfach mal mitfreuen mit den Schwestern – und Brüdern – da draußen. Und man darf auch darauf hoffen, dass dieser neue Dienst für Laien segensreiche, weite Kreise zieht. Traditionen können enden. Neue Traditionen können entstehen.

Von Gudrun Sailer

Die Autorin

Gudrun Sailer ist Redakteurin bei "Vatican News".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.