Papst und Bischöfe mahnen gerechte Verteilung an und setzen Zeichen

Appell an die Solidarität: Die Kirche und die Corona-Impfungen

Veröffentlicht am 22.01.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Stellungnahmen, Aufrufe, Vollzugsmeldungen oder Ankündigungen, es machen zu lassen: Mit ihren Mitteln versuchen Kirchenvertreter, die Menschen von einer Corona-Impfung zu überzeugen. Leitend ist dabei der Gedanke an die Gefährdeten und Bedürftigen.

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Papst Franziskus hat keine Zeit verloren. Gleich am ersten Tag der vatikanischen Impfkampagne erhielt der Pontifex die erste Dosis des Vakzins, das ihn gegen Covid-19 immunisieren soll. Sicher: Mit 84 Jahren gehört er zu den tendenziell gefährdeteren Menschen – noch dazu, weil er seit einer schweren Erkrankung in jungen Jahren nur noch einen funktionsfähigen Lungenflügel besitzt. Doch auch, wenn der Vatikan die Impfung des Pontifex nur sehr zögerlich bestätigte und bewusst keine Fotos veröffentlichte: Dass der Papst sich baldmöglichst vor einer lebendbedrohlichen Krankheit schützt, die die ganze Welt seit rund einem Jahr in Atem hält, ist angesichts der teils emotionalen Debatte um die Corona-Impfungen ein deutliches Zeichen – und passt zu den Stellungnahmen, die man in den vergangenen Monaten aus dem Vatikan vernommen hat.

Noch kurz vor seiner Impfung hatte Franziskus betont, dass aus ethischer Sicht jeder Mensch den Impfstoff nehmen sollte. Wer es nicht tue, setze nicht nur das eigene, sondern auch das Leben anderer aufs Spiel. Für eine "selbstzerstörerische Verweigerungshaltung" habe er kein Verständnis, so der Papst. Er könne sich nicht erklären, wieso manche Skeptiker eine Impfung für gefährlich hielten: Wenn die Ärzte das Präparat für unbedenklich erachteten, spreche nichts dagegen. Auch vatikanische Stellen rufen nachdrücklich zur Teilnahme an Corona-Impfungen auf. "Du spielst mit deiner Gesundheit, du spielst mit deinem Leben, aber du spielst auch mit dem Leben anderer": Diese Zitat von Papst Franziskus verwendete die Päpstliche Akademie für das Leben, ein medizinethischer Thinktank des Vatikans, am Dienstag in einem Tweet.

Kirchenvertreter unter Verschwörungsideologen

Doch diese Positionen teilt längst nicht jeder in der Kirche. Zuletzt machte sich der emeritierte Erzbischof der mexikanischen Diözese Guadalajara, Kardinal Juan Sandoval Íñiguez, eine weitverbreitete Behauptung von Verschwörungsideologen zu eigen und sagte, dass der US-Software-Milliardär Bill Gates hinter der Verbreitung des Coronavirus stecke und mit der Impfung gegen Covid-19 ein Chip in die Körper der Menschen implantiert werden solle. Damit schlägt er in eine ähnliche Kerbe wie Erzbischof Carlo Maria Viganò, Ex-Vatikanbotschafter in den USA, der bereits im Frühjahr die Corona-Pandemie als Vorwand zur Errichtung einer Weltregierung bezeichnet hatte und seither mit immer neueren Thesen nachlegt.

Papst Franziskus mit Maske
Bild: ©KNA/CNS photo/Paul Haring

Aus ethischer Sicht sollte sich jeder Mensch gegen Corona impfen lassen, betonte Papst Franziskus in einem Interview. Wenige Tage spälter ließ er sich selbst das Vakzin verabreichen.

Von Stimmen, die das Vakzin und den Zweck der Corona-Impfung in Zweifel ziehen, grenzt sich der Vatikan allerdings deutlich ab. In einer kurz vor Weihnachten veröffentlichten Note spricht sich die Glaubenskongregation zwar gegen eine allgemeine Impfpflicht aus, allerdings hänge die ethische Bewertung des Impfens "nicht nur von der Pflicht ab, die eigene Gesundheit zu schützen, sondern auch von der Pflicht, dem Gemeinwohl zu dienen". Wer jedoch aus persönlichen Gewissensgründen eine Impfung ablehnt, "sollte sich bemühen, durch andere prophylaktische Mittel und entsprechendes Verhalten zu vermeiden", dass er Infektionserreger überträgt. Im Klartext heißt das wohl: Wer sich nicht impfen lässt, soll sich weiterhin so gut es geht isolieren oder zumindest in der Öffentlichkeit Maske tragen.

Gleichzeitig versuchte die Glaubenskongregation, katholischen Impfstoff-Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: Die Verwendung von Vakzinen gegen Covid-19 sei auch dann ethisch vertretbar, wenn zu ihrer Entwicklung Zelllinien abgetriebener Föten verwendet wurden. Dies gelte aber nur, wenn keine anderen, ethisch unbedenklichen Impfstoffe vor Ort zur Verfügung stünden. Daher seien Pharmazie-Unternehmen und staatliche Gesundheitsbehörden grundsätzlich aufgefordert, ethisch vertretbare Impfstoffe zu produzieren und zuzulassen, um weder Mitarbeiter noch Patienten in Gewissenskonflikte zu bringen.

Kein "Impfnationalismus"

Sowohl Papst Franziskus als auch den vatikanischen Behörden war es von Beginn an ein großes Anliegen, dass die Impfmittel global gerecht verteilt werden. Es dürfe keinen "Impfnationalismus" bei der Sicherung der Vakzine geben. Pharmaindustrie, Regierungen und internationale Organisationen stünden unter dem "moralischen Imperativ", einen bezahlbaren Schutz für alle zu gewährleisten, heißt es etwa in einem Leitlinien-Papier zweier vatikanischer Ethik-Gremien. Zum Jahresende sicherte sich der Vatikan 10.000 Dosen, um seine Mitarbeiter und deren Angehörige zu impfen. Franziskus machte das Thema sogar zum Gegenstand seiner Weihnachtsansprache und forderte "Impfstoffe für alle, vor allem für die Verletzlichsten und Bedürftigsten in allen Regionen des Planeten".

Dieselbe Linie fahren auch die deutschen Bischöfe. So erklärte der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst, der Vorsitzende der Unterkommission Bioethik der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), dass geeignete Impfstoffe auch weltweit zu vertretbaren Preisen zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch er sprach sich gegen einen Impfzwang aus, stellte aber klar, dass sich jeder Einzelne seiner Verpflichtung für den Schutz besonders verletzlicher Personen bewusst sein sollte: "Die Bereitschaft zur eigenen Impfung ist konkreter Ausdruck dieser Solidarität", so Fürst.

Eine Krankenschwester haelt eine Dosis des Corona-Impfstoffs in die Kamera.
Bild: ©picture alliance/abaca/IPA/Laporta Salvatore (Symbolbild)

Die Kirche versucht mit ihren Mitteln, das Vertrauen in den Impfstoff und in die Immunisierung zu steigern.

Solidarität ist das große Stichwort bei sämtlichen kirchlichen Stellungnahmen zur Corona-Impfung. Schließlich steigt der Schutz von gefährdeten Gruppen bei einer vorangeschrittenen Durchimpfung der Bevölkerung. In einer care-ethische Sichtweise sei das wichtigste Argument, dass auch Menschen vor einer Ansteckung bewahrt werden, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen können – beispielsweise wegen Allergien oder chronischen Erkrankungen, schreibt die Augsburger Moraltheologin Kerstin Schlögl Flierl, Mitglied des deutschen Ethikrats, in der Januar-Ausgabe der "Stimmen der Zeit". "In einer theologischen Argumentation würde dies heißen, die Option für die Schwächsten zu ergreifen", so Schlögl-Flierl.

Mithilfe zur Vertrauenssteigerung

Das Vertrauen in die Sicherheit des Impfstoffs werde aktuell als der wichtigste Faktor ausgemacht, um die Impfbereitschaft zu erhöhen. "Hier könnte die Kirche in ihren verschiedenen Gliedern, von Amtsträgern bis zu ethischen und medizinischen Spezialistinnen und Spezialisten, einen Beitrag leisten", betont die Moraltheologin. Der Papst, der Vatikan und die Bischöfe tun dafür ihr Möglichstes: Mit ihren Äußerungen und Stellungnahmen machen sie deutlich, dass aus katholischer Sicht nichts gegen die Impfungen spricht, werben sogar für eine Immunisierung und rücken dabei auch die Benachteiligten in den Blick.

Das wirksamste Mittel zur Vertrauenssteigerung dürften allerdings die Vorbilder, sein die hochrangige Kirchenvertreter selbst abgeben: Neben Papst Franziskus hat sich auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. bereits impfen lassen, der, so Erzbischof Georg Gänswein, die Nachrichten verfolge und die Sorge der Menschen bezüglich der Pandemie teile, "angesichts dessen, was auf der Welt passiert, der vielen Menschen, die aufgrund des Virus sterben". Viele Bischöfe haben bereits angekündigt, sich impfen zu lassen, sobald sie an der Reihe sind. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, der vor gut einem Jahr nach einer Krebsoperation einen lebensbedrohlichen Lungeninfarkt erlitten hatte, ließ sich das Vakzin wenige Tage nach Beginn der Impfkampagne in Österreich injizieren – was eine Debatte um die Reihenfolge und eine mögliche Bevorzugung Prominenter auslöste. Doch andere Menschen von der Notwendigkeit des Impfens durch sein Vorbild zu überzeugen, sei ihm diese Kritik "allemal wert" gewesen, betonte Schönborn.

Von Matthias Altmann