Ex-Bundestagspräsident fordert mehr Rechte der Gläubigen

Lammert: Deutsche Kirche muss sich von Vatikan-Bevormundung lösen

Veröffentlicht am 22.01.2021 um 12:34 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ "Wenn die katholische Kirche in Deutschland sich nicht entschließt, sich aus der wohlwollenden Bevormundung von Seiten des Vatikan zu befreien, wird auch der Synodale Weg nicht das angestrebte Ziel erreichen", mahnt der frühere Bundestagspräsident.

  • Teilen:

Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert empfiehlt der katholischen Kirche mehr Mitentscheidungsrechte für die Gläubigen. "Die Kirche der Zukunft braucht kluge Hirten und eine aufgeklärte Herde, die sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst ist und davon Gebrauch macht", sagte der Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung am Freitag bei einer Online-Tagung der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. "Dabei wird man sicher unterscheiden und gleichzeitig eine intelligente Verbindung herstellen müssen zwischen Organisationsfragen und ethisch-moralischen Grundsatzfragen, für die man möglicherweise andere Partizipationsformen braucht."

Der langjährige CDU-Politiker betonte: "Überall da, wo es um einen Interessensausgleich geht, sind demokratische Entscheidungsprozesse allen anderen überlegen." Zugleich betonte er: "Durch die Eröffnung der Mitwirkung von Vielen werden Entscheidungsprozesse komplexer und länger und führen häufig zu Kompromisslösungen. Jedoch wird dadurch auch regelmäßig die Urteilsfähigkeit im jeweiligen Sachverhalt erhöht und das Fehlerrisiko gesenkt." Bei autoritären Entscheidungsprozessen sei das eher umgekehrt.

Lammert führte weiter aus: "Es ist inzwischen ganz unübersehbar deutlich geworden, wie sehr die Frage der Autorität der Kirche in Zeiten dramatischer Veränderung auch von ihrer Fähigkeit und Bereitschaft abhängt, sich mitten in dieser Welt auf deren Herausforderungen und Fragen einzulassen und einzustellen." Auch die Akzeptanz der Kirche hänge maßgeblich von ihrer Bereitschaft und Fähigkeit ab, "Neues anzunehmen und zuzulassen, das bislang vielleicht noch nicht hinreichen zur Entfaltung kommen konnte".

Mit Blick auf den aktuellen Reformdialog der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg, zeigte sich Lammert skeptisch. "Die jüngsten Äußerungen und Interventionen aus Rom bekräftigen meine Hoffnungen nicht", sagte er und riet: "Wir müssen am Ende tun, was wir glauben, verantworten zu können. Und wenn die katholische Kirche in Deutschland sich nicht entschließt, sich aus der wohlwollenden Bevormundung von Seiten des Vatikan zu befreien, wird auch der Synodale Weg nicht das angestrebte Ziel erreichen."

Timmerevers: Kirche hat Nachholbedarf bei Synodalität

Auch der Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers sprach sich für mehr Beteiligung von Gläubigen bei kirchlichen Entscheidungsprozessen aus. "Bei der Synodalität haben wir als katholische Kirche wahrlich Nachholbedarf", sagte der Bischof. In der gegenwärtigen Kirchensituation halte er zwei Aspekte für elementar: "Unsere Bereitschaft zum Lernen und den ernsthaften Willen zu hören."

Timmerevers forderte, eigenes Handeln zu hinterfragen und gegebenenfalls zu revidieren: "So herausfordernd und schmerzhaft es auch sein mag, es ist gut, dass wir als Bischöfe, Getaufte und Kirche derzeit so kritisch angefragt werden." Es komme in diesem Prozess auch darauf an, dass "das Gehörte wichtiger werden muss als mein eigenes Denken". Der Bischof betonte: "Kirche will Synodalität, Solidarität und Dialog." Zugleich wünsche er sich, dass kirchliche Gremien geistlicher würden: "Der Geist Gottes muss größeren Raum in unserem Miteinander haben." Letztlich gehe es darum, gemeinsam einen Weg zu finden, "wie es uns glaubhaft gelingt, die Menschen mit Christus in Berührung zu bringen". (tmg/KNA)