Papst stehe auf einer Ebene mit Judenrettern wie Oskar Schindler

Archivar: Pius XII. verdient Titel "Gerechter unter den Völkern"

Veröffentlicht am 27.01.2021 um 09:13 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem könne Pius XII. ohne weiteres als "Gerechten unter den Völkern" ehren, sagt Vatikan-Archivar Johan Ickx mit Blick auf historische Akten. Der Papst stehe auf einer Ebene mit Judenrettern wie Oskar Schindler.

  • Teilen:

Der wegen seiner Haltung während der Schoah weiterhin diskutierte Papst Pius XII. (1939-1958) steht nach Worten des Vatikan-Archivars Johan Ickx auf einer Ebene mit Judenrettern wie Oskar Schindler (1908-1974). Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem könne Pius XII. ohne weiteres als "Gerechten unter den Völkern" ehren, sagte Ickx, Leiter des Archivs für die auswärtigen Beziehungen des Staatssekretariats, der italienischen Zeitschrift "Famiglia Cristiana" (Ausgabe Mittwoch).

Ickx bezog sich auf historische Akten des Staatssekretariats, die rund 2.800 Hilfeersuchen an den damaligen Papst von schätzungsweise insgesamt 4.800 Personen enthalten. Die Dokumentation wurde laut Ickx von vornherein unter dem Schlagwort "Juden" angelegt - insofern ungewöhnlich, als Dossiers üblicherweise unter Ländernamen geführt würden.

Ickx sagte, der Heilige Stuhl habe beständig und aktiv auch durch das Staatssekretariat Mittel und Wege gesucht, um "so viele Menschenleben wie möglich zu retten". Dieses Wirken habe sich freilich mit der "Unparteilichkeit und diplomatischen Vorsicht" des Vatikan verbinden müssen. Es sei aber falsch zu behaupten, dass Pius XII. und der Vatikan aufseiten der Deutschen gestanden hätten.

Kritik an Ickx durch Oberrabiner

Sämtliche Dokumente des Pontifikats von Pius XII. aus dem Zeitraum von 1939 bis 1948 seien digitalisiert und zugänglich, betonte der Archivar. "Wir haben alle Akten zur Verfügung gestellt und werden das auch weiter mit größter Transparenz tun", so Ickx.

Eine frühere Veröffentlichung einzelner Kuriendokumente durch den Archivar Ickx hatte Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni im März 2020 als "Sensationalismus" kritisiert. So sei bekannt, dass der Vatikan nichts unternommen habe, um einen Zug mit 28 Waggons zu stoppen, mit dem 1.022 Juden aus Rom deportiert wurden.

Pius XII. steht seit langem in der Kritik, zum Holocaust geschwiegen und nicht entschieden genug gegen die NS-Verbrechen protestiert zu haben. Der kürzlich verstorbene deutsche Schriftsteller Rolf Hochhuth löste 1963 mit der Veröffentlichung seines Theaterstücks "Der Stellvertreter" über Pius XII. eine anhaltende Kontroverse über den Papst aus. Zwei Wochen vor Öffnung der Vatikanarchive im vergangenen März waren Forderungen laut geworden, das Seligsprechungsverfahren für den Pontifex zu stoppen. (tmg/KNA)