Aufbruch und Kritik: Online-Konferenz ringt um Zukunft der Kirche
Debatten um die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland haben die zweitägige Online-Konferenz des Synodalen Weges geprägt. Zugleich stand bei der am Freitag beendeten virtuellen Zusammenkunft die Aufarbeitung von Missbrauch auf der Agenda. Erstmals ergriffen Betroffene im Rahmen der von den Bischöfen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) vor einem Jahr gestarteten Initiative das Wort und schilderten ihre Erfahrungen. Sie kündigten an, den Fortgang des Synodalen Wegs aufmerksam weiter verfolgen zu wollen.
Teils deutliche Kritik gab es an Kardinal Rainer Maria Woelki. Das Vorgehen bei der Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln habe Vertrauen zerstört und am "Willen kirchlicher Autoritäten zu vorbehaltloser Aufklärung zweifeln" lassen, hielt das Präsidium des Synodalen Wegs in einem Schreiben fest. Dem Gremium gehören unter anderen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und ZdK-Präsident Thomas Sternberg an. Woelki räumte in einer Wortmeldung Fehler ein und betonte zugleich seinen Willen zur Aufklärung.
Bei den Aussprachen über die Arbeit der Foren deutete sich an, dass trotz kontroverser Ausgangspositionen Grundlagen für weitere Debatten gefunden wurden. Zugleich bemängelten mehrere Teilnehmer eine theologisch abgehobene Sprache in den Entwürfen und Papieren und warnten davor, den Anschluss an gesellschaftliche Diskussionen und Entwicklungen zu verpassen.
Auseinandersetzung mit Sexualmoral besonders herausfordernd
Für das Forum "Macht und Gewaltenteilung" stellten der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und ZdK-Vizepräsidentin Claudia Lücking Michel ein Grundlagenpapier und konkrete Handlungsforderungen vor. Der Münsteraner Bischof Felix Genn und Stephan Buttgereit, Generalsekretär des SKM-Fachverbandes für Menschen am Rande, präsentierten Überlegungen des Forums, das sich mit der Zukunft des in eine Krise geratenen priesterlichen Lebens auseinandersetzt.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser und die familienpolitische Sprecherin des ZdK, Birgit Mock, berichteten über die Arbeit zum Thema Sexualmoral. Die Arbeit des Forums gilt als besonders herausfordernd, weil hier sehr gegensätzliche Positionen aufeinanderprallen. Insbesondere der Umgang mit Menschen in homosexuellen Beziehungen schälte sich als Streitpunkt heraus.
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Spürbar war die Spannung zwischen dem heute rechtlich Möglichen und den Wünschen vieler Teilnehmer beim Thema Rolle der Frauen, das der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode und die Münsteraner Theologin Dorothea Sattler leiten. In diesem Forum gibt es großen Veränderungsdruck, weil viele Teilnehmer beispielsweise eine Zulassung von Frauen zu allen Ämtern erwarten.
Teilnehmer und Beobachter der Konferenz hoben in ersten Statements besonders die Debatten zum Thema Missbrauch hervor. Die Synodale Viola Kohlberger nannte es in einem Interview einen Fehler, Betroffene erst jetzt zum Synodalen Weg dazuzuholen. Ähnlich äußerte sich die Organisation Wir sind Kirche.
Voderholzer: Keine andere Institution hat "so ambitionierte Ziele" bei Aufarbeitung wie Kirche
"Ich bin guter Dinge, dass wir es schaffen, gute Positionen für die katholische Kirche in Deutschland zu finden", sagte Pater Hans Langendörfer, langjähriger Sekretär der Bischofskonferenz und Mitinitiator, bei der Aussprache des Forums zur Sexualmoral. "Aber ich sehe schwarz mit Blick auf die Außenwirkung: Die Gesellschaft interessiert sich nicht für kirchliche Normen zur Sexualität. Die haben kaum Bedeutung über den Raum der Kirche hinaus."
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer sagte, er halte es für falsch, die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs mit der Forderung nach einer Neuaufstellung der katholischen Kirche zu verbinden. Weder demokratische Strukturen noch synodale wie in der evangelischen Kirche hätten so viel zur Aufarbeitung vom Missbrauch beigetragen wie die "von alten weißen Männern" geleitete katholische Kirche. Auch habe niemand bei der Aufarbeitung von Missbrauch "so ambitionierte Ziele formuliert" und bereits beachtliche Ergebnisse erzielt.
Voderholzers Wortmeldung stieß auf Widerspruch anderer Teilnehmer. Der Stuttgarter Stadtdekan Christian Hermes entgegnete, ohne den Druck des Kirchenvolkes und einer demokratischer Öffentlichkeit wäre es mit Blick auf Missbrauch "weitergegangen wie vorher". Zudem könne es nicht helfen, mit dem Finger auf dritte zu zeigen.
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Auch drei internationale Beobachter trugen ihre Bewertungen zum bisherigen Verlauf des Synodalen Wegs vor. Sie äußerten sich im Rahmen der zweitägigen Online-Versammlung, an der fast alle der 229 Synodalen teilnahmen. Die Belgierin Josian Caproens vom Laienrat flämischer Bistümer lobte die Offenheit der Debatte und die "deutsche Gründlichkeit" bei der methodischen Vorbereitung und Durchführung des Synodalen Wegs. Sie betonte, der Weg müsse mehr hervorbringen als unverbindliche Ratschläge.
Es sei wichtig, dass jetzt in Deutschland lange unterdrückte Debatten über Reformen wieder auf der Tagesordnung stehen. Auf diese Weise könne die Kirche in Deutschland mit neuem Schwung ins 21. Jahrhundert gehen. Dieser Weg sei holprig und kurvenreich, aber er müsse beschritten werden. "Der Synodale Weg ist wirklich ein Dienst für die gesamte Weltkirche", so Caproens.
Der Vorsitzende der Nordischen Bischofskonferenz, Bischof Czeslaw Kozon, sagte, der Reformdruck in den skandinavischen Ländern sei weniger groß. Das liege zum einen an einer eher gelassenen Grundeinstellung der Menschen im Norden Europas, andererseits an der Tatsache, dass die Katholiken sich in einer Minderheitensituation befänden.
Beobachter Miron: "Wir können es uns nicht mehr leisten, im eigenen Saft zu schmoren"
Das Zusammenspiel von Priestern und Laien bezeichnete der Bischof von Kopenhagen als weitestgehend einvernehmlich. "Radikale Forderungen" gebe es nicht, auch hätten bislang bekannt gewordene Missbrauchsfälle nicht zu größeren Strukturdebatten geführt. Allerdings gebe es Anfragen an die Zukunftsfähigkeit von Kirche. Zugleich fehle es jedoch an Vorschlägen, wie die Kirche mehr Präsenz in der Zivilgesellschaft zeigen könne.
Erzpriester Radu Constantin Miron von der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland lobte die Vielfalt der ökumenischen Beobachter beim Synodalen Weg: "Das zeigt, dass die Zeit der konfessionellen Abschottung vorbei ist. Wir können es uns nicht mehr leisten, im eigenen Saft zu schmoren. Es gilt immer das Ganze im Auge zu behalten." Er warnte davor, von außen mit "Häme" auf den Synodalen Weg zu sehen und schon allein sein Stattfinden als Indiz zu werten, "wie schlecht es um die Katholiken bestellt sein muss".
Miron erklärte, den Beobachtern falle ein "Transfer-Job" zu: "Wir können Ihre Probleme nicht lösen, liebe katholische Geschwister. Aber wir können jenen Transfer leisten, der ein Verständnis für die Probleme und für die Lösungen, die Sie suchen und finden, auch in unseren Kirchen ermöglicht."
Teilweise litt die Konferenz unter ihren technischen Rahmenbedingungen. "Vor Gott und der IT sind alle gleich", kommentierte Moderatorin Claudia Nothelle. ZdK-Präsident Thomas Sternberg hatte zum Auftakt der Veranstaltung angedeutet, dass die im Herbst geplante Synodalversammlung coronabedingt möglicherweise auch virtuell stattfindet. Dann sollen auch konkrete Beschlüsse gefasst werden, das jetzige Treffen diente dem Meinungsaustausch über die bisherige inhaltliche Arbeit. (rom/KNA)