Kirche in Pandemie auf "Tauchstation"? Ackermann widerspricht ZDF-Chef
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat dem Vorwurf des ZDF-Chefredakteurs Peter Frey widersprochen, die Kirche sei in der Corona-Pandemie "verzagt auf Tauchstation" gegangen. Er empfinde dieses pauschale Urteil als unzutreffend, schreibt Ackermann in einem Offenen Brief an Frey, den das Bistum Trier am Freitag auf seiner Website veröffentlichte. Viele Haupt- und Ehrenamtliche hätten sich "mit großer Kreativität" bemüht, in Kontakt mit den Gläubigen zu bleiben, "und das beileibe nicht nur über das Streaming von Gottesdiensten". Gleichzeitig räumte Ackermann ein, "dass Menschen bestimmt seien von der Angst, etwas falsch zu machen und eine nie dagewesene Verantwortung zu übernehmen".
Frey hatte vergangene Woche in einem Beitrag für die "Zeit"-Beilage "Christ & Welt" die Rolle der Kirche in der Corona-Pandemie analysiert und ihr Verhalten kritisiert. "Die Entschlossenheit, keine Sonderrolle für sich zu fordern, ist so groß, dass sie dabei auch ihre Kernaufgaben vernachlässigt", so Frey. Trotz einzelner Ideen habe sich die Kirche nicht zu neuer Kreativität aufgemacht. Auch als gesellschaftliche Akteure seien die Bischöfe zu wenig in Erscheinung getreten, monierte der ZDF-Chefredakteur. Zudem fehlten der Pandemie und ihren Folgen "bis heute jede spirituelle Vertiefung". Frey ist Katholik und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.
Ackermann: Stimme vielen Beobachtungen zu
Bischof Ackermann betont in seinem Offenen Brief, dass ihm Freys Beitrag grundsätzlich gut gefallen habe, weil er nicht die Widersprüchlichkeiten verdecke, die sich aktuell in vielen Erfahrungen in Gesellschaft und Kirche fänden. Vielen Beobachtungen stimme er "ganz" zu. Besonders angesprochen habe ihn, dass Frey im Verhältnis zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürger vom "Erwachsenwerden" spreche, da sich in der Kirche Ähnliches abspiele: "Übersteigerte Erwartungen an Priester und Bischöfe fallen zusammen wie ein Kartenhaus." Damit wolle er nicht persönliches Fehlverhalten und klerikalistische Selbststilisierung entschuldigen, unterstreicht der Bischof. Allerdings sehe er in der Kirche oft "eine unheilige Allianz zwischen einem übersteigerten Selbstbild des Klerikers und überzogenen Erwartungen der Gläubigen". Dieses System werde aktuell "mit ungeheurer Wucht demaskiert".
Allerdings ließ ihn Freys These, dass die Bischöfe in der Pandemie nicht hör- und sichtbar gewesen seien, ratlos zurück, scheibt der Trierer Oberhirte. Nicht nur Bischöfe hätten vielfach Anregungen angeboten, um die globale Krisensituation im Licht der Glaubensbotschaft zu sehen und dadurch Kraft zu ihrer Bewältigung zu gewinnen. Wie alle anderen Menschen seien zwar auch die Bischöfe den aktuellen Verunsicherungen ausgesetzt. "Ich bin mir aber sicher, dass sich allein in den veröffentlichten Predigten und Texten der deutschen Bischöfe aus den letzten zwölf Monaten genügend Belege für eine spirituelle Vertiefung dieser Krisenzeit finden lassen", so Ackermann. Umgekehrt wünsche er sich vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen, über die üblichen Talkformate hinaus "ein Angebot für Sinnsucher zu kreieren", das die "vermissten" Auseinandersetzungen und Akteure herausfordern könnte. (mal)