Umfrage unter beliebten deutschen Bischofskirchen

So leiden Deutschlands Kathedralen unter der Corona-Pandemie

Veröffentlicht am 15.03.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Corona drückt auf den Geldbeutel – auch bei Deutschlands bekanntesten Kathedralen. Eine Umfrage von katholisch.de zeigt, dass viele Domkirchen aufgrund der anhaltenden Pandemie unter teils erheblichen Einnahmeausfällen leiden. Wie es mit der Finanzierung weitergehen soll, ist noch weitgehend unklar.

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Normalerweise ist der Kölner Dom ein Besuchermagnet. Doch was ist in diesen Zeiten schon normal? Seit Beginn der Corona-Pandemie vor einem Jahr sind die Besucherzahlen in der berühmten Kathedrale dramatisch eingebrochen. Strömten vor der Pandemie täglich rund 16.000 Menschen in das Gotteshaus, waren es aufgrund der Corona-bedingten Einschränkungen in den vergangenen Monaten häufig nur noch ein paar Hundert. Für Gläubige, die sich früher mitunter über den hohen Lärmpegel und das dichte Gedränge im Dom geärgert haben, mag diese Entwicklung ein Segen sein – für den Haushalt der Kathedrale ist sie eine Katastrophe.

Mindestens 2,5 Millionen Euro hat Corona den Kölner Dom allein im vergangenen Jahr gekostet – Geld, das eigentlich fest eingeplant war und für den Unterhalt der Kathedrale dringend benötigt wird. Doch die Touristen, die das Geld vor allem hätten bringen sollen, konnten aufgrund der Pandemie nicht kommen; die meiste Zeit waren im vergangenen Jahr nur Betende und Gottesdienstbesucher im Dom erlaubt. Dadurch blieben Spenden und Kollekten aus, wurden Opferkerzen und Eintrittskarten nicht verkauft. Wie schmerzhaft das für den Haushalt des Doms ist, zeigt sich beispielhaft an der Turmbesteigung: An Spitzentagen klettern sonst bis zu 3.000 Menschen auf den Südturm, ein reguläres Ticket dafür kostet vier Euro. Doch im vergangenen Jahr war der Turm die meiste Zeit geschlossen, zuletzt wurde er am 2. November "bis auf Weiteres" für Besucher gesperrt.

Der Unterhalt des Kölner Doms kostet pro Jahr 12 Millionen Euro

Wie wichtig Spenden und Ticketeinnahmen für den Dom sind, zeigt sich bei einem genaueren Blick auf den Haushalt der Kathedrale. Insgesamt kostet der Unterhalt des Gotteshauses pro Jahr rund 12 Millionen Euro. 57 Prozent der Kosten werden vom Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Köln, dem Erzbistum Köln und dem Zentral-Dombau-Verein getragen; 43 Prozent – also rund 5 Millionen Euro – muss das Domkapitel eigenständig aufbringen. Um diese Eigenmittel zu erzielen, braucht das Kapitel zwingend die Einnahmen aus Domführungen und Turmbesteigungen sowie Spenden aus Kerzenopfern und Kollekten; allein letztere machen in normalen Jahren 18 Prozent der notwendigen Finanzmittel aus.

Bild: ©KNA/Pool/Robert Boecker

Corona hat den Alltag in den Kathedralen komplett verändert und zu hohen EInnahmeausfällen geführt. In vielen Domkirchen (hier ein Domschweizer im Kölner Dom) musste das Personal die Einhaltung der Hygienevorgaben überwachen.

Nach Angaben von Dom-Sprecher Markus Frädrich wird das durch Corona entstandene Defizit derzeit mit Rücklagen ausgeglichen. "Zudem werden einige geplante Projekte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben." Das wichtigste Ziel sei es, dass keiner der 180 Mitarbeiter des Doms entlassen werden müsse. Doch wie lange die finanzielle Lage beherrschbar bleibt, ist unklar – schließlich sieht die Haushaltsplanung des Doms derzeit auch für 2021 ein finanzielles Defizit von mehr als einer Million Euro vor.

Ähnlich wie der Kölner Dom haben auch andere prominente deutsche Kathedralen mit den finanziellen Folgen von Corona zu kämpfen. Etwa das Freiburger Münster, für das der Pressesprecher des Erzbistums Freiburg, Michael Hertl, die Pandemie-bedingten Einnahmeausfälle gegenüber katholisch.de auf bislang rund 400.000 Euro beziffert.

"Ausgeglichen werden können die Ausfälle derzeit nur durch Rücklagen"

Die Gründe dafür sind ähnlich wie in Köln: ausgebliebene Kollekten wegen ausgefallener oder teilnahmebeschränkter Gottesdienste, der geschlossene Münsterturm, ausgefallene Führungen und Veranstaltungen sowie Mindereinnahmen aus dem Verkauf von Opferkerzen. "Einsparungen waren auf der anderen Seite kaum möglich, da etwa das Personal für neu anfallende Aufgaben wie die Kontrolle der Hygienemaßnahmen eingesetzt wurde, damit auf Kurzarbeit verzichtet werden konnte", erläutert Hertl. Und auch wenn für den Unterhalt und die laufenden Kosten der Kathedrale mehrere Träger wie der Münsterbauverein, die Münsterstiftung oder das Erzbistum aufkämen, stellten die Einschränkungen durch Corona für alle Beteiligten eine gewaltige Herausforderung dar. "Ausgeglichen werden können die Ausfälle derzeit nur durch Rücklagen", so Hertl.

Für den Erfurter Dom, der in normalen Zeiten zu den wichtigsten Touristenzielen in Ostdeutschland gehört, gibt Bistumssprecher Peter Weidemann die bisherigen Mindereinnahmen durch Corona mit rund 100.000 Euro an. Zwar sei die Kathedrale im vergangenen Jahr trotz der Pandemie ganzjährig für Gebet und Gottesdienste geöffnet gewesen, "aber es haben keine Führungen stattgefunden und die Besucherzahlen sind allein schon wegen der ausbleibenden Touristen rapide gesunken", so Weidemann.

Mit Klingelbeuteln wird während der Messe die Kollekte eingesammelt.
Bild: ©dpa - Report/Lehtikuva Jussi Nukari

Wegen der Corona-Pandemie blieben im vergangenen Jahr viele Klingelbeutel leer.

Die Einnahmen aus Kollekten, die allerdings nicht nur für den Dom bestimmt sind, sind nach seinen Angaben um rund 75 Prozent zurückgegangen: "Inwieweit das durch direkte Banküberweisungen ausgeglichen wurde, lässt sich nicht beziffern." Ausgeglichen wurden die Verluste laut Weidemann bislang ebenfalls durch Rücklagen – und das werde voraussichtlich auch in diesem Jahr notwendig sein, schließlich sei eine Wiederaufnahme des Normalbetriebs auf dem Domberg bislang nicht absehbar. Doch selbst wenn bald wieder mehr Touristen in den Erfurter Dom kommen sollten: Die bisherigen Verluste würden dadurch wohl nicht ausgeglichen, vermutet Weidemann: "Wer als Tourist 2020 nach Erfurt wollte und durch Corona daran gehindert wurde, wird sich bei einer nachgeholten Reise 2021 oder 2022 wohl kaum zweimal durch den Dom führen lassen."

Ähnlich skeptisch zeigt man sich auch in Aachen. Da die Entwicklung der Pandemie und insbesondere die Frage möglicher Lockerungen nicht absehbar sei, habe man für 2021 "keine begründeten Erwartungen", betont Dom-Sprecherin Daniela Lövenich diplomatisch. Plausibel sei für den Haushalt des Aachener Doms im laufenden Jahr derzeit noch ein Ergebnis in der Größenordnung von 2020. Zwar liege aktuell noch kein geprüfter Jahresabschluss vor, die Corona-Verluste des vergangenen Jahres bewegten sich für alle Aktivitäten des Domkapitels jedoch in einer Größenordnung von rund 400.000 Euro. Als Gründe dafür nennt Lövenich wie ihre Kollegen in Köln, Freiburg und Erfurt Einnahmeausfälle bei Führungen, Eintrittsgeldern, Kollekten und Kerzenverkauf. Außerdem hätten die Personalkosten etwa für die Domschweizer nicht entsprechend gesenkt werden können.

"Die Situation wird in den kommenden Jahren sicher schwierig bleiben"

Ein etwas anderes Bild zeigt sich dagegen in Speyer. Hier berichtet Friederike Walter vom Haus am Dom für 2020 von einem ausgeglichenen Haushalt. Zwar seien durch Corona auch im Speyerer Dom die Einnahmen aus Opferkerzen, Dommusik und Tourismus erheblich geringer ausgefallen als in den Vorjahren. "Da jedoch auch die Ausgaben geringer waren, war der Haushalt des Domkapitels insgesamt ausgeglichen", betont Walter. Gelungen sei dies durch "frühzeitige Maßnahmen" wie Kurzarbeit und die Absage von Veranstaltungen.

Trotzdem bleibt man auch in Speyer vorsichtig. Für 2021 rechnet man mit weniger Kirchensteuermitteln und weiterhin deutlich geringeren Einnahmen in den Bereichen Tourismus und Spenden; deshalb erwarten die Verantwortlichen für das laufende Jahr auch ein Defizit, da man niemanden entlassen wolle und die bereits begonnenen Baumaßnahmen weitergeführt werden müssten. "Wir sind daher dabei, nach weiteren Einsparmöglichkeiten zu suchen. Und wir versuchen, die Einnahmesituation zu verbessern, indem wir zum Beispiel neue Führungsangebote machen", sagt Walter. In beiden Bereichen stoße man aber an Grenzen, schließlich verdiene eine fast 1.000 Jahre alte Kathedrale einen würdigen und verantwortungsvollen Umgang: "Die Situation gestaltet sich somit mit Blick auf 2021 schwierig und wird in den kommenden Jahren sicher schwierig bleiben."

Von Steffen Zimmermann