Standpunkt

Die Kirche braucht ihren Mitarbeitern nicht ins Schlafzimmer zu gucken

Veröffentlicht am 10.03.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Caritas hat einen Flächentarifvertrag in der Altenpflege scheitern lassen – und damit das Thema kirchliches Arbeitsrecht wieder in die Diskussion gebracht. Hier offenbaren sich problematische Machtstrukturen, kommentiert Christoph Paul Hartmann.

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Es ist nicht nur intern beim Synodalen Weg Thema. Auch in der breiteren Öffentlichkeit wird seit der Missbrauchskrise darüber diskutiert: Wer hat wie viel Macht in der Kirche – und welche Strukturen geben sie ihm? Durch die Ablehnung eines Flächentarifvertrags in der Altenpflege durch die Caritas ist zudem wieder einmal klar geworden, dass auch im kirchlichen Arbeitsrecht die Machtstrukturen etwas anders verteilt sind als bei säkularen Arbeitgebern. Aber ist dieser Sonderweg überhaupt erhaltenswert? Denn er gibt der Kirche einige Machtwerkzeuge an die Hand.

Wer für die Kirche arbeitet, dem kann sie in vielen Fällen bis ins Schlafzimmer hineinregieren: Geschieden und zivil wiederverheiratet? Gleichgeschlechtliche Ehe? Je nach Position winkt da schnell die Kündigung. Sicher, die Kirche will durch ihre Mitarbeiter glaubwürdig und authentisch sein, ihre Werte sollen sich auch am Beispiel der Beschäftigten festmachen lassen. Doch so konsequent, wie es manchmal scheint, geht es dann doch nicht zu: Denn in den Medien liest man meist nur von den wiederverheirateten Chefärzten, die gegen ihre Entlassung klagen. Daneben gibt es Tausende Mitarbeiter in weniger prominenten Jobs, bei denen die Kirche dann doch ein Auge zudrückt, wenn die Loyalitätsobliegenheiten nicht restlos erfüllt werden. Spricht das für die Glaubwürdigkeit und Authentizität der Kirche?

Es kommt doch letztlich gar nicht darauf an, ob es ein Paar schafft, eine perfekte Fassade für den Arbeitsvertrag aufrecht zu erhalten. Viel wichtiger ist, ob Mitarbeiter die christlichen Werte in ihrem Alltag leben. Der scharfe Blick ins Schlafzimmer ist da wenig hilfreich, gerade angesichts einer Kirche, die eigentlich für ein ganzheitliches Menschenbild steht.

Es gibt genug Menschen, die hinter diesen Idealen stehen und gern für die Kirche arbeiten. Sie sollten sich von ihrer Leitungsebene gestützt und nicht beobachtet fühlen. Die Kirche braucht keinen ständigen Druck und Macht über das Privatleben, sie hat bessere Argumente. Die könnte sie ohne eigens geschaffene Regeln ganz sicher genauso gut vertreten – mit und durch die Menschen, die für sie arbeiten.

Von Christoph Paul Hartmann

Der Autor

Christoph Paul Hartmann ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.