Rabbiner uneins über Vorschlag zu gemeinsamem Ostertermin an Pessach
Der Professor für Jüdische Theologie an der Universität Potsdam, Rabbiner Walter Homolka, hat den Vorschlag für einen gemeinsamen christlichen Ostertermin am Pessach-Sonntag kritisiert und vor zwiespältigen Reaktionen gewarnt. "Gerade das Pessachfest ist geprägt von der Abkehr des rabbinischen Judentums gegenüber einem sich formierenden Christentum. Pessach und Ostern stehen damit am Scheidepunkt zwischen Judentum und Christentum", sagte Homolka auf Anfrage von katholisch.de am Donnerstag. Was als Zeichen der Würdigung gedacht sei, könne deshalb "schnell als Signal der Vereinnahmung missverstanden werden".
In einem Interview mit "Vatican News" (Dienstag) hatte der Benediktiner und frühere Prior-Administrator der Jerusalemer Dormitio-Abtei, Pater Nikodemus Schnabel, in der Debatte um ein gemeinsames Osterdatum für alle Christen ein Zugehen auf das Judentum und ein gemeinsames Osterfest am Pessach-Sonntag vorgeschlagen. "Das wäre ein starkes Zeichen, nicht nur ökumenisch. Es wäre irgendwie auch eine Verneigung der gesamten Christenheit vor unserem gemeinsamen Fundament, dem Judentum", sagte Schnabel.
Feste fallen ohnehin immer wieder auf den gleichen Tag
Für Homolka seien allerdings die verschiedenen christlichen Kirchen in ihrer Wertschätzung des Judentums unterschiedlich weit fortgeschritten. "Ein solcher Vorschlag würde also die Suche nach einem Kompromiss auf ein gemeinsames Datum für das Osterfest eher erschweren, als erleichtern", so der Rabbiner weiter. Grundsätzlich erkenne er aber die Bemühungen innerhalb der Kirchen um einen gemeinsamen Ostertermin an.
Aus Sicht von Rabbiner Andreas Nachama, dem Vorsitzenden der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, handelt es sich bei der Findung eines gemeinsamen Osterdatums um eine innerchristliche Frage. "Ich finde es aber schön, wenn sich christliche Kirchen ihrer jüdischen Wurzeln bewusster werden", erklärte Nachama gegenüber katholisch.de. Bereits in der Bibel werde beschrieben, wie Jesus mit seinen Jüngern das Pessachfest feiere. Durch die unterschiedliche Berechnung von Pessach und Ostern gäbe es ohnehin immer wieder Jahre, in denen beide Feste auf die gleichen Tage fielen, so Nachama.
Zuvor hatte bereits die katholische Theologin Andrea Riedl, derzeit Lehrstuhlvertretung für Alte Kirchengeschichte und Patrologie an der Universität Regensburg, Kritik am Vorstoß von Schnabel geäußert. Historisch betrachtet, sei die Feier von Ostern am Sonntag nach dem Pessach-Fest "keine Verneigung und kein in-Ehren-Halten von jüdischen Wurzeln, sondern eine bewusste und dezidierte Abgrenzung der Christusanhänger/innen", schrieb sie in einer auf "Vatican News" veröffentlichten Stellungnahme. "Den Vorschlag, das gemeinsame christliche Osterfest zur Überwindung der Kalenderfrage wieder am Sonntag nach dem Paschafest zu feiern, als 'Zugehen auf das Judentum' oder gar als Beitrag zum christlich-jüdischen Dialog zu bezeichnen, muss daher mindestens von jüdischer Seite als unsensibel empfunden werden", so Riedl weiter.
Unterdessen hat der Benediktiner seine Aussagen noch einmal begründet. "Um es ganz klar zu sagen: Nichts ist mir ferner als eine verträumte Romantisierung einer vermeintlich geeint-harmonischen Urkirche, welche es, wie es ja Andrea Riedl zu recht betont, so nie gegeben hat", schrieb Schnabel in einer Stellungnahme bei "Vatican News" am Donnerstag. "Um es schonungslos zu sagen: Die Berechnung des christlichen Jahresostern hatte auf dem Konzil von Nikaia eine anti-jüdische Stoßrichtung, die eben das jüdische 'alte' Pascha durch das christliche 'neue' Pascha abgelöst und ersetzt hat", so der Ordensmann weiter. Diese Theologie schwinge bis heute im christlichen Osterdatum mit.
Innerchristlicher Dialog habe nur im Austausch mit Judentum Zukunft
"Daher mein Vorschlag: Wenn wir Christen uns im 4. Jahrhundert gemeinsam auf ein Osterdatum einigen konnten, und zwar leider auf Kosten unserer jüdischen Geschwister, wäre es nicht jetzt 1.700 Jahre später an der Zeit, gemeinsam mit unseren jüdischen Geschwistern nach einem neuen christlichen Osterdatum zu suchen, das eben nicht durch Abgrenzung zum Judentum, sondern im gemeinsamen Dialog mit ihnen gefunden wird?" In seinen Augen habe die innerchristliche Ökumene nur dann eine Zukunft, wenn sie im ständigen Austausch mit dem Judentum stehe, so Schnabel. "In diesem Sinne möchte ich auch meinen Vorschlag verstanden wissen."
In dieser Woche hatte auch die russisch-orthodoxe Kirche skeptisch auf Vorstöße für ein gemeinsames Osterdatum aller christlicher Kirchen reagiert. Im Kern gehe es um die Frage, wer vom eigenen Termin der Osterfeiern abgehe, sagte der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion. "Wir zum Beispiel haben nicht die Absicht, unser Ostern zu ändern." Aus dem russisch-orthodoxen Kirchenvolk gebe es keine Forderungen nach einer Änderung des Kirchenkalenders.
Zuletzt hatte der Ständige Vertreter des orthodoxen Patriarchats von Konstantinopel beim weltweiten Ökumenischen Rat der Kirchen, Erzbischof Job Getcha von Telmessos, vorgeschlagen, das 2025 anstehende 1.700-Jahr-Jubiläum des Ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa zum Anlass zu nehmen, die Bemühungen um ein künftiges gemeinsames christliches Osterfest voranzutreiben. Der Vatikan hatte den Vorschlag positiv aufgenommen. (cbr)
08.04.2021, 17.15 Uhr: Ergänzt um erneute Stellungnahme von Pater Nikodemus Schnabel