Geistliche Begleiterin: Beim Synodalen Weg wird genug gebetet
Immer wieder werden Befürchtungen geäußert, der Synodale Weg würde zur Spaltung der katholischen Kirche in Deutschland führen. Die geistliche Begleiterin des Reformprozesses, Maria Boxberg, sieht das anders: Aus ihrer Sicht führt der Synodale Weg Menschen eher zusammen. Im katholisch.de-Interview spricht sie auch darüber, wie ein geistlicher Prozess aussehen muss.
Frage: Frau Boxberg, vor Kurzem hat der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke bei einer Podiumsdiskussion kritisiert, ihm fehle beim Synodalen Weg der spirituelle Aufbruch. Teilen Sie als geistliche Begleiterin des Synodalen Wegs diesen Eindruck?
Boxberg: Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, wir brauchen in der gesamten Kirche einen spirituellen Aufbruch, nicht nur auf dem Synodalen Weg. Und ich finde, dass der Weg, den wir bisher miteinander gegangen sind, viele spirituelle Elemente hat und er kann – wenn er weiterhin wirkt und auch andere sich einbeziehen lassen – sehr wohl zu einem spirituellen Aufbruch werden. Nicht nur einfach dadurch, dass mit Pater Bernd Hagenkord und mir eine geistliche Begleitung benannt wurde, sondern auch dadurch, wie die Menschen sich ganz persönlich austauschen, gibt es viele Elemente, von denen ich denke: Sie fördern einen spirituellen Aufbruch. Der Synodale Weg kann dabei Hindernisse aus dem Weg räumen, damit das Evangelium wieder neu an die Menschen herankommt und Wurzeln schlagen kann. Denn das wird ja von allen Seiten gewünscht, egal aus welcher Richtung.
Frage: Nun sagen die einen, dass es keine Strukturreform in der Kirche braucht, sondern nur die Besinnung auf das Evangelium. Die anderen fragen, wie man das Evangelium in der heutigen Zeit überhaupt glaubhaft verkünden kann, wenn aus strukturellen Gründen beispielsweise Macht missbraucht und Frauen ausgeschlossen werden. Kann man Strukturelles und Spiritualität aus Ihrer Sicht überhaupt gegeneinander ausspielen?
Boxberg: Meines Erachtens geht das gar nicht. Wenn man Spiritualität und Struktur gegeneinander ausspielen will, klingt das so, als wenn Spiritualität etwas "softer" ist, ein frommes Mäntelchen über einen Konflikt ausbreitet, also weniger gefährlich ist als eine Diskussion. Im Gegenteil: Es geht darum, dass ich frei und das heißt in guter Beziehung zu Gott, zu Jesus Christus, zu mir und den anderen meinen Platz einnehme, mich in Prozesse hineintraue, deren Ergebnis ich noch nicht absehen kann und gemeinsam mit anderen verantwortbare Entscheidungen treffe. Bildlich gesprochen kann man sagen: Wenn ein Mensch krank ist und eine Operation helfen kann, dann braucht es diese Operation. So gesehen ist auch der Synodale Weg eine Akut-Therapie. Ob der Mensch dann gesund und heil wird, hängt auch von vielen weiteren Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Sinnfindung ab. Strukturreformen sollen ja gerade aus einer geistlichen Grundhaltung erwachsen.
Frage: Bischof Hanke hat auch vor einer Spaltung der katholischen Kirche in Deutschland gewarnt. Man hört solche Befürchtungen immer wieder. Nehmen Sie das beim Synodalen Weg auch so wahr?
Boxberg: Nein, ich teile diese Befürchtung nicht. Und erst recht sehe ich nicht, dass der Synodale Weg der Anlass dafür sein kann. Die Kirche ist an manchen Stellen schon lange zum Zerreißen gespannt. Der Synodale Weg ist jetzt eine gute Möglichkeit, dass Menschen mit verschiedenen Positionen zusammenkommen, einander hören, kritisch hinterfragen und miteinander streiten. Spaltung würde für mich bedeuten, dass Menschen sich verabschieden und etwas Eigenes machen. Gerade der Synodale Weg führt aber Menschen zusammen, die viel Leidenschaft in diese Kirche stecken und sie lieben. Das streite ich niemandem ab, der mitmacht! Vorbehalte, Fragen, Vorwürfe und Verletzungen müssen ja benannt werden, damit man überhaupt ins Gespräch kommen kann. Wir können nicht so tun, als gäbe es diese tiefen, einander widerstrebenden Auseinandersetzungen nicht, nur weil sie bisher oft nicht oder nur verdeckt und in kleinerem Rahmen ins Gespräch gekommen sind.
Frage: Durch die Corona-Pandemie hat sich viel verändert, auch die ganze Arbeit in den Foren und im Plenum. Vieles ist anders, als man das anfangs gedacht hat. Inwiefern hat sich auch Ihre Arbeit als geistliche Begleiterin dadurch verändert?
Boxberg: Zunächst mal allein bei den Terminen: Unsere Arbeit war angefragt worden für die Plenarversammlungen und je nach Anfrage für die Begleitung der Foren. Zusätzlich haben wir Kontakt zu den Geistlichen Begleiterinnen und Begleitern der weiteren Foren aufgenommen, um die Erfahrungen und die Akzente für einen Synodalen Weg als geistlichen Weg zu sammeln und den Mitgliedern der Synodalversammlung vorzulegen, damit klar ist, wie wir uns unsere Arbeit vorstellen können, und auch um Ergänzungen und Kritik einzuholen.
Frage: Was waren das für Punkte, die Sie vorgelegt haben?
Boxberg: Zum einen war es das Ziel des geistlichen Prozesses: Es geht nicht darum, wer die größere Macht oder die stärkeren Argumente hat, sondern den Willen Gottes für die Kirche in Deutschland zu finden. Dazu wollen wir unterstützen, dass immer wieder konstruktiv mit der Verschiedenheit der Einzelnen umgegangen wird, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufmerksam werden für die Realitäten des Lebens – auch für das, was man selbst vielleicht ablehnt. Wir wollen schauen, wo es welche Struktur braucht, damit der Prozess noch geistlicher werden kann. Im Innehalten, Schweigen und im persönlichen oder gemeinschaftlichen Gebet, im Hören auf einander, auf Fremdes, auf gegenteilige Positionen und Lebenserfahrungen wächst Vertrauen in die Versammlung und in das Wirken des Geistes Gottes in ihr. Der Synodale Weg ist ja erst der notwendige und dringende Anfang für eine neue und auch mehr evangeliumsgemäße Kommunikation, Entscheidungsfindung und Struktur in der Kirche in Deutschland.
Frage: In einem katholisch.de-Interview vor dem Start des Synodalen Wegs haben Sie gesagt, dass es auch Ihre Aufgabe ist, im Prozess dafür zu sorgen, dass alle gehört werden und zu Wort kommen. Gelingt Ihnen das bisher?
Boxberg: Natürlich gibt es bei einer Gruppe von über 200 Menschen immer welche, die schnell aufstehen und lange sprechen und genauso andere, die sich eher zurückhalten. Deswegen muss die Redezeit leider manchmal begrenzt werden durch die Moderatoren-Teams. Das hilft dann gerade denjenigen, die sich schwerer tun, vor einer Gruppe zu sprechen. Ich habe den Eindruck, dass sehr viele Menschen zu Wort kommen und dass die, die schnell sind und viel zu sagen hätten, Rücksicht nehmen. Es ist wichtig, dass alle sich trauen, sich zu Wort zu melden – egal ob sie als Einzelne diese Meinung vertreten, oder ob Hunderte sie unterstützen. Jeder Mensch, der dabei ist, ist unverzichtbar für den Prozess – und zwar auch im Plenum.
Frage: Erst am Mittwoch hat Papst Franziskus nochmal davor gewarnt, notwendige Reformen in der katholischen Kirche ohne Beten durchzuführen. Wird beim Synodalen Weg genug gebetet?
Boxberg: (lacht) Ich würde sagen, dass genug gebetet wird. Für manche ist das vielleicht zu wenig oder sie wünschen sich andere Formen. Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen im laufenden Geschehen, in dem Diskussionen und Erörterungen, im Suchen nach Antworten auf die vielfältigen Fragen betend mit Gott, mit Jesus Christus im Gespräch sind. Ich stimme dem Papst zu: Es braucht auf jeden Fall das Gebet – vor allem das der Einzelnen, um sich für den Geist Gottes zu öffnen und wahrzunehmen, wo man selbst steht. Denn nur die Erinnerung, dass wir Kirche sind, macht es allein nicht, sondern das Vertrauen, dass der Heilige Geist sich einmischt und uns führen will und kann.
Zur Person
Maria Boxberg ist Theologin und arbeitet seit Jahren in der Begleitung von geistlichen Entscheidungsprozessen in Gemeinschaften und Teams, häufig bei Ordensgemeinschaften. Sie ist Mitglied der Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL), einer weltweiten Gemeinschaft, die aus der Spiritualität von Ignatius von Loyola lebt. 16 Jahre lang war Maria Boxberg im Vorstand der GCL. Die geistliche Begleitung des Synodalen Wegs übernimmt sie zusammen mit dem Jesuitenpater Bernd Hagenkord.