Zulehner: Kirche kann man nicht über Strukturen retten
Im Versuch "die Kirche über Strukturen retten zu können" sieht der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner die Schwäche der kirchenlichen Reformbewegungen der vergangenen Jahrzehnte. "Wir müssen raus an die Ränder, wie Papst Franziskus fordert. Das ist ebenso wichtig, wie sich mit innerkirchlichen Fragen wie Ökumene oder Homosexualität aufzuhalten", sagte Zulehner in einem Interview mit der Kirchenzeitung der Diözese Linz am Dienstag. In diesen Fragen hätten die Zeit und die Kirchengemeinden die Kirchenleitung zudem längst überholt.
Zulehner äußerte sich im Hinblick auf den vor zehn Jahren gestarteten "Aufruf zum Ungehorsam" der österreichischen Pfarrerinitiative. "Jede Kirchenreform lohnt sich, aber nicht als pfarrergewerkschaftliche Aktion allein", so der Theologe. "Es braucht einen synodalen Weg aller: Dieser kann die Müdigkeit im Kirchenvolk wie in der Bischofskonferenz überwinden. Auf ihm können wir neu lernen, zeitgemäß über den Glauben, über Gott und unsere Hoffnung über den Tod hinaus zu reden." Dadurch habe die Kirche auch die Möglichkeit, sich an gesellschaftlichen Debatten über Euthanasie, "Ehe light", Klima und Migration zu beteiligen und sich um die "Pandemie-Verwundeten" zu kümmern.
Angesprochen auf die Enttäuschung von in Papst Franziskus gesetzten Reformhoffnungen sagte Zulehner, der Papst könne zwar autoritär handeln, er tue dies aber nicht und habe sich vielmehr dazu entschlossen, Entwicklungsprozesse anzustoßen. "Man muss dem Papst gegenüber gerecht sein: Es ist ein Kunststück, die ganze Weltkirche in Bewegung zu bringen, ohne dass diese auseinanderbricht", sagte Zulehner.
"Misstrauen gibt es im Vatikan schon genug"
Große Erwartungen setzt der Theologe in die Weltbischofssynode 2022, der es um Synodalität – für ihn "ein geeignetes Hören aller auf den Geist Gottes heute" – geht. "Wir sollten dem Papst dabei Unterstützung geben. Misstrauen gibt es im Vatikan schon genug." Dabei könnten die Kirchenreformer ihre guten Ideen über die Delegierten der Ortskirchen in die Synode einbringen. "Die Bischöfe sind gefordert, ihre Diözesen mutig in Rom zu vertreten und nicht nur umgekehrt. Die Reformfreude in den Ortskirchen entscheidet letztlich über den Erfolg des Pontifikats. Dann tragen wir auch dazu bei, dass unsere Weltkirche die anstehenden epochalen Herausforderungen meistert."
Die Pfarrerinitiative in Österreich ist ein eingetragener Verein, zu dem nach eigenen Angaben über 380 Priester und Diakone gehören. Der 2011 gestartete "Aufruf zum Ungehorsam" beinhaltet einen Protest gegen die Bischöfe verbunden mit der Forderung nach Reformen in der Kirche. Dieser war von der Österreichischen Bischofskonferenz scharf kritisiert worden. (cbr)