Instruktion auch in einer digitalen Welt noch aktuell

Als die "Magna charta" kirchlicher Medienarbeit erschien

Veröffentlicht am 23.05.2021 um 12:45 Uhr – Lesedauer: 
Fernsehkameras bei einer Pressekonferenz.
Bild: © KNA

Vatikanstadt ‐ Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hatte sich die Kirche geöffnet. Sein Dekret über die Medien blieb aber hinter den Fortschritten des Kirchengipfels zurück. 1971 brachte eine Pastoralinstruktion dann den Durchbruch.

  • Teilen:

Mit 164 Nein-Stimmen erhielt das Medien-Dokument "Inter mirica" 1963 die höchste Ablehnung aller Konzilstexte. Zwar waren die Zeiten vorbei, als Päpste die Presse- und Meinungsfreiheit als "äußerst verabscheuungswert" bezeichneten. Aber das Dekret war nicht auf der Höhe der Zeit und enthielt theoretische Schwächen.

Es war mit heißer Nadel gestrickt und blieb hinter Aussagen von Papst Pius XII. zurück. Die Resonanz in Kirche und Öffentlichkeit war negativ. Das ahnten die Konzilsväter. Schon bei der Verabschiedung kündigten sie eine vertiefende Erklärung durch die neue Medien-Kommission an.

Die erschien mit "Communio et progressio" - Gemeinschaft und Fortschritt - am 23. Mai 1971, nach intensiver Arbeit und unter Einbeziehung herausragender Experten, Journalisten, Intendanten, Verleger. Der Text - 70 Seiten mit 187 Paragrafen - entsprach der Öffnung der Kirche zur Welt. Er fand gerade in der Medienwelt ein positives Echo. Bis heute gilt er als "Magna charta" der kirchlichen Medienarbeit.

Die Medien als "Geschenk Gottes"

Die Instruktion schreibt die Öffnung der Kirche für die Medienarbeit fest. Sie bezeichnet Kommunikations- und Medienfreiheit als Fortschritt und stellt klar, dass die Kirche die öffentliche Meinung braucht. Die Medien seien ein "Geschenk Gottes", da sie die Menschen verbinden und gleichsam um einen "runden Tisch" versammeln.

Der Text trägt den "Eigengesetzlichkeiten" der Medien Rechnung, zollt den Medienschaffenden und ihrer Arbeit Respekt. Er weiß um den Redaktionsalltag mit seinem Zeitdruck und wirtschaftlichen Vorgaben. Er sieht die Sachzwänge der Journalisten, immer etwas Neues bringen und interessant vermitteln zu müssen - ohne Nachrichten aus dem Zusammenhang zu reißen oder unangemessen aufzubauschen. Er ist sich bewusst, dass Skandale und schlechte Nachrichten allemal mehr ziehen als gute. Der Text spricht über Grenzen der Informationen: Sie beginnen dort, wo die Rechte anderer verletzt werden.

Papst Franziskus wird vor Kameras interviewt.
Bild: © picture alliance / abaca /Vandeville Eric

Am Rande der Familiensynode gibt Papst Franziskus Interviews.

Die Instruktion formuliert auch Rechte und Ansprüche der Rezipienten - auf objektive, zuverlässige, vollständige und genaue Informationen. Der Mitteiler muss sich auf den jeweiligen Adressaten einstellen. Die Rezipienten dürften von den Journalisten nicht Perfektion verlangen, hätten aber bei Fehlern Anspruch auf Richtigstellung. Die Rechte der Rezipienten sollten durch berufsethische Normen gesichert werden, die die Journalisten-Verbände selbst vereinbaren sollten, so der Vatikan.

"Communio et progressio" nennt auch Aufgaben für Kirche und Katholiken für die Medienwelt: Sie brauche geeignete Mittel, um sich verständlich zu machen, um intern zu kommunizieren und um ihren Beitrag in die öffentliche Debatte einzubringen. Dazu müssten die Bischofskonferenzen der Kommunikation und den Medien in ihrer pastoralen Gesamtplanung einen zentralen Platz einräumen, mit ausreichend Geldmitteln. Das Papier verlangt einen strukturellen Aus- und Aufbau von Pressestellen in Bischofskonferenzen und Diözesen, Ausbildungsstätten für katholische Journalisten und vielseitige medienpädagogische Programme.

Dissens und Konflikte in der Kirche nicht verschweigen

Verlangt wird aber auch ein sachgerechter Umgang mit Kommunikation. "Wer immer in der Kirche Verantwortung trägt, muss ständig bestrebt sein, durch die Medien umfassende und wahrheitsgemäße Informationen zu vermitteln, damit man ein zutreffendes Bild von der Kirche und ihrem Leben erhält", heißt es. Wenn kirchliche Stellen Nachrichten zurückhalten oder nicht in der Lage sind zu informieren, öffneten sie schädlichen Gerüchten Tür und Tor. Zudem dürften sie Dissens und Konflikte nicht verschweigen.

Die Medienleute freuten sich über diese Offenheit. Sie konnten sich auch bei kritischer Berichterstattung auf den Vatikan berufen. Mancher sah hier aber auch eine Ursache des Dissenses in der Kirche.

"Communio et progressio" wurde in einer Welt von Radio, Zeitung und Fernsehen verfasst. Es habe aber nichts Grundsätzliches an seiner Aktualität eingebüßt und sei eins zu eins auch auf die digitale Welt anwendbar, meint Pressesprecher Matthias Kopp von der Deutschen Bischofskonferenz: "Eine relecture ist auch heute sinnvoll".

Von Johnannes Schidelko (KNA)