"Ich mache mir große Sorgen": Kardinal Kasper kritisiert Synodalen Weg
Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper hat erneut Kritik am Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland geübt. Dieser gebe in der Öffentlichkeit "wahrlich kein gutes Bild ab", sagte Kasper in einem Interview des "Passauer Bistumsblatts" (Sonntag), das katholisch.de vorab vorlag. "Ich mache mir große Sorgen, bin jedoch mit einem abschließenden Gesamturteil vorsichtig. Bisher hören wir einzelne, zum Teil schrille Stimmen und einzelne öffentlich laute Gruppen, aber wir haben noch keinen Beschlusstext", sagte der 88-jährige ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.
Für den Anfang möge es ja gut gewesen sein, die unterschiedlichen Meinungen bei dem im Dezember 2019 gestarteten Reformprozess ungefiltert zu Wort kommen zu lassen. "Aber es übersteigt mein Vorstellungsvermögen, dass Forderungen wie Aufhebung des Zölibats und Priesterweihe von Frauen am Ende die Zwei-Drittel-Mehrheit der Bischofskonferenz finden oder in der universalen Kirche konsensfähig sein könnten", so Kasper weiter. Er habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Gebet vieler treuer Katholiken helfe, den Synodalen Weg auf katholische Gleise zu lenken.
"Warum hat man den Brief von Papst Franziskus nicht ernster genommen?"
Kasper kritisierte weiter, dass der Synodale Weg strukturell auf schwachen Beinen stehe: "Er ist weder eine Synode noch ein bloßer Dialogprozess. Jetzt am Anfang ist er ein Dialogprozess, dann hat die Bischofskonferenz das Wort und schließlich ist, was die universalkirchlichen Forderungen angeht, der Papst am Zug, außerdem ist jeder Bischof frei, in seiner Diözese zu übernehmen, was ihm geeignet erscheint." Wie das alles auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sei, sei angesichts der offensichtlichen Uneinigkeit der deutschen Bischöfe schwer vorstellbar. Dazu komme der noch schwerer wiegende inhaltliche Geburtsfehler: "Warum hat der Synodale Weg den Brief von Papst Franziskus nicht ernster genommen und, wie es sich für eine Synode gehört, die kritischen Fragen im Licht des Evangeliums betrachtet", fragte Kasper.
Der Kardinal warnte die Kirche in Deutschland zudem davor, die Weltkirche mit dem Synodalen Weg auf einen deutschen Weg bringen zu wollen. "Wir Deutsche genießen in der Welt Respekt für unser klares Denken, für unser Organisationstalent, unsere Spendenfreudigkeit, auch für die Theologie. Ich stelle aber auch fest, dass andere Völker gereizt reagieren, wenn wir den Eindruck erwecken, wir wollten ihnen den Kurs vorgeben nach dem Motto: 'Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.'" Er erlebe immer wieder, dass die beim Synodalen Weg diskutierten Themen in anderen Ländern keine Rolle spielten.
"Ohne Zweifel" tiefe Krise der katholischen Kirche in Deutschland
"Wir haben keinen Grund nur als Lehrmeister aufzutreten, auch andere haben etwas zu bieten von dem wir lernen können", so Kasper weiter. Wenn er etwa sehe, was in römischen Pfarreien, in den Vereinigten Staaten oder – unter völlig anderen Bedingungen – in Afrika in der Katechese geschehe, dann sei Deutschland "katechetisches Notstandsgebiet". Beispielhaft nannte er die Ehevorbereitungs- und Familienkatechese: "Wo sie gut gemacht wird, finden sich in den Sonntagsgottesdiensten junge Leute, junge Familien mit Kindern, die man in Deutschland oft an den Fingern einer Hand abzählen kann. Das nehmen die anderen selbstverständlich wahr, finden den gegenwärtigen Zustand der katholischen Kirche in Deutschland nicht besonders attraktiv und verspüren wenig Lust, es uns nachzumachen."
Die Kirche in Deutschland sieht Kasper "ohne Zweifel" in einer tiefen Krise und einer epochalen geschichtlichen Herausforderung. "Die sachgemäße Antwort ist eine Synode, welche die Zeichen der Zeit und die sehr komplexen Hintergründe der Krise analysiert und unter Gebet hört, was der Heilige Geist als Interpret des Evangeliums uns in dieser Situation zu sagen hat", so der Kardinal wörtlich. Die Krise und die Herausforderung seien zu groß, um sie allein mit strukturellen Reformen lösen zu können. Ohne Zweifel seien strukturelle Reformen nicht erst heute, sondern immer notwendig. "Aber wir können uns nicht einbilden, man könne Kirche 'machen'. Die Erneuerung muss aus einem inneren Wachstum von Glaube, Hoffnung und Liebe kommen", sagte Kasper. (stz)