Kolumne: Römische Notizen

Der Vatikan und das liebe Geld

Veröffentlicht am 14.06.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ In Zeiten der Krise muss auch der Vatikan den Gürtel enger schnallen. Das gefällt nicht allen Angestellten, aber der Papst kennt da kein Pardon. So wie er überhaupt beim Geld ein wenig aufräumt in seinem Staat. Gut so, vermerkt unsere Kolumnistin Gudrun Sailer.

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Manche wunderten sich über die päpstliche Gebetsmeinung für den Mai 2021: Sie galt der Finanzindustrie. Franziskus lud dazu ein, mit ihm dafür zu beten, dass Fondsmanager im Verein mit Regierungen "diese Welt gut ordnen und so die Bürger vor den Gefahren der von der Realwirtschaft entkoppelten Finanzmärkte schützen". Gegen Spekulation, für Regulierung, "um zu verhindern, dass die Armen wieder die Folgen bezahlen", erläutete der Papst in einem Beipacktext per Video.

Ein Papst, der zum Gebet einlädt und sich im selben Atemzug zum Ratgeber in Sachen Wirtschaftspolitik aufschwingt? Yes, he can. Kein Papst bisher hat sich öfter und streitbarer als dieser über Geld und Wirtschaft geäußert, keiner hat die katholische Soziallehre bildreicher ins Alltagsleben von Gläubigen und weniger Gläubigen hineinbuchstabiert. Die globale Krise, die einen besonders verantwortungsvollen Umgang mit finanziellen Ressourcen gebieten würde, verleiht den Mahnungen des Kirchenoberhauptes einen gewissen Resonanzraum.

Seit 2018 sind Investments sauber

Und der Vatikan? Er bezieht Teile seiner Einkünfte aus Geldanlagen: Wie sauber sind diese Investments? Beobachter sagen, hier greifen langsam die von Franziskus verordneten Kontrollmechanismen, die anrüchige Finanzpraktiken aus den Portfolios des Papststaates verbannen sollen. Als Beleg dafür soll ausgerechnet die Affäre um eine Londoner Luxusimmobilie taugen, an der sich das Staatssekretariat heftig verspekulierte. Dieser Vorgang nämlich wurde von innen aufgedeckt und nicht – wie früher die Norm – von Investigativjournalisten. Franziskus entzog daraufhin dem Staatssekretariat seine Kasse und schlug sie im Dezember 2020 der professionell geführten vatikanischen Güterverwaltung APSA zu. Auf das juristische Nachspiel, das den vom Papst degradierten Kurienkardinal Angelo Becciu involvieren wird, sind Vatikanbeobachter ausgesprochen neugierig. War es Korruption oder bloß Inkompetenz, die den Prälaten beim Erwerb der Londoner Palastes 2014 so und so viele Millionen Vatikan-Euro in den Sand setzen ließen? Noch ehe das geklärt und geahndet ist, bleibt festzuhalten: Seit 2018 sind Investments des Heiligen Stuhles sauber. Sie verdienen nicht an krummen Deals, blutigen Rohstoffen oder Sklavenarbeit. Sagen unsere Beobachter. Als brave Katholiken wollen wir das gerne glauben.

Wer der Welt im Augenblick der Krise moralische Orientierung bieten will, tut gut daran, gewisse Finanzpraktiken selbst dann zu unterlassen, wenn sie anderswo legal sein sollten. Gerade weil diese Maxime heutzutage beherzte Unterstützung im Vatikan findet, wird das Minus, das man im Zug der Coronakrise einfährt, leider Gottes beträchtlich sein. Damit Sie sich ein ungefähres Bild machen können: 2019 nahm der Heilige Stuhl 307 Millionen Euro ein, gar nicht so viel im Vergleich zu viereinhalbtausend Angestellten, 1.900 Pensionären und einer weltkirchlichen Mission, die den Globus umspannt. Im Wirtschaftssekretariat prognostiziert man nun für 2020 – man ist da noch am Rechnen, war aber so freundlich, uns derweil ein Hintergrundgespräch zu gewähren – einen Einbruch von gut 20 Prozent der Einnahmen.

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Die beiden fülligsten Geldquellen beim Heiligen Stuhl sind erstens Mieteinnahmen und zweitens Geldanlagen, beide zusammen machen gut die Hälfte der Einnahmen aus. Der Rückgang in diesen beiden Sparten war empfindlich. Anders bei der Geldquelle Nummer drei, den Spenden: Die sind weniger dramatisch zurückgegangen (wir sprechen da übrigens nicht vom Peterspfennig – diese Zuwendungen der Gläubigen der Weltkirche zur Sendung des Papstes fließen erst ab nächstem Jahr in die Bilanz). Minus 20 Prozent also allein am Heiligen Stuhl. Getrennt bilanziert wird die zweite große Einheit unter dem Papst, der Vatikanstaat. Deren Cash-Cow, die Vatikanischen Museen, blieb über Monate ungemolken, weil geschlossen. Die Gehälter für 700 dort Beschäftigte liefen weiter.

Denn entlassen will Papst Franziskus niemanden, was wir als seine Angestellten sehr ehrenwert finden. Also wird gespart. Keine Dienstreisen, keine bezahlten Überstunden mehr, Kongresse nur noch online, Arbeit gerne von zu Hause aus, wobei sich diese Ansagen gerade wieder etwas lockern. Bemerkenswert aber ist: Zum ersten Mal seit Menschengedenken gab es empfindliche Gehaltskürzungen im Vatikan. Den Kardinälen strich der Papst auf Dauer zehn Prozent ihres Monatseinkommens von rund 5.000 Euro, den Präfekten und Sekretären – das sind die höchsten Funktionen der Kurie - acht Prozent, den Priestern und Ordensleuten drei Prozent. Etwas gnädiger verfuhr der Souverän mit uns Laien, die das Gros seiner Belegschaft ausmachen. Er stoppte für zwei Jahre unsere (bescheidenen) automatischen Gehaltsvorrückungen. Ungeschoren davon kommen Angestellte der niedrigsten drei Gehaltsstufen und solche mit teuer zu behandelnden Krankheiten.

Widerstand bei den Laien im Vatikan

Die sozial gestaffelten Kürzungen sollen das Corona-Minus beim Heiligen Stuhl um fünf Prozent verringern. Sie riefen aber auch Widerstand hervor, und zwar bei den Laien, die de facto die geringsten Einbußen haben. Weil die gestrichenen Gehaltsvorrückungen sich über die Jahre bis hinein in den Ruhestand zu durchaus stattlichen Summen addieren, sammelten Laien mit Einblick im Vatikan Unterschriften für einen gut argumentierten Brief, in dem sie ihren Dienstherren Franziskus bitten wollten, die Maßnahme zu überdenken. Ein aussichtsloser Vorstoß: Dem südamerikanischen Papst stehen als Bilder der Krise arbeitslos gewordene Tagelöhner, Hungernde und Vertriebene vor Augen, zu denen seine Angestellten in Rom mit sicheren Posten auf Lebenszeit eindeutig nicht zählen. Der Brief wurde geleakt. Ob Franziskus ihn gelesen hat, ist unklar, nur dass er ihn ärgerte, steht fest.

Mit dem Corona-Sparpaket konnte der Heilige Stuhl seine Ausgaben 2020 um zehn bis 15 Prozent drücken, war im Wirtschaftssekretariat zu erfahren. Wobei einzelne Kurienbehörden in der Krise nicht weniger, sondern im Gegenteil mehr ausgeben sollten, auf ausdrücklichen Wunsch des Papstes. Missionskongregation, Ostkirchenkongregation und das Dikasterium für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen potenzierten ihr “Hinausgehen” zu Menschen, die diese Krise materiell wirklich hart anfasst. An diesem Punkt tritt der Überbau der Rede über Vatikan und Geld ins Licht: Ob der Papst schwarze oder rote Zahlen schreibt, ist zweitrangig. Mehr noch, der Heilige Stuhl muss geradezu ein Defizit einfahren. Nicht bloß, weil er (fast) nichts verkauft und einnimmt, sondern weil er eine Sendung für die Welt hat. Was in dieser Krise nicht geschehen darf, ist, dass das Geld zu wichtig wird, der Vatikan zu sehr um sein Budget bangt und sich damit den Blick auf seine eigene Mission verstellt. Geld ist nötig in der Kirche, aber wichtig sollte es nicht sein.

Von Gudrun Sailer

Kolumne "Römische Notizen"

In der Kolumne "Römische Notizen" berichtet die "Vatikan News"-Redakteurin Gudrun Sailer aus ihrem Alltag in Rom und dem Vatikan.