Katholikenkomitee kritisiert Vatikan und Ungarn: Vielfalt akzeptieren
Die familienpolitische Sprecherin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Birgit Mock, kritisiert sowohl Ungarn als auch den Vatikan für deren Umgang mit sexueller Identität. Diese sei nichts, "was man sich aussucht, sondern in einem langen und vielschichtigen Prozess entdeckt. Sie muss akzeptiert werden", mahnte Mock am Freitag in Bonn. Es sei "ein Gebot der Menschlichkeit, diese Prozesse als Gesellschaft zu unterstützen".
Mock begrüßte die jüngste Kritik der EU-Kommission am ungarischen Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität. 17 Regierungen hatten sich zuletzt dagegen ausgesprochen; EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete das Gesetz als "Schande". Mock sagte, es stelle eine Zensur dar und verstoße gegen Grundrechte. Das ZdK hoffe, "dass die EU-Kommission hier eine unmissverständliche Lösung findet".
Der Vatikan hatte zuletzt Kritik an einem geplanten Anti-Homophobie-Gesetz in Italien geübt. Am Dienstag war eine Verbalnote des vatikanischen Staatssekretariats an die Medien gelangt. In dem Schreiben an die italienische Botschaft beim Heiligen Stuhl heißt es, die Freiheitsrechte der katholischen Kirche würden durch "einige Inhalte des aktuellen Gesetzentwurfs" unzulässig eingeschränkt.
Parolin verteidigt Beschwerde gegen Anti-Homophobie-Gesetz
Mock sagte dazu, das geplante italienische Gesetz schränke keineswegs die Meinungsfreiheit ein. Es gehe vielmehr darum, "Hasshandlungen gegen LGBTIQ*-Personen unter Strafe zu stellen. Das Gesetz wird es erleichtern, Angriffe und Beleidigungen zur Anzeige zu bringen." Für den Umgang mit sexueller Vielfalt seien "Respekt voreinander und die unbedingte Anerkennung der Würde die maßgeblichen Referenzwerte".
Unterdessen forderte die Würzburger Theologin Hildegund Keul eine "radikale Umkehr" der katholischen Kirche im Umgang mit Homosexuellen. Hier stünden "Menschenrechte auf dem Spiel", schreibt Keul im Internet-Blog feinschwarz.net (Freitag). Die katholische Theologin äußerte "Sorge und Ärger" darüber, dass der Vatikan Bedenken gegen das geplante Anti-Homophobie-Gesetz in Italien vorgebracht habe. "Die römisch-katholische Kirche beteiligt sich an den zahllosen Diskursen und Praktiken, die die soziale Vulnerabilität von schwulen und lesbischen Menschen extrem erhöhen", kritisierte Keul, die an der Universität Würzburg Fundamentaltheologie lehrt: "Inwiefern ist sie als ein Global Player der Homophobie mitverantwortlich an Verbrechen gegen gleichgeschlechtlich liebende Menschen? Dieser harten Frage müssen wir uns als Kirche stellen."
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin verteidigte am Donnerstag die Vatikan-Beschwerde gegen das Anti-Homophobie-Gesetz. Seine Sorge gelte möglichen "Auslegungsproblemen", wenn ein Text "mit vagem und ungewissem Inhalt" verabschiedet werden sollte. Und weiter: "Wir sind gegen jede Haltung oder Geste der Intoleranz oder des Hasses gegenüber Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung."
Während Politiker von Lega und Forza Italia die Vorbehalte des Vatikan teilten, kam von anderen Seiten teils harsche Kritik an der vatikanischen Verbalnote. Diese "Einmischung" sei entschieden abzulehnen, sagte der Vorsitzende des Bundes evangelischer Kirchen in Italien (FCEI), Luca Maria Negro. Roberto Fico (Fünf Sterne), Präsident der Abgeordnetenkammer des Parlaments, betonte indes die Souveränität der Volksvertreter. Die Antwort an den Vatikan sei einfach: "Wir akzeptieren keine Einmischung." Ministerpräsident Draghi äußerte sich im Senat ähnlich: "Wir sind ein säkularer, kein konfessioneller Staat." Entsprechend seien die Abgeordneten durchaus frei, zu diskutieren und Gesetze zu erlassen. (tmg/KNA)
25.6., 14:45 Uhr: Ergänzt um Keul.