Bonner Stadtdechant sieht "Bestätigung für die fehlende Debattenkultur"

Kein Einbringen in Macht-Forum? Picken wehrt sich gegen Kritik

Veröffentlicht am 07.09.2021 um 13:43 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Autoren des Alternativtextes zum Thema Macht hätten die Disskussionsmöglichkeiten nicht genutzt und würden Populismus betreiben: Das wird Wolfgang Picken und seinen Mitstreitern vorgeworfen. Nun nimmt der Bonner Stadtdechant dazu Stellung.

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Der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken bezeichnet die Vorwürfe einzelner Mitglieder des Synodalen Wegs als "grotesk", er und die anderen Autoren des Alternativtextes zum Forum "Macht und Gewaltenteilung" hätten sich kaum in die inhaltliche Arbeit eingebracht und würden mit der Veröffentlichung ihres Papiers Populismus betreiben. "Hier setzt sich eine Methode der Ausgrenzung traurig fort", schreibt Picken in einer Stellungnahme, die katholisch.de vorliegt. Der Vorwurf, man habe die Möglichkeiten zur Diskussion im Forum nicht hinreichend genutzt, verdrehe "wissentlich" die Faktenlage. Er selbst habe zwei mehrseitige theologische Erwiderungen zu den theologischen Grundlagen vorgelegt, so Picken. Diese seien weder in die Tagesordnung aufgenommen noch diskutiert worden. Gleiche Erfahrungen hätten die drei anderen Verfasser des Alternativtextes gemacht.

Am Freitag hatte das Bistum Regensburg eine Internetseite freigeschaltet, die in den kommenden Wochen mehrere alternative Vorschläge zum Reformprozess der katholischen Kirche in Deutschland veröffentlichen will. Den Anfang machte ein Text mit dem Titel "Vollmacht und Verantwortung", der sich als Alternativpapier zum bereits veröffentlichten Grundtext des Macht-Forums versteht. Beispielsweise befürworten die vier Autoren, allesamt Mitglieder des entsprechenden Forums, in Anbetracht sinkender Mitgliederzahlen eine "strukturelle Erneuerung angesichts sichtbarer Mängel", lehnen aber eine demokratische Gewaltenteilung ab, da dies mit der "Kirchenleitung nicht zu vereinbaren" sei. Daraufhin wurde inhaltliche Kritik am Papier sowie am Vorgehen der Autoren laut. Unter anderem wurde ihnen vorgeworfen, kaum an den Sitzungen des Forums teilgenommen und sich nicht zu Wort gemeldet zu haben.

"Man schweigt Kritik und Einwände tot"

Dieser Vorwurf sei eine "Bestätigung für die fehlende Debattenkultur“, so Picken weiter. Auch die ersten inhaltlichen Reaktionen auf den Alternativtext bewiesen, wie wenig man bereit sei, sich sachlich mit alternativen Überlegungen auseinanderzusetzen. "Man schweigt Kritik und Einwände tot, oder aber man arbeitet mit haltlosen Unterstellungen gegen die Kritiker", so Picken wörtlich. Die Autoren in das reaktionäre Lager abzuschieben oder als Vertreter eines alten Systems zu diffamieren, sei nicht akzeptabel. Ebenso werde eine inhaltliche Erwiderung, die den Text "Vollmacht und Verantwortung" selektiv zitiere oder den Autoren Aussagen unterstelle, die sich im Dokument nicht fänden, den Ansprüchen eines redlichen Diskurses nicht gerecht.

Die von den Autoren des Alternativtextes vorgelegten Reformvorschläge sind laut Picken alles andere als "Make-up" an der Fassade der Kirche. Viele der Vorschläge wiesen Wege auf, wie man Machtmissbrauch in der Kirche wirksam eingrenzen könne. Zudem seien sie aus der bestehenden Lehre der Kirche abgeleitet und deshalb sofort umsetzbar. Der Text des Macht-Forums hingegen beruhe auf theologischen Hypothesen, die aus seiner Sicht eine Prüfung durch den Vatikan nicht überstehen würden. Das aber riskiere das Aus für wichtige Reformbemühungen und werde Frustration in der Kirche in Deutschland auslösen, betont Picken. Selbst eine Spaltung sei nicht ausgeschlossen: "Wer so weit über das Ziel hinausschießt, muss auch die Folgen verantworten."

Linktipp: Richtige Entscheidungen! Der Synodale Weg braucht einen klaren Kurs

Der Voderholzer-Vorstoß redet die großen Aufgaben des Synodalen Wegs klein – das ist die Kritik der beiden Synodalen Thomas Söding und Johannes Norpoth: In einem Gastbeitrag betonen sie, dass der Reformprozess von Anfang an kontrovers und offen Auswege aus der Krise des Missbrauchs diskutiert hat.

Weiter forderte der Bonner Stadtdechant "im Interesse einer guten und ehrlichen Diskussionskultur" dazu auf, dass sich die Ende September tagende Vollversammlung des Synodalen Wegs sowie das Macht-Forum mit dem Alternativtext auseinandersetzen. Jetzt sei "Integration und Diskurs statt Durchmarsch" verlangt, unterstreicht Picken. Zudem solle man wertschätzen und fördern, dass sich Plattformen und Diskussionskreise jenseits der festgelegten Struktur an der Debatte beteiligen, "statt dem mit Angst und Empörung zu begegnen". Entsprechend müsse der Synodale Weg "dringend" ermöglichen, dass sich auch Katholiken an der Debatte beteiligen können, die keine Synodalen sind. "Die Synode läuft sonst Gefahr, ein Konzil der Delegierten zu werden und die Rückbindung an die Basis zu verlieren", so Picken.

Bereits am Freitag hatte Picken seine Beweggründe für das Mitverfassen des Alternativtextes dargelegt und dabei scharfe Kritik am bisherigen Verlauf der Beratungen des Synodalen Wegs geübt. Dabei bemängelte er insbesondere eine aus seiner Sicht fehlende Diskussionskultur. Solange es um die Veränderungen bestehender Kirchenstrukturen gehe, seien die Forderungen nach mehr Demokratie lautstark und zuweilen empört, sagte Picken. "Wenn es aber um die Durchsetzung eigener Interessen geht, wählt man auch in Reformbewegungen und im Synodalen Weg lieber sicherheitshalber Methoden, die unter Umgehung wirklich partizipativer Mitbestimmung die Umsetzung eigener Zielsetzungen sichern." Bereits die Zusammensetzung der Synodalforen sei ein "Musterbeispiel für fehlende Demokratie und Mitbestimmung" gewesen. (mal)