Inhaltliche Diskussionen und offener Streit

Vor zweiter Synodalversammlung: Wie kann man die Gräben überwinden?

Veröffentlicht am 30.09.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Richtungsentscheidungen stehen an bei der zweiten Versammlung des Synodalen Wegs, die an diesem Donnerstag in Frankfurt beginnt. Insgesamt 16 Texte werden von den Synodalen beraten und diskutiert. Es geht um nicht weniger als die Zukunft und die Einheit der Kirche. Streit ist dabei vorprogrammiert.

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Fast zwei Jahre ist die letzte große Plenarsitzung des Synodalen Wegs her. 20 Monate, in denen sich die Kirche in Deutschland und der Welt an das Reformprojekt von Laien und Klerikern gewöhnen konnte und in denen auch der Vatikan einen weltweiten synodalen Prozess angekündigt hat. Wenn Geweihte und Nicht-Geweihte, Frauen und Männer von Donnerstag bis Samstag zur zweiten Synodalversammlung zusammenkommen, liegen nun zum ersten Mal in allen vier Foren Texte vor, die in erster Lesung beraten – und vermutlich heiß diskutiert – werden.

Ein erster Vorgeschmack darauf, wie das ablaufen könnte, bietet ein Blick auf die erste und in dieser Form bisher einzige Synodalversammlung Ende Januar 2020 in Frankfurt. Denn gleich zu Beginn stand ein Scheitern des Reformprozesses im Raum. Bereits die Verabschiedung der Geschäftsordnung löste eine Grundsatzdiskussion aus. Eine Gruppe rund um den Bonner Stadtdechanten Wolfgang Picken, die sich von den Organisatoren nicht genügend eingebunden fühlte, forderte eine "gleichberechtigte und transparente Gestaltung" des Synodalen Wegs. Nach mehrstündiger Verspätung im geplanten Ablauf wurde die überarbeitete Geschäftsordnung schließlich angenommen.

Corona-Pandemie bremste Synodalen Weg aus

Auf dieses Treffen folgte allerdings nicht die bereits für September 2020 geplante zweite Synodalversammlung. Die Corona-Pandemie bremste den Prozess aus und stattdessen trafen sich jeweils rund 50 Synodale am 4. September zur Regionenkonferenz "Fünf Orte – ein Weg" dezentral in Berlin, Dortmund, Frankfurt, Ludwigshafen und München, um über die Themen des Synodalen Wegs zu sprechen. Während viele die konstruktive und positive Atmosphäre der Treffen lobten, traten erneut die teils sehr weit auseinanderliegenden Ansichten der Teilnehmenden offen zutage. Und noch etwas wurde deutlich: Das unterschiedliche Arbeitstempo der Synodalforen.

Online-Konferenz des Synodalen Wegs
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Bei der Online-Konferenz des Synodalen Wegs Anfang Februar gaben die Synodalforen Einblick in ihre Arbeit. Einige der damals vorgestellten Texte werden auch jetzt besprochen.

Bei der Online-Konferenz Anfang Februar dieses Jahres gaben die Synodalforen Einblick in ihre Arbeit. Aus dem Forum I "Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag" etwa kamen bereits ein Grund- und drei Handlungstexte zum Thema Laienpredigt, mehr Transparenz bei Finanzfragen und Schiedsstellen für Konflikte in der Kirche. Diese Texte werden auch bei der kommenden Synodalversammlung in Frankfurt beraten.

Durchbürokratisierung der Diskussionen

ZdK-Präsident Sternberg kündigte in einem Interview nach diesem Online-Treffen an, dass es bei der nächsten Versammlung Entscheidungen geben werde. Final entschieden wird in Frankfurt über die vorliegenden Texte allerdings noch nicht. Auch die Diskussionen über die Textvorlagen ist aus Zeitgründen durchbürokratisiert worden. Änderungsanträge an den einzelnen Texten konnten bis eine Woche vor der Synodalversammlung über ein Online-Tool angebracht werden. Insgesamt sieben Antragskommissionen – bestehend aus Mitgliedern der jeweiligen Synodalforen, die die Texte verfasst haben oder vom Synodalpräsidium berufen wurden – haben diese Anträge gesichtet und Beschlussempfehlungen abgegeben, die die Synodalen bereits im Vorfeld nachverfolgen können. Nur diese Beschlussempfehlungen der Antragskommissionen werden auf der Zweiten Synodalversammlung in erster Lesung verhandelt und durch die Synodalversammlung angenommen oder abgelehnt.

"Aufgrund der wirklich eng bemessenen Zeit werben wir nachdrücklich dafür, sich von bisherigen Erfahrungen – getreu dem Motto 'bei uns machen wir das aber anders' – freizumachen und sich auf die von uns erarbeitete Prozessgestaltung einzulassen", schreiben Bischof Georg Bätzing und ZdK-Präsident Thomas Sternberg in einer Vorab-Information zum Procedere der Zweiten Vollversammlung. Man möge sich nicht in Struktur- und Geschäftsordnungsdebatten verlieren, sondern die Inhalte diskutieren, "durch die es möglich werden soll, das Evangelium auch in Zukunft glaubwürdig zu verkünden."

 Rudolf Voderholzer bei Synodalversammlung
Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Kurz vor der zweiten Synodalversammlung zeigte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer seine offenen Widerspruch zum Synodalen Weg und startete eine Internetplattform mit alternativen Reformvorschlägen.

Auch jetzt in Frankfurt ist mit hitzigen Diskussionen zu rechnen. Spannend wird vor allem die Frage sein, inwieweit auch die Kritik an der Arbeit der Foren bei der Synodalversammlung aufgegriffen und behandelt werden wird. Denn der offene Widerspruch zum Synodalen Weg ist vor der jetzt anstehenden Plenarsitzung deutlicher geworden. Gegenwind kommt vor allem aus dem Süden: Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer startete Anfang September eine neue Internetplattform für alternative Reformvorschläge. Der dort veröffentlichte Text "Vollmacht und Verantwortung" von vier Mitgliedern aus dem Macht-Forum war nicht mit den anderen Forenmitgliedern abgesprochen und steht bei der Synodalversammlung auch nicht zu Diskussion.

Kurz vor der Synodalversammlung legte Voderholzer noch einmal nach: Der Synodale Weg instrumentalisiere Missbrauch und "entwerte" die "Bibel als Urkunde und Fundament des Glaubens und der Kirche", indem der Heiligen Schrift "andere Quellen kirchlicher Orientierung zur Seite gestellt", namentlich "eine Missbrauchsstudie, die man kritiklos dogmatisiere", sagte er in einer Predigt.

Kritik an Personalentscheidungen des Papstes

Kritik kommt aber nicht nur von Seiten der Bewahrer: 57 Teilnehmer des Synodalen Wegs zeigten sich in einer Erklärung erschüttert über die Gründe, mit denen Papst Franziskus die Rücktrittsgesuche des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße und des Kölner Weihbischofs Dominikus Schwaderlapp nicht annahm. Auch die Personalentscheidungen zum Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und Weihbischof Ansgar Puff stießen auf Unverständnis.

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Kardinal Reinhard Marx (rechts) gab sein Amt als Präsident des Synodalen Wegs an seinen Nachfolger Bischof Georg Bätzing weiter. Wer Nachfolger von Thomas Sternberg werden wird, ist noch unklar.

Grundsätzlich hat sich das Personalkarussell seit der letzten Synodalversammlung erheblich weitergedreht. Schwaderlapp trat aus dem Forum "Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft" aus, die Theologin Marianne Schlosser legte ihre Arbeit im Frauen-Forum nieder, arbeitete später aber im Macht-Forum mit und erarbeitete den Alternativtext. Bischof Georg Bätzing übernahm als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz auch das Amt des Präsidenten des Synodalen Wegs von seinem Vorgänger Kardinal Reinhard Marx. Für ZdK-Präsident Thomas Sternberg wird es die letzte Synodalversammlung als Präsident des Synodalen Wegs sein: Im Spätherbst legt der 69-Jährige sein Amt nieder, wer ihm nachfolgen wird, ist noch unklar. Einen Nachfolger für den verstorbenen Geistlichen Begleiter, den Jesuiten Bernd Hagenkord, gibt es dagegen schon: Der Münsteraner Pfarrer Siegfried Kleymann wird die kommende Synodalversammlung begleiten.

Streit quasi vorprogrammiert

Geistliche Begleitung und gute Moderation können dort nicht schaden, denn angesichts des engen Zeitrahmens, der Menge an Themen und der grundverschiedenen Ansichten ist Streit quasi vorprogrammiert. Der Synodale Weg kommt jetzt spürbar in eine entscheidende Phase. Nach der jetzt stattfindenden ersten Lesung der vorliegenden Texte können diese bei der nächsten Synodalversammlung laut Satzung in zweiter Lesung mit einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder und mit einer Zweidrittelmehrheit der DBK-Mitglieder beschlossen werden. Dann ist es an den Diözesanbischöfen, diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit umzusetzen und gesamtkirchliche Voten an den Apostolischen Stuhl mitzuteilen.

Entscheidend wird jetzt in Frankfurt die Frage sein, ob bei den Diskussionen und Beratungen auch diejenigen mitgenommen werden können, die abweichende Meinungen haben. In einem Interview kritisierte der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl im Vorfeld der zweiten Synodalversammlung, er habe den Eindruck, dass beim Synodalen Weg versucht werde, "Ziele durchzupeitschen", die schon vorher feststünden. Wenn sich dieser Eindruck bei vielen Kritikern erhärtet, wird der Reformprozess die Spaltung in der Kirche nur noch vertiefen, statt alle zusammenzuführen – oder gar ganz scheitern. Gleiches dürfte aber auch gelten, wenn die breit vertretenen Reformwünsche ins Leere zu laufen drohen.

Von Christoph Brüwer