BDKJ-Bundesvorsitzender im Interview zur zweiten Synodalversammlung

Podschun: Eine Lehre, die Gewalt zufügt, kann nicht korrekt sein

Veröffentlicht am 02.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Frankfurt am Main ‐ Eine Aussage des BDKJ-Bundesvorsitzenden Gregor Podschun hatte in der Synodalversammlung für Kritik gesorgt: Wenn Personen gegen Reformen stimmten, würden sie ein System unterstützen, das sexualisierte Gewalt zulässt. Im katholisch.de-Interview erklärt er seine Stellungnahme.

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Bei der Synodalversammlung gehört der Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Gregor Podschun zu den Reformerbefürwortern. Im Interview erklärt er auch, warum er Änderungen bei der Sexuallehre fordert und warum Minderheitsmeinungen beim Snnodalen Weg aus seiner Sicht gehört werden.

Frage: Herr Podschun, mittlerweile treffen sich die Synodalen zur zweiten Synodalversammlung zum ersten Mal seit über eineinhalb Jahren wieder gemeinsam vor Ort. Dieses Mal geht es auch um konkrete Texte. Wie ist Ihr Eindruck bisher?

Podschun: Bisher finde ich die Diskussionen sehr gut. Am Freitag haben wir über den Präambel- und den Orientierungstext beraten, die eine grobe Richtung des Synodalen Wegs vorgeben. Ich finde es gut, dass wir da relativ einmütig abgestimmt haben und die Abstimmungsergebnisse tatsächlich eine große Zustimmung zu der Richtung des Synodalen Wegs gezeigt haben. Gestern Vormittag ging es um das Forum "Macht und Gewaltenteilung", wo die Texte auch sehr gut sind, die Kirche einen großen Schritt voranbringen und die mit großer Mehrheit angenommen wurden.

Frage: Einige – vor allem konservative – Vertreter haben vor der Synodalversammlung kritisiert, dass ihre Positionen nicht gehört und Minderheitsmeinungen unterdrückt werden. Wie beurteilen Sie das?

Podschun: Ich glaube, das ist nicht richtig. Die Menschen, die die Minderheit vertreten, sind in allen Synodalforen und konnten da gleichberechtigt mit allen anderen zusammenarbeiten und ihre Ideen einbringen. Dann sieht das Verfahren eine demokratische Abstimmung vor, wo natürlich tatsächlich Menschen, die eine Minderheitsmeinung haben, auch Abstimmungen verlieren. Aber so funktioniert unsere Demokratie: Mehrheiten treffen Entscheidungen – das heißt aber nicht, dass Minderheiten nicht gehört wurden. Das möchte ich zurückweisen.

Frage: Sehen Sie ein Problem darin, wenn Mitglieder diese Entscheidungen nicht mittragen und diesen Weg nicht mitgehen können?

Podschun: Wenn wir ehrlich sind, sind das Menschen, die den ganzen Synodalen Weg nicht mittragen und die nicht wollen, dass dieser Reformprozess stattfindet und sie versuchen ihn so zu torpedieren. Dagegen muss man sich wehren und sagen, dass das so nicht richtig ist. Wir brauchen diesen Synodalen Weg für unsere Kirche und ich bin sehr froh, dass auch Bischöfe das äußern.

Frage: Am Freitag haben Sie in der Synodalversammlung gesagt, dass jeder, der gegen die Texte beim Synodalen Weg stimmt, die Risikofaktoren für Gewalt und Leid in der Kirche unterstützt – was auch für Kritik gesorgt hat. Stehen Sie weiterhin hinter dieser Aussage?

Podschun: Das ist so nicht ganz richtig. Meine Aussage war: Wenn Personen nicht dafür stimmen, die Risikofaktoren sexualisierter Gewalt in der Kirche zu beseitigen, dann unterstützen sie, dass diese Systeme weiterhin bestehen, die sexualisierte Gewalt zulassen. Und das ist ja durchaus so. Wir brauchen jetzt Veränderungen, damit sexualisierte Gewalt und Leid nicht mehr möglich sind. Das heißt, die Menschen, die sich entscheiden, gegen Reformen zu stimmen, entscheiden sich dafür, dass Leid weiterhin möglich ist in der Kirche. Dazu stehe ich.

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Frage: Es geht also nicht um die Zustimmung zu einzelnen Texten?

Podschun: Nein. Es gibt auch Texte, die durchaus noch überarbeitungswürdig sind und denen ich auch nicht zustimmen würde. Es geht darum, für Reformen und für die Beseitigung der Risikofaktoren zu stimmen.

Frage: Sie sitzen im Forum Sexualmoral. Im Vorfeld der Synodalversammlung sagte der Bamberger Weihbischof Herwig Gössl, er habe den Eindruck, dass es bestimmte feststehende Reformen gebe, die beim Synodalen Weg "durchgepeitscht" werden sollen und dass die Ergebnisse nicht offen seien. Wie nehmen Sie das wahr?

Podschun: Das stimmt nicht. Die Foren wurden eingerichtet mit Blick auf die Risikofaktoren, die die MHG-Studie benennt. Und einer davon ist, dass die Sexuallehre der katholischen Kirche dazu beiträgt, dass sexualisierte Gewalt geschehen kann. Das heißt, wir müssen uns mit der Sexuallehre beschäftigen. Dass wir uns dann auch mit Punkte beschäftigen, die sowieso schon länger in Diskussionen sind – auch unabhängig von der MHG-Studie – ist dabei selbstverständlich. Und wir müssen auch ehrlich benennen, dass es neben den Betroffenen sexuellen Missbrauchs auch andere Personengruppen gibt, die Leid in der Kirche erfahren haben, etwa homosexuelle oder non-binäre Menschen. Auch das müssen wir angehen. Wir versuchen nichts durchzupeitschen, sondern wir versuchen die Sexuallehre an Menschenrechten zu orientieren.

Frage: Weihbischof Gössl sprach auch davon, dass eine Mehrheit des Sexualmoral-Forums eine Aufweichung der kirchlichen Lehre und Schrift und Tradition als Basis verlassen wolle. Was antworten Sie darauf?

Podschun: Die kirchliche Lehre und die Tradition waren nie starr, sondern haben sich immer weiterentwickelt. Es gibt erst seit knapp 100 Jahren lehramtliche Aussagen des Papstes zur Sexualmoral. Davor gab es die gar nicht, sondern davor wurde sich an gesellschaftlicher Sexualmoral orientiert, die damals eben auch rückschrittlicher war als heute. Als sich die Sexualmoral der Gesellschaft weiterentwickelt hat, ist die der Kirche aber stehengeblieben. Wir entwickeln die Lehre also eher weiter. Denn eine Lehre, die den Menschen Gewalt zufügt, kann nicht korrekt sein. Das müssen wir deutlich sagen.

Frage: Wenn man sich die Diskussion in der Synodalversammlung anhört, sind diese oft sehr theologisch und betrachten sehr spezifische Punkte. Haben Sie Sorge, dass das am Verständnis der "normalen" Menschen vorbeigeht und diese an den Diskussionen überhaupt keinen Anteil nehmen?

Podschun: Das muss man differenzieren. Man braucht das Theologische, weil die Beschlüsse in Rom und von der Weltkirche gelesen werden müssen und die sind spezialisiert auf theologische Texte. Zum anderen bräuchte es aber auch verständliche Texte, um dem Gottesvolk deutlich zu machen: Wir wollen hier wirklich Veränderungen. Wie weit jetzt jeder einzelne Gläubige bis vor Ort mitbekommen muss, was wir hier konkret machen, würde ich infrage stellen. Ich glaube, dass die Menschen vor Ort die Veränderung in der Kirche in der Haltung und im Recht letztendlich mitbekommen müssen und nicht ausschließlich die Diskussionen. Die konkreten Veränderungen müssen spürbar werden in der Kirche. Dieser Schritt muss nach der Synodalversammlung erst noch getan werden.

Von Christoph Brüwer